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Landtagswahl in Hessen: Boris Rhein – Was ist seine Rolle?


Landtagswahl in Hessen
Erst Landesvater – und dann?

Von Sara Sievert

Aktualisiert am 25.09.2023Lesedauer: 6 Min.
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Boris Rhein: Er will Ministerpräsident bleiben.Vergrößern des Bildes
Boris Rhein: liegt in den Umfragen klar vor seinen Konkurrenten. (Quelle: onemorepicture / Thorsten Wagner/imago images)

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein will am 8. Oktober wiedergewählt werden. Im Bund ist der CDU-Politiker bislang kaum aufgefallen. Politische Schwäche oder strategische Weitsicht?

Als Boris Rhein und Hendrik Wüst am Mittwochnachmittag aus ihren Dienstlimousinen steigen, ist der Auftrag klar. Bis zur Landtagswahl in Hessen sind es noch knapp vier Wochen. Es ist ein klassischer Wahlkampftermin im Frankfurter Umland. Er soll die Parteibasis in Stimmung bringen. Der Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen ist extra angereist.

Gleich zwei Polit-Promis auf einmal, das zieht. Rund 200 Menschen tummeln sich um die beiden CDU-Männer. Auf den Tischen steht Rosé und Riesling, aus den Boxen dröhnt Musik. "Wir sind zusammen groß, wir sind zusammen eins". Die Gläser hoch, wohl dem der hat. Immerhin liegt die CDU mit 30 Prozent in den Umfragen klar vorne. Die Stimmung ist entsprechend unbesorgt.

Nur einer gibt den Spielverderber.

Rhein tritt ans Rednerpult und warnt vor zu früher Freude. Bis die Stimmen gezählt sind, sei nichts sicher. Der CDU-Spitzenkandidat ist in Sorge: "Gewinnen allein reicht nicht", sagt Rhein. "Wenn die Ampel eine Mehrheit hat, sind wir raus." Ein paar seiner Zuhörer rollen mit den Augen. Hier zweifelt keiner mehr am Wahlsieg oder daran, dass die CDU auch die kommende Regierung anführen wird. Rhein will dennoch nichts dem Zufall überlassen. Das hat er noch nie getan.

Boris wer? Jenseits von Hessen kennt keiner den Mann, der gute Chancen hat, die Landtagswahl zu gewinnen

Für die CDU ist Hessen eines der wichtigsten Bundesländer, eine Hochburg. Die Christdemokraten regieren hier seit Jahrzehnten. Kein Wunder also, dass frühere CDU-Ministerpräsidenten wie Roland Koch und Volker Bouffier zu den Mächtigen ihrer Partei gehörten.

Und jetzt? Ist da Boris Rhein.
Boris wer?

Der CDU-Politiker beerbte seinen Vorgänger Bouffier im Mai 2022. Seitdem wirkt Rhein jenseits der hessischen Landesgrenze eher blass. Medial findet er kaum statt, äußert sich selten zu bundespolitischen Themen. Er hat längst nicht die Flughöhe anderer Ministerpräsidenten, wie Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen oder Daniel Günther in Schleswig-Holstein. Fragt man in der CDU nach, wird Rhein zwar als sehr umgänglich, nicht aber als einflussreich beschrieben. Wer ihn nicht kennt, könnte denken, dass er bei der Amtsübernahme einfach großes Glück hatte.

Das ist aber nicht so.

Wie Rhein zum Erben einer der mächtigsten CDU-Männer wurde

Eigentlich war die Nachfolge von Volker Bouffier in Hessen längst geklärt. Der ehemalige Finanzminister Thomas Schäfer galt als designierter Ministerpräsident. 2020 verstarb der CDU-Politiker. Die Debatte war damit zwangläufig neu eröffnet. Bald brachte sich der ehemalige Bundeskanzleramtschef Helge Braun ins Spiel. Auch der hessische Innenminister Peter Beuth und die Fraktionsvorsitzende Ines Claus wurden gehandelt. Claus soll am Ende sogar die Favoritin für Bouffier gewesen sein.

