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Klage gegen Heizungsgesetz: AfD verkauft Entscheidung als eigenen Erfolg – zu Unrecht


Klage gegen das Heizungsgesetz
Die große Finte der AfD

  • Annika Leister
Von Annika Leister

06.07.2023Lesedauer: 5 Min.
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Alice Weidel und Tino Chrupalla: Die AfD-Politiker sind politisch erfolgreich.Vergrößern des Bildes
Alice Weidel und Tino Chrupalla: Die AfD-Politiker verkaufen eine Gerichtsentscheidung, die ein CDU-Politiker erkämpft hat, als Erfolg der eigenen Partei. (Quelle: IMAGO / RAINER UNKEL)

Mit einem Eilantrag gegen das Heizungsgesetz hat ein CDU-Politiker das Verfahren vorübergehend gestoppt. Die AfD schreibt sich in den sozialen Medien den Erfolg auf ihre Fahnen. Welche Strategie steckt dahinter?

"Ohrfeige", "Klatsche", "Peinlichkeit" – das sind die Wörter, die Kommentatoren nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetz, dem sogenannten Heizungsgesetz, am häufigsten verwenden.

Denn das Gericht hat in seiner Eilentscheidung zwar streng genommen noch nicht in der Sache entschieden. Doch die Klage der Opposition über zu wenig Zeit zur Beratung im Bundestag hielt das Gericht zumindest für "nicht offensichtlich unbegründet". Und formulierte seine Kritik durchaus grundsätzlich: "Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht zu beraten."

An den Verfahren im Bundestag könnte dieses Urteil in Zukunft einiges verändern. Für Oppositionspolitiker ein großer Erfolg. Erstritten hat ihn der CDU-Politiker Thomas Heilmann. Der Bundestagsabgeordnete, der einst Justizsenator in Berlin war, hat den Antrag auf ein Organstreitverfahren beim höchsten Gericht im Alleingang gestellt. Sein Ziel: Mindestens 14 Tage sollen die Abgeordneten Zeit zur Vorbereitung haben, bevor ein Gesetz im Bundestag in die zweite Lesung geht – nicht wie bisher oft nur wenige Stunden.

AfD verkauft Entscheidung als eigenen Erfolg

Anteil an der historischen Ohrfeige für die Regierung will aber auch die AfD haben: "Ein Eilverfahren, dem sich auch Abgeordnete der AfD als Kläger anschlossen, hatte Erfolg", twittert AfD-Chefin Alice Weidel kurz nach der Entscheidung am Mittwochabend. Dazu liefert sie eine Liste der Kläger: Als Antragsteller wird dort Heilmann geführt, darunter sind als "auf Seiten des Antragstellers beigetreten" null CDU-Politiker, dafür aber elf AfD-Abgeordnete vermerkt. Mit dabei: der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Norbert Kleinwächter sowie die Abgeordneten Thomas Seitz, Christina Baum, René Bochmann, Edgar Naujok und Leif-Erik Holm.

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Mehr als 7.000 Mal wird Weidels Tweet in wenigen Stunden gelikt, rund 2.000 Mal retweetet. In den sozialen Medien ist das Entsetzen groß: Absprachen zwischen CDU und AfD vermuten einige, ein deutliches Zeichen für eine sich anbahnende Kooperation zwischen den beiden Parteien. Den großen Dammbruch also, den der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz stets zu verhindern versprach. Und das ausgerechnet beim so umstrittenen Heizungsgesetz.

Diesen Dammbruch aber hat es nicht gegeben, wie Heilmann sowie beteiligte AfD-Abgeordnete t-online versichern. Stattdessen nutzt die AfD hier eine Möglichkeit, die der Rechtsstaat bei Organstreitverfahren eröffnet – und auf das sich die anderen Parteien nach dem Erfolg wohl auch in Zukunft häufiger einstellen können.

Heilmann hätte AfD-Zuspruch nicht verhindern können

Die AfD sei "Trittbrett gefahren", so fasst es Thomas Heilmann am Morgen in einer Pressekonferenz zusammen. Er bestätigt t-online: "Ich habe schon widersprochen, dass die AfD sich an meinen Antrag dranhängt." Rechtswirksam allerdings sei das leider nicht möglich – "sie versuchen jetzt aus meinem Antrag für ihre Sache Profit zu schlagen".

Ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts bestätigt im Gespräch mit t-online Heilmanns Darstellung: Der CDU-Politiker habe widersprochen – also versucht zu verhindern, dass die AfD sich seinem Antrag anschließt. Das Gericht aber habe entschieden, dass der Beitritt der AfDler zulässig ist.

Grundlage für das "Dranhängen" der AfD-Politiker an Heilmanns Klage ist der Paragraf 65, Absatz 1 im Bundesverfassungsgerichtsgesetz: "Dem Antragsteller und dem Antragsgegner können in jeder Lage des Verfahrens andere in § 63 genannte Antragsberechtigte beitreten, wenn die Entscheidung auch für die Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten von Bedeutung ist", heißt es dort.

