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Olaf Scholz in Israel: Darum ging es bei dem Besuch


Scholz auf Israel-Mission
Den Fehler macht er nicht zweimal

Von Sara Sievert

Aktualisiert am 18.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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Solidaritätsbesuch: Kanzler Olaf Scholz versichert Israels Premierminister Benjamin Netanjahu am Dienstag die Unterstützung Deutschlands. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)

Als einer der ersten Regierungschefs seit dem Angriff der Hamas ist Olaf Scholz an diesem Dienstag nach Israel gereist. Es ging um weit mehr als eine Solidaritätsbekundung.

Benjamin Netanjahu trägt ein schwarzes Hemd und verzieht keine Miene, als er am Dienstagnachmittag vor die Presse tritt. Gleich mit seinen ersten Worten erinnert er an den Holocaust: Die Verbrechen der Hamas seien mit den Verbrechen von damals vergleichbar.

"Die Hamas sind die neuen Nazis", sagt Netanjahu.

Der deutsche Bundeskanzler steht neben ihm, als er das sagt. Olaf Scholz presst die Lippen zusammen, er wirkt angefasst. Netanjahu spricht weiter: "Genau so, wie die Welt sich gegen die Nazis verbündet hat, muss sie sich jetzt gegen die Hamas verbünden."

Die Botschaft des israelischen Premierministers ist klar: Er wird tun, was er für nötig hält, um sein Land zu verteidigen. Und Deutschland? Hat aus seiner Sicht die Pflicht, solidarisch an der Seite Israels zu stehen.

Scholz bejaht das, verurteilt den Angriff der Hamas "aufs Schärfste" und versichert, dass Deutschland sich seiner Verantwortung bewusst sei. Aber: Er erinnert auch an die Situation im Gazastreifen, an die unschuldigen Zivilisten dort. Es gehe jetzt darum, den Menschen vor Ort schnellstmöglich humanitäre Hilfe zukommen zu lassen.

Netanjahu erwidert darauf nur: Was auch immer im Gazastreifen passiere, sei die Schuld der Hamas.
Damit ist für ihn alles gesagt.

Als einer der ersten Regierungschefs ist der Bundeskanzler an diesem Dienstag nach Israel gereist – noch vor dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden, der am Mittwoch landen wird. Der Besuch soll ein klares Zeichen der Solidarität aussenden. Scholz will zeigen, wie ernst es ihm ist mit der deutschen Verantwortung gegenüber Israel.

Doch zugleich stellt sich die Frage, wie weit seine Solidarität im Ernstfall gehen wird. Ist sie auch dann noch bedingungslos, wenn Tausende Zivilisten im Gazastreifen zwischen die Fronten geraten? Und was, außer Worten, hat der Kanzler zu bieten, sollte sich der Krieg zwischen der Hamas und Israel ausweiten?

Scholz will mehr als nur Solidarität mit Israel demonstrieren, das macht er bei seinem Besuch klar. Er will auch ausloten, inwieweit die hochexplosive Lage deeskaliert werden kann. Es ist ein Drahtseilakt, der von vielen Akteuren abhängt.

Dieses Mal hat Scholz nicht gezögert

Symbolkraft strahlt der Besuch in jedem Fall aus. Scholz hat nicht gezögert. Nach einem Telefonat mit Netanjahu in der vergangenen Woche ist er nun wenige Tage später vor Ort. Weil es einen Unterschied macht, ob man im Deutschen Bundestag oder am Telefon Solidarität bekundet oder tatsächlich anreist und mit Politikern und Betroffenen spricht. So trifft Scholz am Dienstagabend in Tel Aviv auch Familienangehörige deutscher Entführungsopfer. Ein Zeichen der Anteilnahme, wenngleich die Situation verfahren ist.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es mit der bedingungslosen Solidarität gar nicht so einfach ist. Und dass die Möglichkeiten des Kanzlers begrenzt sind.

Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sind aus gutem Grund deutsche Staatsräson. Als Hamas-Terroristen am 7. Oktober mehrere Kibbuze und ein Musikfestival angriffen und mehr als 1.300 Menschen ermordeten, stand die Solidarität mit Israel für alle demokratischen Parteien in Deutschland außer Frage. In der Verurteilung der zahlreichen antiisraelischen Demonstrationen, die derzeit in Berlin-Neukölln oder auf den Straßen von Duisburg stattfinden, ist sich die deutsche Politik ebenfalls weitgehend einig. Scholz unterstreicht am Dienstag in Tel Aviv noch einmal: "Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz."

Klar ist aber auch: In diesen Tagen geraten Tausende Zivilisten auf palästinensischer Seite zwischen die Fronten. Darf, ja muss Scholz die israelische Regierung nicht auch an die Einhaltung des Völkerrechts erinnern? Es ist eine sensible Frage angesichts des besonderen deutsch-israelischen Verhältnisses.

Die USA sind am Ende der entscheidendere Partner

Am Mittwoch will Scholz in Ägypten mit dem Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi über eine Öffnung der Grenze zum Gazastreifen sprechen, um die Lieferung von Hilfsgütern zu ermöglichen. Dabei liegt die Entscheidung auch bei Netanjahu. Er müsste einer Feuerpause zustimmen, damit entsprechende Hilfsmittel vor Ort verteilt werden könnten.

Ob Netanjahu dazu bereit ist, ist bislang unklar. Scholz' Einfluss auf ihn dürfte jedenfalls kaum vergleichbar sein mit dem des amerikanischen Präsidenten. Die USA sind für Israel der entscheidendere Partner. Vor allem, wenn es darum geht, eine mögliche Ausweitung des Konflikts zu verhindern. Der Iran droht für den Fall einer israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen damit, sich einzumischen. Die USA haben deshalb ihre Militärpräsenz in der Region massiv verstärkt, einen zweiten Flugzeugträger und weitere Kampftruppen dorthin verlegt.

Scholz versucht, mit Worten zu überzeugen, am Dienstag warnt er: "Kein Akteur sollte es für eine gute Idee halten, von außen in diesen Konflikt einzugreifen." Das wäre ein schwerer Fehler, so der Kanzler.

Immerhin: Mit ihren Besuchen in Israel verschaffen sowohl Scholz als auch Biden den Menschen im Gazastreifen ein paar Tage Zeit. Zeit, die dringend notwendig ist, um mehr als eine Million Palästinenser vom Norden in den Süden zu evakuieren. Dass Netanjahu die Bodenoffensive startet, während einer der beiden vor Ort ist, ist unwahrscheinlich.

Wie es danach weitergeht, ist jedoch auch am Dienstagabend unklar.

Eins hat Scholz mit diesem Besuch jedoch bewiesen: Er ist lernfähig. Schon einmal hatte er eine ähnlich dramatische Situation in seiner Amtszeit erlebt, als im Februar 2022 Russland die Ukraine angriff. Damals hatte der Kanzler lange gezögert, sich monatelang Zeit gelassen mit einem Solidaritätsbesuch in Kiew. Oppositionsführer Friedrich Merz war vor ihm in die Ukraine gereist.

Dieses Mal geht Scholz voran. Er will offenbar Führung zeigen. Auch wenn die Situation vor Ort gefährlich ist. Während seines Besuchs gibt es mehrfach Raketenalarm. Der Kanzler muss immer wieder in einen Schutzraum gebracht werden. Auch das wird wahrgenommen. In Israel – und Deutschland.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes war davon die Rede, dass Olaf Scholz vor Friedrich Merz in die Ukraine gereist ist. Diese Aussage haben wir korrigiert.

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