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Grüne und AfD: Was die Parteien gemeinsam haben


Grüne und AfD
Spinnefeind – und doch vereint

MeinungVon Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 24.10.2023Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Politisch ziemlich beste Feinde: Tino Chrupalla, AfD, neben Katrin Göring-Eckardt, Grüne. (Quelle: IMAGO/Klaus W. Schmidt/imago)

Grüne und AfD könnten sich politisch nicht fremder sein. Und doch verbindet sie etwas, was es ihren politischen Konkurrenten schwer macht, ihnen beizukommen.

USP, gesprochen Ju-Es-Pi. Ich mag diese Abkürzung nicht besonders, weil Marketing-Wichtigtuer dieses Ju-Es-Pi gerne und andauernd mit bedeutender Miene im Munde führen. USP – Unique Selling Point, das heißt bei einem Produkt, dass es auf seinem Markt, in seinem Segment eine herausragende Eigenschaft besitzt, die sonst kein Wettbewerber anzubieten hat. Die anderen können sich strecken, wie sie wollen. Sie reichen an das Ding mit USP nicht ran. So ein USP ist pures Gold.

Bei politischen Parteien verhält sich das nicht anders als bei Schuhcreme oder Grillanzündern. Diejenige Partei, die es geschafft hat, wie keine andere für ein wichtiges Thema zu stehen, die kann sich eines festen Sockels ihrer Wählerschaft bei aller Auflösung von engen Parteibindungen recht sicher sein. Entscheidend dabei ist der Zeitpunkt. Wer ein eminent wichtiges Thema früh erkennt, seine Dimension besser erfasst als die Konkurrenz, wird für diesen Erkenntnisvorsprung auf Jahrzehnte belohnt.

Andere hielten Umweltschutz zu lange für eine Nebensache

So war das bei den Grünen. Als andere Parteien Umweltschutz und den Zustand unseres Planeten noch für eine nette Nebensache hielten, haben die Grünen die Zeichen der Zeit erkannt. Aus einer Bürgerbewegung, deren Ursprünge zurückreichen zum kunterbunten Protest gegen ein Atomkraftwerk im südbadischen Wyhl, erwuchs eine politische Kraft, die spätestens seit den Achtzigerjahren nicht mehr wegzudenken ist aus dem hiesigen Parteienspektrum.

Kluge Sozialdemokraten haben später erkannt, dass ihr Bundeskanzler Helmut Schmidt leider so gar keine Antennen für diese Entwicklung hatte und sich neben der SPD am linken Ende der politischen Skala eine Partei etablierte, die der SPD Stimmen wegnahm und inzwischen zu Recht mit Kanzlerkandidaten der SPD und der Union um die Macht konkurriert.

Verlorenes Terrain ist für immer weg

Verlorenes Terrain ist da nur sehr schwer zurückzugewinnen. Der CDU-Umweltminister Klaus Töpfer konnte noch so publicityträchtig im Neoprenanzug in den Rhein springen, die SPD mit Leuten wie Hermann Scheer und Michael Müller das Thema leidenschaftlich beackern. Angela Merkel den Atomausstieg noch rasanter durchziehen, als es der grüne Umweltminister Jürgen Trittin geplant hatte. Doch weder Union noch SPD haben es vermocht, den Grünen die Sonnenblume wieder zu entreißen.

Es ist nicht ohne Ironie, dass sich das grüne Muster auch bei der AfD erweist oder erweisen wird. Die beiden Parteien könnten nicht gegensätzlicher sein. Mehr noch: Sie sind sich spinnefeind. Dennoch verbindet sie etwas. Beide haben ihren USP.

Das sollten alle etablierten Parteien im Kopf haben, wenn sie jetzt gemeinsam eine striktere Migrationspolitik entwickeln und umsetzen. Selbst wenn sie damit Erfolg haben, was dringend nötig wäre, denn hier ist über acht Jahre etwas gewaltig aus dem Ruder gelaufen, selbst dann wird das die AfD nicht sofort politisch austrocknen. Ja, sie ist ein Resultat der Merkelschen Migrationspolitik, aber nun ist sie eben da, samt ihres USP. Die anderen Parteien hatten ihn ihr fast zehn Jahre lang überlassen, weil sie das Thema entweder verklärt betrachteten oder insgeheim hofften, der Spuk ginge auch so wieder vorüber.

Damit soll nicht gesagt sein, dass die etablierten Parteien in ihrem Reden und Handeln einen Bogen um die Lösung der Migrationskrise machen sollten. Im Gegenteil. Der Satz, man solle das Thema nicht anrühren, das mache nur die AfD stark, war seit jeher Unsinn und bei vielen, die ihn aussprachen, vor allem ein politisches Kampfinstrument. Ein hohles Totschlagargument. Die etablierten Parteien müssen sich vielmehr stärker denn je um dieses Thema kümmern, wenn sie ein Mindestmaß an Grundvertrauen in der Bevölkerung und der Wählerschaft zurückgewinnen wollen. 80 Prozent der Deutschen bringen dieses Vertrauen an der Stelle im Augenblick nicht auf.

Bitte nicht wundern

Es soll sich hinterher nur niemand wundern, wenn bei sinkenden Migrationszahlen die AfD nicht in gleichem Maße in Umfragen und bei Wahlen absackt. Da kann der Kanzler jetzt noch so markig tönen: Bei vielen Wählerinnen und Wählern hat sich das Gefühl eingenistet, dass es den Druck dieser Partei weiter braucht, damit die Regierenden sich vor dieser Aufgabe nicht wegducken. Wie seinerzeit bei Helmut Schmidt und den Grünen besteht der Fehler darin, dass ein großes und für viele in der Bevölkerung ebenso bedrohliches Thema wie Umwelt und Klima fast zehn Jahre lang ungenügend, ja fahrlässig behandelt wurde.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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