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SPD-Parteitag macht Pause von der Krise: "Wir haben das gebraucht"


Besinnlichkeit bei der SPD
"Wir haben das gebraucht"

  • Daniel Mützel
MeinungVon Daniel Mützel

10.12.2023Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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SPD-Urgestein Müntefering gratuliert SPD-Überkanzler Olaf Scholz: Ein Parteitag als Paralleluniversum. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Auf dem SPD-Parteitag herrschte trotz Krise demonstrative Einigkeit. Eine Selbst- oder Fremdtäuschung? Falsche Frage. Die Kanzlerpartei ist Ihnen mindestens zwei Schritte voraus.

„Lasst uns froh und munter sein /
Und uns recht von Herzen freun /
Lustig, lustig, traleralera /
Bald ist Nik’lausabend da“

Welch' ein Parteitag!

Es hätte nicht viel gefehlt, und einige Genossen hätten den Weihnachtsklassiker aus dem 19. Jahrhundert angestimmt, der ungefähr so alt ist wie die SPD selbst. Leider war Nikolaustag schon, und so musste man sich anderweitig helfen.

"Lasst uns froh und munter sein" – es wäre das perfekte Motto des SPD-Bundesparteitags gewesen, der an diesem Wochenende im Berliner CityCube veranstaltet, besser gesagt: zelebriert wurde. Denn die Stimmung bei manchen Delegierten war so exzellent, dass man sich bisweilen fragte, ob hier nicht heimlich der Glühwein unter den Tischen herumgereicht wurde.

Ampel-Streit, Haushaltssperre, Karlsruher Klatsche, drohender Regierungskollaps, vorläufige Haushaltsführung ab 2024 – bei den Parteitagsfestivitäten am Wochenende spielte das, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Aber man kann und darf das auch mal für drei Tage ausblenden, um sich ein schönes Parteiprogramm für die Zukunft zu zimmern. Oder?

Ein Parteitag als Paralleluniversum. Andererseits, muss das was Schlechtes sein? Hat die SPD nicht wirklich genug ertragen müssen in letzter Zeit?

Eine gelungene Inszenierung

Man darf auch (oder gerade?) als Journalist mal konstruktiv sein. Bitte sehr: Der Parteitag war eine so gelungene Inszenierung, dass es tatsächlich die – berechnete – Signalwirkung hat geben können. Denn was murrende Ortsvorstände, zweifelnde Genossinnen und künftige Wahlkämpfer (vor allem aus dem Osten) aus Berlin mitnahmen, waren nicht nur flotte Reden, sondern das Gefühl, dass die SPD noch am Leben ist.

Kann man gute Laune planen? Man kann.

Die Manager der kalkulierten Besinnlichkeit – allen voran Generalsekretär und Parteitagsarchitekt Kevin Kühnert – haben sich selbst übertroffen: Es war ein, mit wenigen Ausnahmen, rundum besinnliches Parteiweihnachtsfest. Mit viel Parteifolklore, kämpferischen Reden und der Rückbesinnung auf die eigene DNA. Selbst Genossen, die man häufiger auch mal kritisch erlebt, wirkten wachsweich und machten auf Scholzversteher.

Ein SPD-Abgeordneter, der hin und wieder mit den Parteioberen über Kreuz liegt, sagte über das überschwängliche Harmoniegetöse: "Wir haben das gebraucht."

Bestellt und geliefert

Ausgerechnet der Kanzler hat zu dieser Heimeligkeit beigetragen. Mit einer vergleichsweise zackigen Rede am Samstag, gespickt mit Witz und Emotion, hat Olaf Scholz viele Delegierte überrascht. Das Bedürfnis im Saal war groß, dass der Kanzler seine übermäßige Kontrolliertheit bei öffentlichen Auftritten abstreift und den Genossen direkt in ihre Seele blickt, sie salbt und labt, sich als einer der ihren offenbart. Gestatten, Olaf Scholz, Sozialdemokrat, Sozialstaatsbewahrer.

Bestellt, geliefert.

Aber war das der Lage wirklich angemessen? Hätte der Parteitag einer Kanzlerpartei nicht die "schwerste innenpolitische Krise" der Ampel (Parteichef Klingbeil vor dem Parteitag) stärker abbilden müssen? Hat man sich was vorgemacht?

Regel Nummer 1: Nicht dem Koalitionsgegner in die Karten spielen

Vielleicht. Aber wenn, dann aus guten Gründen: "Gerade mit Blick auf die nächsten Tage ist ein Signal der Geschlossenheit entscheidend", fasst es ein führender SPD-Politiker zusammen. Übersetzt: Tumult und Zwietracht auf dem Parteitag hätten Scholz‘ Verhandlungsposition bei den Ampel-Gesprächen untergraben – und wohl vor allem Christian Lindner in die Karten gespielt.

Ein valider Punkt. Den allerdings nicht alle einsehen wollten. Zumindest die Jusos waren der übermäßigen Parteiharmonie überdrüssig und lederten gegen Kanzler Scholz in einer konzertierten Aktion (drei Reden, drei Angriffspunkte). Juso-Chef Türmer warf den Genossen in toto vor, auf "heile Welt zu tun", während "draußen die Hütte brennt".

Doch auch hier wusste der Parteitag zu reagieren: SPD-Veteranin Claudia Moll ging spontan ans Pult und regelte die Sache mit den Jungsozialisten mit mütterlicher Strenge. Danach war Ruhe im Karton.

Mitnehmen, was man kriegt

Aber es bleiben Fragen. Zum Beispiel die: Warum hält Scholz vor zwei Wochen eine derart schwache Regierungserklärung – und rockt dann routiniert seinen eigenen Parteitag?

Und warum hält er nicht häufiger solche Reden, oder wenigstens ein bisschen bessere? Es ist die Preisfrage, auf die niemand im Berliner CityCube eine Antwort weiß.

Sei's drum. Man muss mitnehmen, was man kriegt, und genießen, solange man's spürt. Vor allem: Zuversichtlich in die Zukunft blicken, das hat doch der Kanzler selbst empfohlen. Dann klappt's auch mit der Ampelkrise, der Umfragekrise, einfach mit jeder Krise.

Wie trällerte noch die Hamburger Punkband Oma Hans: "Wenn man sich schon Illusionen macht, dann aber richtig. Es muss stimmen, auch wenn es nur für eine kurze Zeit ist."

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen auf dem SPD-Bundesparteitag
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