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Pflegereform: Das bedeuten Lauterbachs Neuerungen für Sie


Höhere Beiträge und Entlastungsbudget
Das bedeutet Lauterbachs Pflegereform für Sie


26.05.2023Lesedauer: 5 Min.
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Gesundheitsminister Karl LauterbachVergrößern des Bildes
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (Archivbild): Der Bundestag hat am Freitag die Pflegereform beschlossen. (Quelle: Michele Tantussi/reuters)

Der Bundestag hat die Pflegereform von Gesundheitsminister Lauterbach verabschiedet. Was wird sie bringen?

Erkrankt der ältere Vater an Demenz, oder kann die Mutter sich nicht mehr alleine versorgen, läuft es in den meisten Fällen so: Familienmitglieder springen ein und kümmern sich um sie. Von den rund fünf Millionen Pflegebedürftigen hierzulande werden vier Millionen zu Hause betreut, zum Teil mit der Unterstützung ambulanter Pflegedienste.

Zahlreiche pflegende Angehörige sind dabei enormen Belastungen ausgesetzt. Das hat unter anderem eine kürzlich vom Sozialverband VdK veröffentlichte Studie gezeigt, für die 54.000 Betroffene befragt wurden. Das Ergebnis: Fast 40 Prozent der Pflegenden kümmern sich bereits seit mehr als fünf Jahren um Angehörige, 23 Prozent pflegen mindestens 40 Stunden in der Woche. 59 Prozent vernachlässigen deshalb die eigene Gesundheit, so die Studie.

Die Regierung aus SPD, Grünen und FDP beteuert, etwas an dieser Situation verbessern zu wollen. Am Freitag hat der Bundestag einen entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Haus von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verabschiedet. Das "Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz" (PUEG), das jetzt noch durch den Bundesrat muss, dreht an mehreren Schrauben. Doch was wird das bringen? Die drei wichtigsten Punkte im Überblick.

Flexibel nutzbares Entlastungsbudget

Es ist eine Neuerung, die, obwohl im Koalitionsvertrag vereinbart, zwischenzeitlich nicht mehr vorgesehen war. Dann aber haben sich SPD, Grüne und FDP doch noch darauf geeinigt, die Leistungen für die sogenannte Kurzzeit- und Verhinderungspflege zu einem flexibel nutzbaren Entlastungsbudget zusammenzulegen.

Der Hintergrund: Pflegebedürftigen stehen verschiedene Hilfen zu, damit Angehörige mal eine Auszeit haben – etwa um Urlaub zu machen, beruflichen Verpflichtungen nachzukommen, oder wenn sie selbst krank sind.

Kurzzeitpflege meint dabei, dass eine pflegebedürftige Person für eine kurze Zeit in einem Pflegeheim aufgenommen wird. Verhinderungspflege meint, dass es möglich ist, für einen mehrwöchigen Zeitraum eine Ersatzpflege – etwa einen ambulanten Pflegedienst – zu organisieren, für welche dann die Pflegeversicherung die Kosten übernimmt.

Die Kurzzeitpflege umfasste bislang Leistungen von bis zu 1.774 Euro für bis zu acht Wochen pro Kalenderjahr, die Verhinderungspflege bis zu 1.612 Euro. Diese Beträge fließen nun in ein Gesamtbudget von 3.386 Euro, welches die Anspruchsberechtigten nach ihrer Wahl flexibel für beide Leistungen einsetzen können.

Diese neue Regelung gilt allerdings erst ab Mitte des Jahres 2025. Nur für die Eltern von schwerst pflegebedürftigen Kindern kommt das Entlastungsbudget schon ab Januar 2024.

Was bringt das?

Das Entlastungsbudget sei ein "Lichtblick am Horizont", sagt der renommierte Pflegewissenschaftler Heinz Rothgang t-online. "Viele aus der Pflegeszene sagen, das könnte tatsächlich helfen", so der Wissenschaftler von der Universität Bremen.

Denn bislang war es so, dass Leistungen oft nicht in Anspruch genommen wurden, weil sie nicht auf die Bedürfnisse passten oder zu kompliziert zu beantragen waren. Das hatten unter anderem die Sozialverbände beanstandet.

Und tatsächlich: "Dass das Entlastungsbudget nun doch kommt, löst bei vielen Freude aus", sagt Kornelia Schmid t-online. Sie ist die Vorsitzende der Selbsthilfegruppe "Pflegende Angehörige e.V.", in welcher sich Betroffene zusammenschließen und austauschen. Seit Jahren hoffen sie auf das Entlastungsbudget.

Ein solches stand bereits 2018 im Koalitionsvertrag von Union und SPD – kam dann aber nicht. Deshalb gibt es bei Kornelia Schmid, neben der Freude, auch viel Ernüchterung und Wut: "Bei wem können wir uns bedanken dafür? Bedanken für etwas, was seit Jahren versprochen, aber dann an anderer Stelle wieder eingespart wird?", sagt Schmid. Um das Entlastungsbudget zu finanzieren, spart die Regierung an einer geplanten Dynamisierung der Pflegeleistungen ab 2025. Mehr dazu lesen Sie im nächsten Punkt.

