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Robert Habeck: Bauern blockieren Fähre – Was wir daraus lernen sollten


Der Vizekanzler und die Bauern
Der Pferdekopf in Robert Habecks Bett

  • Johannes Bebermeier
MeinungVon Johannes Bebermeier

05.01.2024Lesedauer: 4 Min.
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Robert HabeckVergrößern des Bildes
Robert Habeck: Bauern haben den Vizekanzler in Schleswig-Holstein daran gehindert, eine Fähre zu verlassen. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa-bilder)

Einen Politiker darf man nicht bedrohen. Darüber sind sich die Demokraten bei Robert Habeck und den wütenden Bauern zum Glück einig. Doch bei dieser Erkenntnis sollte die Debatte nicht stehenbleiben.

Wenn Menschen mit einem Politiker so umgehen wie die wütenden Bauern mit Robert Habeck auf der Fähre, dann gibt es eine sehr simple Erkenntnis, die trotzdem ausgesprochen gehört: Wer nicht reden will und nicht verhandeln, sondern einschüchtern und drohen, der will keine Politik, sondern Mobstertum. Der will nicht mit dem Argument überzeugen, sondern mit dem Pferdekopf unter der Bettdecke wie in "Der Pate".

Die Demokratie steht für das Gegenteil, für Ausgleich statt Aufruhr. Wenn es darüber kein Einvernehmen gibt, funktioniert sie nicht mehr. Deshalb ist es wichtig, dass die demokratischen Parteien und der Bauernverband jetzt sagen: So geht es nicht, so darf es nicht weitergehen.

Bekenntnisse aber werden nicht ausreichen, damit nicht weiter verrutscht, was längst auf der schiefen Bahn ist. Die Vorgänge um den Mob von Schlüttsiel halten mindestens drei weitere unbequeme Erkenntnisse bereit, unbequem für alle Beteiligten. Keine rechtfertigt Mobstertum. Aber die Erkenntnisse zu ignorieren, wäre gefährlich.

Video | Wütende Menge drängt Habeck auf Fähre zurück
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Quelle: t-online

1. Die Ampel erschafft sich ihre Probleme selbst

Die Ampelregierung, das selbsterklärte Fortschrittsbündnis, war von Beginn an nicht nur von der Lust an Neuem getrieben. Mindestens genauso wichtig war die Sorge davor, was (notwendige) Veränderungen in den Menschen auslösen. Die Angst vor "Gelbwesten", die in Frankreich gegen teureres Benzin randaliert hatten, war ein beliebtes Argument gegen zu große Zumutungen in Deutschland, schon als der Koalitionsvertrag geschrieben wurde.

Das kann man unambitioniert und ängstlich finden oder vorausschauend und klug. Der Bauernmob in Schleswig-Holstein zeigt nun zumindest, dass die Sorge nicht unberechtigt war. Was den Umgang der Ampel mit den Bauern nun noch unverständlicher macht.

Wer einer gut organisierten Gruppe wie den Bauern ausgerechnet die Dieselunterstützung streichen will, zumal ohne elektrische Alternative, wer sie damit mehr als zehn Prozent der Gesamteinsparungen schultern lassen will, den kann die Wut eigentlich nicht wundern.

Es war schlicht ein politischer Fehler. Deshalb hat die Bundesregierung ihn ausgebessert, und das ist gut.

Video | Polizist macht Bauern ein Angebot – Video zeigt deutliche Reaktion
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Quelle: t-online

Doch es spricht vieles dafür, dass Fehler wie dieser in der Ampel nicht zufällig passieren. Die Spitzen haben das Kürzungspaket wie zuletzt so oft im kleinen Kreis und in vielen Nachtsitzungen zusammengezimmert. Nicht, weil das Spaß macht, sondern weil diese Koalition nur noch so die großen Probleme kleinverhandelt bekommt.

Die FDP hat völlig andere Vorstellungen davon, was Politik regeln und wie der Staat funktionieren soll, als SPD und Grüne. Und weil diese Unterschiede inzwischen offensichtlich nur noch überbrückt werden können, wenn um 3 Uhr nachts niemand mehr Widerstand leisten kann, schafft sie sich manche Probleme selbst. Murks wird zu Mist.

