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Gesetz in Thüringen mit Stimmen der AfD | CDU-Vize Prien nennt Vorwürfe "fast infam"


Umstrittene Abstimmung in Thüringen
"Das nennt man Doppelmoral"

Von t-online, cck, ts, aj, TiK

Aktualisiert am 15.09.2023Lesedauer: 6 Min.
imago images 95787492Vergrößern des BildesMIT-Chefin Connemann: "Rot-Grün sollte keine Maulkörbe verteilen." (Quelle: Christian Spicker/imago-images-bilder)
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Die CDU hat in Thüringen ein Gesetz mit Stimmen der FDP und AfD durchgebracht. Von SPD, Linken und Grünen kommt scharfe Kritik, aus der Union wird der Prozess verteidigt.

Die Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der CDU (MIT), Gitta Connemann, hat die umstrittene Abstimmung der CDU gemeinsam mit der AfD im Thüringer Landtag verteidigt. Dem Nachrichtenportal t-online sagte Connemann: "Wir können uns nicht aussuchen, wer unseren Gesetzesinitiativen zustimmt. Wenn es nach Rot-Grün geht, hätte die AFD es in der Hand, die Tagesordnung der Parlamente zu bestimmen. Rot-Grün sollte keine Maulkörbe verteilen, sondern sich um die Entlastung der Mittelschicht kümmern. Genau darum geht es bei dem Antrag der CDU-Fraktion." Die CDU-Politikerin sagte zudem: "Die Senkung der Grunderwerbsteuer erleichtert den Eigentumserwerb gerade für die Mittelschicht. Warum verweigern sich SPD, Grüne und Linke diesem Vorhaben, anstatt für eine breite Mehrheit der demokratischen Parteien zu sorgen. Nur am Rande: wo ist der Aufschrei der Ampel, wenn die AFD ihren Anträgen zustimmt? Das nennt man Doppelmoral."

Connemann ist damit eine der prominentesten Stimmen ihrer Partei, die den Thüringer CDU-Chef Mario Voigt in Schutz nehmen. Auch er warb erneut für Verständnis bei der Abstimmung. Im Landtag hatte die CDU eine Senkung der Grunderwerbssteuer mithilfe von Stimmen der AfD und FDP durchgesetzt. "Ich will deutlich sagen: Die Leute haben die Schnauze voll von diesen parteitaktischen Spielen", sagte Fraktionschef Voigt am Donnerstagabend in der ARD zu der Kritik von Linken, SPD und Grünen. Es sei um eine Entlastung der Menschen gegangen. Auch seine Parteikollegin und stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien sprang ihm zur Seite.

In Thüringen regiert eine Minderheitsregierung aus Linken, Grünen und SPD. Die oppositionelle CDU hatte am Donnerstag einen Antrag in den Landtag eingebracht, die Grunderwerbssteuer von 6,5 auf fünf Prozent zu senken. Mehr dazu lesen Sie hier. Nach Angaben von Voigt hatten die Regierungsparteien seit Dezember 2022 eine Debatte über die Steuersenkungen verweigert. Als der Antrag gestellt wurde, stimmten auch AfD und FDP dafür, weshalb der Landtag die Steuersenkung beschloss.

Ramelow spricht von "Pakt mit dem Teufel"

Voigt bekräftigte wie zuvor CDU-Chef Friedrich Merz, dass die Partei dennoch bei ihrem Grundsatz bleibe, keine Zusammenarbeit mit der AfD zu suchen. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warfen der CDU dagegen vor, die "Brandmauer" eines Kooperationsverbots mit der Partei durchbrochen zu haben.

Ramelow sprach von einem "Pakt mit dem Teufel". In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte er, das sei in seinem langen parlamentarischen Leben der schwärzeste Tag gewesen. Die CDU müsse sich fragen, ob es ihr auf Inhalte ankomme oder ob sie die Tür öffne, damit die AfD von einer bürgerlichen Mehrheit sprechen könne, ergänzte Ramelow. Das Ziel, Familien zu stärken, wäre laut ihm auch mit den Regierungsparteien erreichbar gewesen.

Prien: Vorwürfe "fast schon infam"

Voigt verwies in der ARD auf eine Aussage von Kanzler Olaf Scholz (SPD), der im August in der "Thüringer Allgemeinen" gesagt hatte: "Niemand sollte sich davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt." Wenn die AfD am Ende dafür ausschlaggebend sei, dass ein Antrag einer anderen Partei eine Mehrheit bekomme, dann sei das "doch keine Zusammenarbeit".

Unterstützung aus der CDU-Parteispitze kam auch von der stellvertretenden Vorsitzenden und Bildungsministerin aus Schleswig-Holstein, Karin Prien. Es sei "fast schon infam", der CDU zu unterstellen, eine Nähe zur AfD zeigen oder gar deren Normalisierung zu betreiben, sagte die schleswig-holsteinische Bildungsministerin am Freitag im Deutschlandfunk. Prien verwies auf den Unvereinbarkeitsbeschluss ihrer Partei. Darin heißt es: "Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab."

Prien betonte, es habe zu dem Antrag keinerlei Absprachen mit der AfD gegeben. Es wäre Aufgabe der Landesregierung gewesen, mit der CDU in konstruktive Gespräche zu gehen. "Die CDU muss ihr Ding machen", sagte die CDU-Vizechefin. "Das ist alles sehr unglücklich", beschrieb Prien den Verlauf des Gesetzesprojektes. Sie habe die klare Erwartung, dass die Minderheitsregierung in Erfurt nun auf die CDU zugehe.