Über Rhein? Sprach erst mal keiner.

So wurde sich zunächst an den anderen Kandidaten abgearbeitet. Alle wurden auf den Prüfstand gestellt. Dabei kam raus: Für Klaus war es zu früh, ihr fehlte die Erfahrung und der Rückhalt aus der Fraktion. Für Beuth war es zu spät, zumal auch ihm die Lobby in den eigenen Reihen fehlte. Nachdem kritische Fragen zur Arbeit der Sicherheitsbehörden im Fall des Attentats von Hanau aufgekommen waren, ging nicht nur die Opposition auf Distanz zu dem Innenminister. Und Braun hatte von Anfang an keiner so wirklich in Betracht gezogen.

Unterdessen zog Rhein die Strippen im Hintergrund. Die anderen verschossen ihr Pulver, er mobilisierte seine Unterstützer. Im für ihn richtigen Moment brachte er sich schließlich ins Spiel. Das Ende ist bekannt. Mit Glück hat es wenig zu tun.

Oder wie Rhein sagt: "Manchmal ist es besser die Dinge abzuwarten."

Nach einer Niederlage überlässt Rhein nichts mehr dem Zufall

Rhein kennt Hessen lange und gut. 1999 zog er zum ersten Mal in den Landtag ein – 2009 wurde er Staatssekretär im Innenministerium, 2010 Innenminister. Dann Wissenschaftsminister, schließlich Landtagspräsident. Der CDU-Politiker war einfacher Abgeordneter, hat regiert – und ist gescheitert. Als er 2012 für das Amt des Oberbürgermeisters in Frankfurt am Main kandidierte, verlor er in der Stichwahl gegen den SPD-Kandidaten Peter Feldmann.

"Ich glaube, es ist gar nicht schlecht, auch mal politisch gescheitert zu sein. Aus Fehlern lernt man", sagt Rhein. Übersetzt könnte das heißen: Wer schon mal verloren hat, überlässt nichts mehr dem Zufall.

Vor einer Woche, Besuch eines Projekts aus seiner Zeit als Wissenschaftsminister. Die Universität Geisenheim ist (zumindest in Hessen) bekannt für ihre Forschung und Lehre bei den Sonderkulturen im Wein- und Gartenbau. Rhein schlendert auf den Vorhof des Geländes. In seinem Gesicht ein breites Grinsen. "Ja hallo, schön Sie zu sehen. Wie geht es denn?" Die Begrüßung ist herzlich. Der hessische Ministerpräsident beginnt zu referieren, spult Fakten ab, lobt ohne Punkt und Komma. Wüst, der an diesem Vormittag zu Gast ist, hört zu. Er käme vermutlich sowieso nicht dazwischen. Rhein nimmt die Situation ganz ein. Von blass kann keine Rede sein.

Seit seiner Amtsübernahme tourt der Ministerpräsident in Hessen durchs Land. Rhein besucht die Alphornmesse in Willingen, diskutiert in Bad König über den ländlichen Raum und verleiht die Pflegemedaille in Wiesbaden. Das Ziel: Hier will sich einer beweisen – und als Landesvater etablieren. Immerhin ist Rhein kein gewählter Ministerpräsident. Er hat von Bouffier übernommen. Das Modell gibt es oft in der Politik. Die Idee dahinter: Ein Nachfolger kann trotz Erstkandidatur mit Amtsbonus antreten.

Der CDU-Politiker Hendrik Wüst ist ein Paradebeispiel dafür. Wüst übernahm das Ministerpräsidentenamt von seinem Vorgänger Armin Laschet während der laufenden Legislatur. Bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl 2022 trat er zum ersten Mal an, ohne neu im Amt zu sein – und gewann die Wahl mit 36,6 Prozent.