2. Aufstacheln ist einfacher als argumentieren

Ein Mob wie in Schleswig-Holstein bildet sich nicht zufällig. Er wird inspiriert und scheinlegitimiert von einer breiteren gesellschaftlichen Stimmung. Und er wird oft gezielt befeuert von Kräften, denen es nicht darum geht, sich Gehör zu verschaffen, sondern die anderen so lange niederzubrüllen, bis alle taub sind. Wenn sich beides mischt, wird es gefährlich.

Die Aktion in Schlüttsiel ist nach Recherchen von t-online etwa auch von "Reichsbürgern" beim Kurznachrichtendienst Telegram befeuert worden. Mit der Falschinformation, Habeck lade zu einem "Bürgerdialog" ein. Wer diese Dynamiken nicht kennt und beobachtet, wird vieles nicht richtig einordnen können.

Dasselbe gilt für die gesellschaftliche Stimmung. Wer wie die CDU-Fraktion in Sachsen Plakate verbreitet, auf denen ein wütender Bauer mit einer in die Kamera gerichteten Mistgabel droht, weil man den Slogan "Finger weg vom Agrardiesel!" offensichtlich nicht für stark genug hält, der adelt Mobstertum. Der tut so, als sei die Mistgabel im Meinungskampf ein ebenso legitimes Werkzeug wie das Mikrofon.

Oft braucht es nicht mal eine Mistgabel, um Politik komplizierter und schlechter zu machen, als sie sein müsste. Es reicht, lieber gegen einen Strohmann anzukämpfen, gegen ein Zerrbild der politischen Konkurrenz. Weil das oft leichter ist, als sich mit ihren echten Fehlern auseinanderzusetzen.

Doch wer mit Halb- und Unwahrheiten Emotionen gegen seine Mitbewerber schürt, der mag kurzfristig erfolgreich sein, weil Zorn mächtig ist. Langfristig aber ruiniert er die gesamte Politik, weil die guten Argumente im verbalen Misthaufen untergehen – und die wirklichen Fehler auch.

3. Der politische Kompromiss ist in Gefahr

Politik lebt davon, dass Menschen gemeinsam eine Lösung für Probleme suchen, die möglichst vielen möglichst gut gefällt. Weil Menschen unterschiedliche Dinge wichtig finden und brauchen, gibt es so etwas wie die eine richtige Politik nicht, sondern nur den Ausgleich von Interessen, einen möglichst guten Kompromiss.

Doch wann ist der erreicht? Und wie schafft man es als politischer Akteur, nicht zum Verlierer zu werden, wenn man nicht alle seine Interessen durchsetzen kann?

Bevor die wütenden Bauern am Donnerstag den Vizekanzler auf der Fähre festsetzten, war die Ampel ihnen entgegengekommen. Die Kfz-Steuerbefreiung soll nun bleiben, das Dieselprivileg über mehrere Jahre langsam abschmelzen. Eigentlich ein großer politischer Erfolg.

Nur hatte der Deutsche Bauernverband immer gefordert, sämtliche Kürzungen zurückzunehmen. Und will deshalb nächste Woche trotzdem weiterprotestieren. Der Kompromiss reicht den Bauern nicht aus, obwohl sie viel erreicht haben. Wohl auch, weil der Verband Sorge hat, seine Bauern sonst zu enttäuschen – und ihre Unterstützung zu verlieren.

Ironischerweise ist das auch das Problem, das Habecks Grüne in der Ampel belastet und über das sie oft nachdenken. Eine weitreichende Maximalforderung kann in Verhandlungen (oder bei Protesten) nützlich sein, um möglichst viel von der eigenen Position durchzusetzen. Nur wie erklärt man anschließend seinen Anhängern, dass mehr nicht drin war? Ohne sich kleinzumachen und so, dass sie es glauben?

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Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht. Was man sagen kann: Damit Politik funktioniert, braucht es eine politische Kultur, die Kompromisse als notwendig anerkennt. Das bedeutet nicht, dass Konkurrenten und Medien nicht darauf hinweisen dürfen, wer sich in Verhandlungen an welcher Stelle durchgesetzt hat. Im Gegenteil, das gehört zur Rechenschaftspflicht von Politik dazu. Wähler müssen wissen dürfen, wie erfolgreich ihre Partei ihre Interessen durchsetzt.

Aber die Analyse von Politik sollte beim Aufrechnen von Erfolgen, bei der Einteilung von Politikern in Gewinner und Verlierer, eben nicht stehenbleiben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen
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