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Bundesverdienstkreuz für Merkel: Hat sie diese Auszeichnung verdient?


Umstrittene Auszeichnung für Angela Merkel
Dann hätten wir alle einen Orden verdient

MeinungVon Nilofar Eschborn, Miriam Hollstein

17.04.2023Lesedauer: 1 Min.
Meinung
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Angela Merkel nach Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität HarvardVergrößern des Bildes
Angela Merkel nach Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Harvard im Jahr 2019. Am Montag erhält sie den höchsten Verdienstorden der Bundesrepublik. (Quelle: Steven Senne/ap-bilder)

Am Montagabend erhält Ex-Kanzlerin Angela Merkel den höchsten Verdienstorden der Bundesrepublik. Ist das richtig?

Es ist eine erlesene Riege, in die sich die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einreihen kann. Nur zwei andere Persönlichkeiten haben vor ihr die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik, das "Großkreuz in besonderer Ausfertigung" verliehen bekommen – Konrad Adenauer (1954) und Helmut Kohl (1998).

Doch an der Verleihung gibt es Kritik. Ex-Linksfraktionschef Gregor Gysi hält die Auszeichnung für überzogen. Auch der Leiter der CDU-Grundsatzkommission, der Historiker Andreas Rödder, nannte sie "einen Fehler": Merkel hinterlasse ein problematisches Erbe.

t-online diskutiert: Hat Merkel diese Auszeichnung wirklich verdient?

Pro
Nilofar EschbornRedakteurin Politik, Wirtschaft, Gesellschaft

Ja, denn ihre moralische Größe war außergewöhnlich

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagt: "Am Ende ihrer Amtszeit war unser Land in keinem guten Zustand." Mit Sätzen wie diesen stellen Kritiker Merkels Auszeichnung infrage. Doch sie alle sollten sich fragen: In welchem Zustand wäre Deutschland jetzt ohne sie? Vermutlich in einem schlechteren.

Die Ex-Kanzlerin hat uns durch mehrere schwierige Lagen geführt: durch den Kollaps des Finanzwesens (2009), die Flüchtlingskrise, schließlich die Corona-Pandemie. Zwar machte sie auch Fehler. Aber in den entscheidenden Momenten, in denen niemand wusste, wie sich die Dinge entwickeln werden, bewies sie vor allem eines: Stärke.

Als beispielsweise Zehntausende aus Ländern wie Syrien flüchteten, zeigte sie menschliche Größe: Sie erkannte die Notsituation der Betroffenen und berief sich auf den ersten Artikel unseres Grundgesetzes, die Würde des Menschen.

Sicher, das Problem der Verteilung auf europäischer Ebene ist bis heute ungelöst. Dennoch war dieser Schritt damals die einzig richtige Entscheidung: Merkel stellte die Moral über die Angst – was sie von vielen anderen Politikern unterscheidet.

Auch außenpolitisch bewies Merkel Empathie. Mit ihrem diplomatischen Geschick wurde sie schnell zur Schlüsselfigur bei internationalen Gipfeln. Sie blieb stets besonnen, hörte zu – und genoss das Ansehen zahlreicher Regierungschefs auf der ganzen Welt. Wie viele Kanzler können das von sich behaupten?

Innenpolitisch sorgte sie derweil für Wohlstand: Während Merkels Regierungszeit wuchs die deutsche Wirtschaft um 42,6 Prozent, die Zahl der Arbeitslosen sank um 44,4 Prozent. Auch deshalb dürfte die Kanzlerin so beliebt gewesen sein, dass sie immerhin dreimal im Amt bestätigt wurde.

Klar, gerade mit Blick auf die Abhängigkeit von russischem Gas war nicht jede ihrer Entscheidungen rückblickend goldrichtig. Aber nur das Schlechte zu sehen und ihre herausragenden Leistungen jetzt zu vergessen, wird ihr nicht gerecht. Deswegen hat sie das Großkreuz in besonderer Ausführung verdient.

Kontra
Miriam HollsteinChefreporterin Politik

Nein, sie wusste, auf was sie sich einlässt

20 Ehrendoktorwürden hat Angela Merkel im Laufe ihrer Amtszeit verliehen bekommen. Hinzu kommen zahlreiche weitere Auszeichnungen, von der Leo-Baeck-Medaille (für ihr Engagement für die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen) bis hin zur Freiheitsmedaille, der höchsten zivilen Auszeichnung der USA, die ihr der damalige Präsident Barack Obama 2011 im Rosengarten des Weißen Hauses überreichte.

In 16 Jahren Kanzlerschaft läppert sich eben so einiges zusammen. Man kann also nicht sagen, dass Merkel keine Würdigung für ihre Arbeit erfahren hätte. Muss es da wirklich auch noch der höchste deutsche Verdienstorden sein?

Natürlich könnte man argumentieren, dass Merkel das Land weitgehend stabil durch große Krisen gebracht hat. Durch die Bankenkrise etwa, aber auch die Flüchtlingskrise. Sie hat es geschafft, dass Deutschland die Führungsmacht in Europa blieb und auch international von allen respektiert wurde. Umgekehrt könnte man gegenhalten, dass Merkel die Klimakrise ziemlich verschlafen hat, obwohl sie als einstige Umweltministerin früh davon wusste, und auch in der Russlandpolitik schwere Fehler gemacht hat. Die Energieabhängigkeit Deutschlands von Russland ist einer davon.

Aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Es geht nicht um die Frage, ob die Bilanz ihrer Regierungszeit gut, mittel oder schlecht ausfällt. Und es ist richtig, dass die Kanzlerschaft ein unterbezahlter Knochenjob ist, der seinen Inhabern alles abverlangt.

Aber das gehört quasi zur Jobbeschreibung dazu. Wer sich für das Amt bewirbt, weiß, auf was er oder sie sich einlässt. Auch Merkel hat in ihrem Eid geschworen, dass sie ihre Kraft "dem Wohle des deutschen Volkes widmen" wird. Und das gleich viermal. Wofür wird sie jetzt ausgezeichnet? Dafür, dass sie diesen Eid nicht gebrochen hat?

Auszeichnungen sollten für besondere Verdienste vergeben werden. Also für etwas Ungewöhnliches, was jemand geleistet hat, obwohl er oder sie dies nicht hätte müssen. Für einen besonderen Schwerpunkt, den er gesetzt hat, für eine große Initiative, die sie gestartet hat. Aber nicht dafür, dass er oder sie seine Arbeit so gut wie möglich macht. Sonst hätten alle hier im Land, die gewissenhaft Tag für Tag ihre Arbeit verrichten, Deutschlands höchsten Orden verdient.

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Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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