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Klimaexpertenrat kritisiert Ampel-Plan: "Anforderung nicht erfüllt"


"Anforderung nicht erfüllt"
Expertenrat wirft Regierung Versäumnisse vor

Von t-online, sje

Aktualisiert am 22.08.2023Lesedauer: 4 Min.
Finanzminister Lindner, Kanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck (von links) vor dem Pressestatement: Seit Monaten gibt es Krach in der Koalition.Vergrößern des BildesKanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP): Die Regierung verfehlt laut Rat notwendige Ziele. (Quelle: imago-images-bilder)
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Der unabhängige Expertenrat für Klimafragen übt Kritik an der Bundesregierung. Besonders in zwei Sektoren beklagt ein nun vorgelegter Prüfbericht Versäumnisse.

Die Bundesregierung plant ein neues Maßnahmenbündel zum Klimaschutz. Der Expertenrat für Klimafragen stellt nun jedoch fest: Auch dieses Klimaschutzprogramm genügt den gesetzlichen Vorhaben nicht. Das teilte das unabhängige Gremium am Dienstag in Berlin mit. Die Bundesregierung überschätze die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen, es verbleibe eine Lücke zu den gesetzlich festgeschriebenen Klimazielen. Zugleich fehle ein Gesamtkonzept, um diese Lücke zu schließen.

"Der Expertenrat stellt damit fest, dass laut den Zahlen der Bundesregierung die vorgelegten Maßnahmen zwar eine emissionsmindernde Wirkung haben, aber die Anforderung an ein Sofortprogramm gemäß Klimaschutzgesetz nicht erfüllen", heißt es in einem am Dienstag in Berlin vorgelegten Prüfbericht. Der Vorsitzende des Expertenrats, Hans-Martin Henning, sagte bei einer Vorstellung vor der Presse, die Regierung habe mit ihren 130 Maßnahmen zwar einen hohen Anspruch formuliert – aber keinen ausreichenden.

"Wir sehen Handlungsbedarf"

Zuletzt hatte auch Robert Habeck eingestanden, dass mit dem Klimaschutzprogramm die mittelfristige Lücke bei der Einsparung von Treibhausgasen nur zu 80 Prozent geschlossen werden kann. Bis 2030 müssten noch rund 200 Millionen Tonnen mehr CO2 eingespart werden, als mit den vorgeschlagenen Maßnahmen erreichbar.

Die fünf Wissenschaftler im Gremium kritisierten, es fehle ein zusammenhängendes, in sich schlüssiges Gesamtkonzept. "Wir sehen Handlungsbedarf für die Bundesregierung sowohl hinsichtlich der Verbesserung der Datengrundlage der Klimapolitik, bezüglich des Schließens der verbleibenden Ziellücke als auch bei der Entwicklung eines Gesamtkonzepts", so die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf.

"Erforderlich wäre eine Adressierung der Minderungspotenziale aller verfügbaren Handlungsfelder, beispielsweise auch der Abbau klimaschädlicher Subventionen, der bisher nur vage formuliert wird", erklärte sie weiter.

Vorschläge für Problemsektoren reichen nicht aus

Das Expertengremium betonte, besonders in den Sektoren Energie und Industrie könne es signifikante Treibhausgaseinsparungen geben. Probleme gebe es dagegen weiter im Gebäudebereich und vor allem im Verkehr. Die Maßnahmen in diesen zwei Bereichen prüften die Experten gesondert – beide hatten im vergangenen Jahr die Klimaziele gerissen, die Bundesregierung musste laut geltendem Klimaschutzgesetz Sofortprogramme zum Nachbessern vorlegen. Die zuständigen Ministerien verwiesen stattdessen auf das Gesamt-Klimaschutzprogramm.

"Die gesonderte Prüfung der Maßnahmen für Gebäude und Verkehr zeigt, dass die von der Bundesregierung ausgewiesenen Treibhausgasminderungen für die beiden Sektoren nicht ausreichen würden, um die sektoralen Zielverfehlungen auszugleichen", heißt es in dem Prüfbericht. Vorgeschlagene Maßnahmen umfassen zum Beispiel klimafreundliches Heizen, den Ausbau der E-Mobilität und der LKW-Maut oder das Deutschlandticket.