Pflegegeld steigt

Zum 1. Januar 2024 steigt das sogenannte Pflegegeld um fünf Prozent. Je nach Grad der Pflegebedürftigkeit beträgt dieses im Moment zwischen rund 300 und 900 Euro pro Monat. Dieses Geld erhalten Betroffene von der Pflegeversicherung, wenn sie zu Hause von Angehörigen oder Ehrenamtlichen gepflegt werden. Das Geld wird von Pflegebedürftigen meist für direkt anfallende Kosten verwendet oder als Anerkennung an die Familienangehörigen weitergegeben.

Das Pflegegeld kann mit sogenannten Sachleistungen kombiniert werden – wenn beispielsweise zusätzlich ein ambulanter Pflegedienst engagiert wird, welcher bezahlt werden muss. Auch diese Sachleistungen steigen 2024 um fünf Prozent.

Ab 2025 sollen die Pflegeleistungen allerdings geringer ansteigen als geplant: um 4,5 statt um fünf Prozent. Damit will die Regierung die Ausgaben für das nun doch beschlossene Entlastungspaket kompensieren.

Was bringt das?

"Das ist viel zu wenig", sagt Pflegeexperte Rothgang. Dazu brauche man sich nur die allgemeinen Teuerungen anzuschauen. Das Ziel der Reform müsse eigentlich sein, den "realen Wert – das heißt, wie viele Stunden Pflege ich mir davon leisten kann – zu sichern", erklärt der Wissenschaftler. Das sei mit dieser Anhebung nicht der Fall.

So sieht das auch die Linksfraktion: Sie hatte unter anderem eine rückwirkende Erhöhung um 20 Prozent gefordert. Die Union hingegen warf der Koalition untaugliche Reparaturversuche am eigenen Entwurf und "Taschenspielertricks" vor. "Das zusätzliche Geld für das Entlastungsbudget wird den Pflegebedürftigen bei den Pflegeleistungen wieder entzogen", sagte Gesundheitsexperte Tino Sorge (CDU).

Höhere Versicherungsbeiträge

In der Pflegeversicherung klafft ein großes Loch von mehr als zwei Milliarden Euro. Deshalb werden mit dem Gesetz auch die Beiträge erhöht – also die monatlichen Sozialabgaben aller Versicherten. Bereits im Juli steigt der allgemeine Beitragssatz um 0,35 Prozentpunkte, von 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens auf 3,4 Prozent.

Kinderlose zahlen mehr, nämlich vier Prozent. Für Eltern wird der Beitrag ab dem zweiten Kind um je 0,25 Beitragssatzpunkte verringert.

Was bringt das?

Dass die Beiträge je nach Anzahl der Kinder nun unterschiedlich hoch sind, liegt an einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Dieses hatte beanstandet, dass die Beiträge in der Hinsicht differenzierter sein müssten. Hier lesen Sie mehr. "Das ist meines Erachtens der eigentliche Grund, warum wir das Gesetz jetzt haben", sagt Experte Rothgang.

Insgesamt besteht kein Zweifel daran, dass die Reform die langfristigen Finanzierungsprobleme in der Pflege nicht lösen wird. Die Beitragssatzerhöhung rette die Pflegeversicherung zwar "mit etwas Glück" über diese Legislaturperiode, so Rothgang – "aber nicht mehr". Selbst die Regierung gibt das zu: Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) betonte in der ARD: "Wir sind, was die langfristige Finanzierung angeht, an einem Wendepunkt. Das System kann man nicht dauerhaft so weiter ausbauen, wie wir es gemacht haben. Es muss anders werden."

Was also tun? Experte Rothgang hat einige Vorschläge. Die Regierung sollte die Beitragsbemessungsgrenze anheben, sagt Rothgang. Das würde für zusätzliche Mittel sorgen; gleichzeitig würden dadurch Einkommensstärkere mehr belastet. Auch ein Finanzausgleich zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung würde die Situation deutlich verbessern, so Rothgang.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • bundestag.de: "Drucksache 20/6983, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)"
  • Anfrage an den Sozialverband VdK
  • Anfrage an Pflegende Angehörige e.V.
  • Telefonisches Gespräch mit Heinz Rothgang
  • spd.de: "Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen SPD, Grünen und FDP"
  • archiv.cdu.de: "Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 2018"
  • background.tagesspiegel.de: "Echte Nachbesserung oder nur Trickserei?" (kostenpflichtig)
  • daserste.de: "Video: Lauterbach dementiert Berichte zur Schließung jeder zweiten Klinik"
  • vdk.de: "VdK-Präsidentin: 'Die Politik lässt vier Millionen Pflegebedürftige und ihre Familien im Stich'"
  • youtube.com: "Deutscher Bundestag: Gesundheitsexperten fordern Nachbesserungen an der Pflegereform"
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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