Auch für Rhein funktioniert das bislang. Die CDU liegt in den Umfragen bei 31 Prozent. Würde der Ministerpräsident direkt gewählt, käme Amtsinhaber Rhein derzeit auf 33 Prozent, hat den mit Abstand größten Zuspruch. Mit diesen Zustimmungswerten könnte er das Ergebnis im Vergleich zur vergangenen Landtagswahl sogar verbessern. Bouffier hatte 2018 nur noch 27 Prozent für die CDU geholt.

Das oberste Gebot für Rhein und seine CDU lautet jetzt: bloß keine Fehler machen.

Rhein versucht, möglichst lautlos zu regieren – und Wahlkampf zu machen. Größere Konfliktthemen werden in der hessischen Regierung seit Monaten ausgespart. Unstimmigkeiten mit Mühen hinter verschlossenen Türen geklärt. Der Opposition, allen voran der SPD, soll wenig Angriffsfläche geboten werden.

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Der CDU-Politiker weiß, wie schnell die Umfragen sich drehen können. Und er weiß auch, dass einem Ministerpräsidenten nichts Schlimmeres passieren kann, als dass die eigenen Bürgerinnen und Bürger glauben, er konzentriere sich nicht auf seine Aufgaben. Das sieht auch Hendrik Wüst so: "Boris Rhein macht es genau richtig. Er ist voll und ganz auf den Wahlkampf in Hessen fokussiert. Das Wohl des Bundeslandes hat für ihn oberste Priorität", so Wüst.

Was sonst passiert, zeigt der Fall Tobias Hans. Der ehemalige Ministerpräsident aus dem Saarland beerbte 2018 seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer, als die für den Job der Generalsekretärin nach Berlin ging. Problem: Von Fleiß und Demut waren bei Hans nach Amtsübernahme keine Spur. Der CDU-Politiker beteiligte sich rege an bundespolitischen Debatten, tingelte von Talkshow zu Talkshow. Damit war der Fokus klar - und er lag nicht im Saarland. Bei der Landtagswahl 2022 im Saarland wurde Hans nicht wiedergewählt. Rhein dürfte beide Fälle, sowohl Wüst als auch Hans, genau beobachtet haben.

Zuerst muss die Machtbasis im eigenen Bundesland sichergestellt werden. Erst dann hat ein Ministerpräsident oder eine Ministerpräsidentin auch bundespolitisch echtes Gewicht.

Zumal Rheins Zurückhaltung nicht bedeutet, dass er im Hintergrund nicht längst die Fäden spinnt. Der Hesse pflegt gute Drähte nach NRW und Bayern, telefoniert regelmäßig mit anderen Ministerpräsidenten der Union. Jene, die ihn gut kennen, glauben, dass hinter Rheins bisheriger Zurückhaltung viel Taktik steckt. Einige seiner Parteikollegen vermuten, Rhein halte sich jetzt noch zurück, bis er die Wahl gewinnt. Danach rechnen man sehr wohl damit, dass Rhein in der CDU eine neue Rolle einnehmen könnte. Vielleicht poche er sogar auf einen stellvertretenden Bundesvorsitz, heißt es.

Auch der NRW-Ministerpräsident lässt keinen Zweifel an Rheins Potenzial: "Ich halte Boris Rhein für einen sehr klugen und weitsichtigen Politiker. Er füllt eindeutig die großen Fußstapfen seines Vorgängers Volker Bouffier."

Am Ende wird sich zeigen, welches Format Rhein tatsächlich hat. Ob er nach einer gewonnenen Wahl zu einem der nächsten mächtigen Männer aus Hessen wird – oder nicht. Mit Blick auf die kommende Bundestagswahl dürfte das besonders spannend werden. In der Vergangenheit hat sich schließlich schon einmal gezeigt, wie wichtig in der Union die Landesfürsten für die Wahl des Kanzlerkandidaten sind.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Staatskanzlei Hessen Offizielle Website: Lebenslauf und Termine
  • hessenschau.de: hessentrend
  • wahlrecht.de: Umfragen Hessen
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