"Sehr wache" Rechtsabteilung der AfD

Der AfD-Abgeordnete Norbert Kleinwächter bestätigt t-online: "Es gab keine vorherigen Absprachen mit Herrn Heilmann." Die AfD habe eine "sehr wache Rechtsabteilung", die ihre Abgeordneten über Heilmanns Klage und die Möglichkeit des Beitretens informiert habe.

Ihm sei das ein "großes persönliches Anliegen" gewesen. Die Bundesregierung habe gerade in den vergangenen Wochen an großen Gesetzesvorhaben sehr kurzfristige Änderungen vorgenommen – zum Beispiel auch am Fachkräfteeinwanderungsgesetz. "Für Abgeordnete ist es so fast unmöglich, informierte Debatten zu führen."

Ähnlich sieht es der AfD-Abgeordnete Malte Kaufmann. Die AfD lehne das Gebäudeenergiegesetz zwar grundlegend ab. "Aber darüber hinaus haben wir Mitwirkungsrechte, die durch das Eilverfahren massiv verletzt wurden." Er habe von Heilmanns Klage zuerst über die Medien erfahren und sei dann noch einmal von der Fraktion auf sie aufmerksam gemacht worden. Mit Heilmann habe es im Vorfeld keine Absprachen gegeben.

Unwirsch reagieren die AfD-Politiker auf Heilmanns Vorwurf des "Trittbrettfahrens" und "Profitschlagens". Sie räumen freimütig ein, dass ihre Unterschriften keinen Ausschlag gegeben haben (Kleinwächter: "Herr Heilmann hätte das nicht gebraucht"). Und dass Heilmann schnell reagiert und den Antrag alleine rechtlich sicher aufbereitet habe (Kaufmann: "Herr Heilmann hatte die Idee, es braucht auch Ressourcen, Rechtsanwälte, die das alles aufbereiten").

Sie verweisen aber auch auf ihre Rechte – und werfen die Frage auf, warum nicht einfach mehr CDU-Politiker denselben Schritt gegangen sind.

Heilmann vs. AfD

"Der Machtmissbrauch der Koalition trifft uns alle", sagt Kleinwächter. Von Heilmanns Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion habe keiner "überhaupt noch den Mut" gehabt, für die Rechte der Opposition einzutreten. Verwundert zeigt sich auch Kaufmann, dass die Fraktion "Herrn Heilmann ganz alleine gelassen" habe.

Heilmann fühlt sich offenbar nicht alleine gelassen. Im Pressegespräch am Donnerstagmorgen betont er: Seine Fraktion habe sich sehr kurzfristig in einem zehnseitigen Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht gerichtet und seinen Antrag so unterstützt. Auch aus den anderen Parteien, sogar aus den Ampelfraktionen, sei ihm "viel Sympathie" entgegengeschlagen.

Dem Antrag beigetreten aber sind am Ende nur AfD-Politiker. Und die Partei, die nicht an den menschengemachten Klimawandel glaubt, verkauft den Erfolg nun als Etappe hin zu ihrem größeren Ziel: Das Gebäudeenergiegesetz ganz stoppen.

"Wichtig zu wissen: CDU-Heilmann, Chef der 'Klima Union', will das Gesetz 'besser machen, nicht es verhindern'", twittert die AfD über ihren Hauptaccount. "Im Gegensatz zu uns: wir wollen das ideologische Heizungsgesetz stoppen und das dauerhaft."

Die AfD nutzt Heilmanns Antrag in ihren kurzen Statements so nun ausdrücklich entgegen dem Sinn des Antragstellers. Denn der CDU-Abgeordnete setzt sich seit Jahren für mehr Klimaschutz in den konservativen Parteien ein. Sein erklärtes Ziel ist tatsächlich, das Gesetz durch mehr Zeit für Beratungen besser zu machen und ihm rechtliche Sicherheit zu verschaffen.

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"Komisch", findet Heilmann die AfD-Offerte vor diesem Hintergrund schon alleine deshalb, "weil sie damit den Klimawandel als Problem, die Notwendigkeit von Heizungsumrüstungen bejahen". Sonst vertrete die AfD niemals klimafreundliche Positionen – mit seinem Antrag aber sollten ja genau diese gestärkt werden.

Der AfD ist das egal. Ihre Vorsitzenden Weidel und Chrupalla wettern auf Twitter auch am Donnerstag gegen das "Verarmungsgesetz", das nun komplett vom Tisch müsse. Sie setzen offenbar darauf, dass ihre knappen, kurzen Botschaften in den sozialen Medien durchdringen – und nicht Heilmann mit seiner eigentlichen Botschaft.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Gespräche
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