Jubel bei der AfD

Politiker der AfD zeigten sich indes zufrieden. AfD-Landeschef Björn Höcke sagte in der "Tagesschau": "Das ist einfach ein guter Tag für Thüringen, das ist pragmatische Politik." Die nun durchgesetzte Steuersenkung sei ein "altes AfD-Projekt", einen ähnlichen Entwurf habe die AfD bereits 2018 ins Parlament gebracht.

AfD-Vorsitzende Alice Weidel jubelte auf X, vormals Twitter: "Merz' Brandmauer ist Geschichte – und Thüringen ist erst der Anfang." Ihr Co-Vorsitzende Tino Chrupalla äußerte sich gegenüber dem ARD-Hauptstadtbüro ähnlich. "CDU und AfD haben in Thüringen die Brandmauer eingerissen", sagte er laut dem ARD-Journalisten Martin Schmidt.

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SPD: "Sündenfall" für die Demokratie

Die SPD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt sieht einen "Sündenfall" für die Demokratie. Die CDU müsse diesen Kurs stoppen, damit Thüringen und Deutschland keinen Schaden nehmen, forderte die SPD-Fraktionschefin im Landtag von Sachsen-Anhalt, Katja Pähle, am Donnerstag.

"Es ist kaum zu fassen: Gestern erst lässt das Landgericht Halle die Anklage gegen den Thüringer AfD-Chef Höcke wegen der Verwendung von verbotenem Nazi-Vokabular zu, und heute bringt die CDU im Thüringer Landtag mit demselben Höcke und seiner Fraktion ein Gesetz durch."

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion attackiert die CDU scharf für ihr Verhalten. "Diese Abstimmung war ein ganz besonderer politischer Tabubruch", sagte Katja Mast dem "Spiegel". "Das ist ein schlimmer Abend. Wir reden von einer Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Höcke-AfD."

Es sei von Anfang an mit den Stimmen der AfD geplant worden, sagte Mast. Wer noch von einer Brandmauer spreche, lüge sich selbst in die Tasche. "Das, was wir hier erleben, ist ein historisches Versagen der CDU. Dafür tragen Friedrich Merz und sein CDU-Vorstand die Verantwortung."

Auch Kritik auf Bundesebene

Der Thüringer Linke-Fraktionschef Steffen Dittes sagte im Landtag: "Es geht hier nicht um ein zufällig zustande gekommenes Abstimmverhalten." Vielmehr sehe er den Weg der Opposition, eine "Gestaltungsmehrheit" mit der AfD zu bilden. Das sei der Versuch, "aus der Opposition heraus mit einer rechtsextremen Partei das Land zu gestalten oder zu regieren".

Auch von Bundesebene kam Kritik. Die Chefin der Grünen Ricarda Lang verurteilte das Vorgehen der CDU und forderte Parteichef Friedrich Merz zum Handeln auf. "Unsere Demokratie braucht eine stabile konservative Kraft, die klar steht, wenn es um die Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien geht. Doch die Union ist das im Moment nicht, wie wir heute in Thüringen sehen. Friedrich Merz muss für Klarheit sorgen."

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Der stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, schrieb: "Die CDU wird sich als Partei, aber auch jedes einzelne Mitglied, fragen müssen, wer oder was sie sein will, und ob man mit Leuten in einer Partei sein kann, die mit Faschisten wie Höcke gemeinsam Politik machen."

CDU und FDP verteidigen Vorgehen

Unterstützung bekam Mario Voigt aus der Bundespartei. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Jens Spahn, schrieb auf X: "Mario Voigt hat recht: Wir können als CDU richtige Positionen nicht aufgeben, nur weil auch die Falschen sie richtig finden."

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Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat eine Mitverantwortung seiner Partei in Thüringen zurückgewiesen. "Jetzt wollen wir Ursache und Wirkung nicht verwechseln", sagte der Bundesfinanzminister auf einer Live-Interview-Veranstaltung der "Augsburger Allgemeinen" am Donnerstagabend. Es sei ein Antrag der CDU-Landtagsfraktion gewesen. "Deshalb ist das jetzt die Verantwortung der CDU."

Es gibt aber auch Kritik aus der CDU: Der ehemalige Ministerpräsident des Saarlands, Tobias Hans (CDU), sagte auf X, es sei falsch, politische Mehrheiten mit der AfD durchzusetzen. "Es braucht doch viel mehr den Kompromiss unter den Demokraten, auch um zweifelsohne richtige Ziele zu erreichen."

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und CDU-Landeschef Daniel Günther mahnte eine konsequente Haltung seiner Partei gegenüber der AfD an. "Die Haltung der CDU Schleswig-Holstein ist klar: Ein wie auch immer geartetes Zusammenwirken mit der AfD ist ausgeschlossen", sagte Günther am Freitag. Das gelte auch für eigene Initiativen, die absehbar nur mithilfe dieser Partei Aussicht auf Erfolg haben. Die zunehmende Radikalisierung der AfD erfordere eine noch konsequentere Haltung gerade einer konservativen Partei, sagte Günther. Das Vorgehen in Thüringen widerspreche dieser Haltung.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • x.com: Beiträge von @Ricarda_Lang, @jensspahn, @Alice_Weidel
  • deutschlandfunk.de: "Debatte um Abstimmung hält an – Ministerpräsident Ramelow (Linke) kritisiert Verhalten der CDU-Fraktion"
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