Ministerien uneins über Wirksamkeit von Maßnahmen

Trotz dieser Maßnahmen bleibe für den Gebäudesektor aber eine Lücke bis zum Jahr 2030 von 35 Millionen Tonnen CO2, für den Verkehrssektor sogar zwischen 117 und 191 Millionen Tonnen CO2. Die große Spannbreite ergebe sich hier aus unterschiedlichen Schätzungen der Ressorts für Verkehr sowie für Wirtschaft und Klimaschutz. Beispielsweise berechne das Ministerium von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) eine Emissionsminderung von 22 Millionen Tonnen durch das Deutschlandticket, erklärte Knopf. Das Gutachten aus dem Haus von Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hingegen gehe von nur vier Millionen Tonnen Ersparnis aus.

Ein weiteres Problem, das die Experten kritisieren: Die Berechnungen der Regierung zur Wirkung der geplanten Maßnahmen gehen von veralteten Entwürfen aus. So wurde das sogenannte Heizungsgesetz, das im Gebäudebereich eine große Rolle spielt, seit dem Berechnungszeitraum aus Klimaschutz-Perspektive abgeschwächt.

Die Bundesregierung hatte den Entwurf ihres Klimaschutzprogramms 2023 im Juni veröffentlicht und im Kabinett beraten. Der Entwurf soll unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Expertenrats überarbeitet und dann beschlossen werden.

Deutschland muss seine CO2-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich mit dem Jahr 1990 senken, aktuell sind es gut 40 Prozent. Dafür dürfen dann 2030 nur noch 440 Millionen Tonnen an klimaschädlichen Treibhausgasen ausgestoßen werden. 2022 wurden 746 Millionen Tonnen freigesetzt. Bis 2045 will die Bundesrepublik klimaneutral sein – also netto gar keine Treibhausgase mehr verursachen.

Auch Umweltbundesamt warnt

Neben dem Expertenrat warnt auch das Umweltbundesamt, dass das Erreichen der deutschen Klimaziele ohne Nachsteuern gefährdet sei. Nach jetzigem Stand ist demnach davon auszugehen, dass bis 2030 die Treibhausgasemissionen in der Summe um 194 bis 331 Millionen Tonnen höher liegen würde als vorgeschrieben, heißt es im Projektionsbericht 2023, der ebenfalls am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Untersucht wurden darin zwei Szenarien. Der Wert von 331 Millionen Tonnen würde sich dann ergeben, wenn nur Maßnahmen berücksichtigt wurden, die zum Beginn der Berechnungsphase bereits in Kraft waren. Das zweite, günstigere Szenario berücksichtigt auch Maßnahmen, die konkret geplant, aber noch nicht umgesetzt oder definitiv beschlossen sind.

Bundesregierung macht Fortschritte

Der Zielwerte des Klimaschutzgesetzes, bis 2030 die Emissionen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern, würde nach dem zweiten Szenario erreicht. Die Lücke bei der Emissionssumme ergibt sich also aus Zielverfehlungen in den Jahren zuvor. Im ersten Szenario, ohne die noch nicht fest beschlossenen Maßnahmen würde eine Minderung bis 2030 um 63 Prozent erreicht.

Allerdings habe die Bundesregierung Fortschritte beim Klimaschutz gemacht: In den vorherigen Prognosen des UBA von 2021 war noch von einer erwarteten Lücke bis 2030 von 1.100 Millionen Tonnen CO2 die Rede gewesen.

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Der Bericht macht zudem deutlich, dass Deutschland im günstigeren Szenario auch die Klimavorgaben der EU im Rahmen der Europäischen Lastenteilungsverordnung (ESR) im Zeitraum 2021 bis 2030 um 152 Millionen Tonnen verfehlen würde. Der Verordnung zufolge müsste Deutschland dies durch den Zukauf von Emissionsrechten aus anderen EU-Staaten ausgleichen, soweit dies möglich ist – ansonsten werden Strafzahlungen fällig.

Ebenfalls ohne zusätzliche Anstrengungen deutlich verfehlt würde die Verpflichtung, bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Auch im günstigeren Szenario würde laut Projektionsbericht bis dahin nur eine Minderung um 86 Prozent erreicht.

Klimaschutzminister Robert Habeck sagte am Dienstag, es bleibe für ein Erreichen der Klimaziele "noch viel zu tun". Daran zu arbeiten, sei nun Aufgabe der gesamten Regierung.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen Reuters, AFP, dpa
  • Pressekonferenz des Expertenrats
  • expertenrat-klima.de: "Klimaschutzprogramm: verringerte Ziellücke, aber fehlendes Gesamtkonzept"
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