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Bundesverfassungsgericht-Urteil: Klatsche aus Karlsruhe – hat sich ausgescholzt


Die Ampel im Chaos
Es hat sich ausgescholzt

MeinungVon Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 16.11.2023Lesedauer: 3 Min.
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Weiß alles, vorher wie nachher: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Kabinett. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)

Bundeskanzler Olaf Scholz hat es bisher geschafft, die Fliehkräfte der Ampel wegzulavieren. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist damit Schluss.

Es gibt dieses berühmte Bild von den drei Affen, die nichts hören, nichts sehen und nichts sagen. Beim amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz ist es genau andersrum. Er sieht alles, auch voraus, er weiß alles, wusste auch immer alles schon vorher, und hat auch immer alles im Blick, was kommt. Das sagt er so, und das verströmt er mit jeder Pore. Und das übrigens nicht erst, seit er Bundeskanzler ist.

Manchmal knallt dann aber doch die schnöde Wirklichkeit in die Welt des Kanzler Allwissend. Das war gelegentlich schon so, als er noch nicht zum Chef der ersten deutschen Ampelkoalition auf Bundesebene gewählt war. Friedlich wie ein Hafengeburtstag würde das G20-Treffen in Hamburg werden, versicherte er als Erster Bürgermeister der Hansestadt – die hinterher vor den Augen der Weltöffentlichkeit in Randalen und Gewaltexzessen versank.

Auch jetzt tut Scholz wieder so, als hätte er als Bundeskanzler alles im Griff und es sei das Normalste der Welt, dass das oberste Gericht für die Ordnungsmäßigkeit der politischen Abläufe ihm einen blauen Brief geschrieben hat: Was ihr da in der Bundesregierung in haushaltspolitischer Hinsicht betreibt, ist eine nie dagewesene Schweinerei und von vorne bis hinten "nichtig". Einfach neue Etiketten auf ohnehin gewagte Schattenhaushalte kleben, das geht nicht, so das knallharte Urteil der Polit-Notare aus Karlsruhe.

Methode Mutti: lasst mich nur machen

Damit ist klar: Die Methode Scholz ist an ihr Ende gekommen. Es hat sich ausgescholzt.

Die Methode bestand neben der zur Schau getragenen Allwissenheit darin, allen drei widerstrebenden Kräften in seiner dysfunktionalen Ampel alles Mögliche zu versprechen. Und den Bürgerinnen und Bürgern auch. Nach dem Verkünden der Zeitenwende mit abermilliardenschweren Lasten, die mit ihr einhergehen, verkündete Scholz den Bürgerinnen und Bürgern, dass sich für sie trotzdem gar nichts ändere. Lasst mich nur machen, war die Botschaft, eine Weiterentwicklung des Merkelschen Muttisatzes: Sie kennen mich.

Verlegt hat er sich auf diese Methode, weil an dieser Koalition die Fliehkräfte zerren. Seine eigene Partei, die SPD, möchte weiter soziale Segnungen unters Volk bringen, was sein Arbeitsminister Hubertus Heil mit einem satt aufgestockten Bürgergeld auch tut, als sei nichts gewesen. Die Grünen wollen in erster Linie ihre sündhaft teuren Herzenswünsche der Energiewende durchknüppeln. Und die FDP ist die einzig verbliebene Kraft im Kabinett, die dabei versucht, aufs Geld und die Machbarkeit und den Erhalt des Leistungsanreizes zu schauen.

Bislang rettete sich Scholz über die Runden

Diese drei Ziele sind unvereinbar und nicht gleichzeitig finanzierbar und realisierbar, zumal unter dem Druck einer aus den Fugen geratenen Weltlage. In der Ampel ist zusammengekommen, was nicht zusammengehört und auch nicht zusammenwächst. Sondern immer mehr auseinanderdriftet.

Bisher hat sich Scholz über die Runden gerettet. Hier mal ein Machtwort, dort mal ein Brief an Christian Lindner und Robert Habeck mit einer Dienstanweisung aus dem Kanzleramt. Ansonsten so tun, als sei alles in bester Ordnung.

Das hat sich jetzt geändert. Die beiden Oppositionen – die FDP innerhalb der Koalition und die Union außerhalb der Ampel – haben Scholz jetzt gestellt. Um aus der Klemme eines 60-Milliarden-Finanzloches herauszukommen, müsste die Regierung die Schuldenbremse lösen, wobei weder die FDP noch die Union (deren Stimmen es dafür bräuchte) mitmachen. Oder er müsste die Steuern massiv erhöhen, was ihm die ohnehin inflationsgeplagten Wählerinnen und Wähler übelnähmen.

Von FDP und Union in die Enge getrieben

Dritte Lösung: Er muss sich von milliardenteuren Herzensprojekten seiner drei Kräfte verabschieden oder jedenfalls deutliche Abstriche machen: Bürgergeld, Kindergrundsicherung, die teure Abfederung der Kosten der Heizwende.

Wie Deutschland seinen Bundeskanzler in den vergangenen zwei Jahren kennengelernt hat, wird er trotzdem versuchen, sich weiter durchzulavieren. Das wird zusätzlichen Abrieb in den Umfragen hervorrufen. Und nach zwei Handkantenschlägen der politischen Sittenwächter aus Karlsruhe (einer zum Heizungsgesetz im Sommer, nun der zum 60-Milliarden-Schattenhaushalt) in nur zwei Amtsjahren könnte bald ein dritter Großrüffel des Bundesverfassungsgerichts drohen:

Die nächste Schlappe droht

Denn dort liegt noch die Wahlrechtsreform der Ampel, bei der aus interessierter Laiensicht tatsächlich fraglich ist, ob die Verfassungshüter das Herzstück dieser Reform durchgehen lassen können: dass ein errungenes Direktmandat nicht unbedingt den Einzug in den Bundestag sichert.

Drei Rüffel aus Karlsruhe in weniger als drei Jahren. Das wäre ein unrühmlicher und einzigartiger Rekord an politischem Pfusch, den nicht nur die Damen und Herren in ihren roten Roben amtlich feststellen. Sondern auch die Bürgerinnen und Bürger, die sich in ihrer Mehrheit schon abgewendet haben.

Mag daher sein, dass die Ampel von nun an noch zwei Jahre vor sich hinflackert. Aber alle Teilnehmer am politischen Straßenverkehr haben inzwischen erkannt: Eine Ordnungsfunktion, die eine Ampel im Straßenverkehr eigentlich hat, ist von dieser Lichtorgel nicht mehr zu erwarten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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