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Bauernprotest: Das Ziel ist größer als Sie denken


Bauernpräsident Rukwied bei der CSU
Ihr Ziel ist größer als gedacht

Von Sara Sievert

08.01.2024Lesedauer: 4 Min.
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CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (l.) und Bauernpräsident Joachim Rukwied in Seeon: "Das hat das Fass zum überlaufen gebracht."Vergrößern des Bildes
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (l.) und Bauernpräsident Joachim Rukwied in Seeon: "Das hat das Fass zum überlaufen gebracht." (Quelle: dpa/dpa)

An diesem Montag gehen bundesweit Bauern auf die Straße, um zu protestieren. Gegen die Sparpolitik der Ampel. Aber nicht nur.

Ein bisschen hat es was von einer Filmszene, als der Bauernpräsident Joachim Rukwied und Alexander Dobrindt am Montagmorgen durch den Schnee vor die Kameras der Journalisten schreiten. Hinter ihnen versammeln sich die Abgeordneten der CSU-Landesgruppe.

Dramatik an, Botschaft eindeutig. Dobrindt will zeigen: die CSU steht hinter den Bauern.

Während in ganz Deutschland die Bauern auf den Straßen demonstrieren, hat Rukwied sich entschieden, nach Kloster Seeon zu fahren. "Ich freue mich, dass ich heute bei der CSU-Klausurtagung sein kann", sagt er. Es gehe um die Zukunftsfragen der Landwirtschaft. Rukwied will um politische Unterstützung werben. Dabei muss er das eigentlich gar nicht mehr. Dobrindt und seine Mannschaft bekräftigen den Unmut der Landwirte seit Tagen.

Und so friert der eine oder andere im Janker bei Minusgraden vor dem weiß gepuderten Kloster Seeon, während Rukwied spricht. Fast eine halbe Stunde dauert der Auftritt. Einige fangen leicht zu zittern an. Aber egal. Das gibt gute Bilder. Und wenn die CSU eines kann, dann das.

Das soll nicht wieder auf das falsche Konto einzahlen

Die Union sieht in den Protesten eine politische Chance, Stimmung gegen die Ampel – und im besten Fall für sich selbst zu machen. Man will vermeiden, dass die Unzufriedenheit schon wieder in großen Teilen auf das Konto der AfD einzahlt. Also bringen sich vor allem CSUler, wo sie nur können, mit den Bauern in Verbindung, zeigen Solidarität. Auch in Seeon freut Dobrindt sich ausdrücklich darüber, dass Rukwied an diesem Protesttag den Schulterschluss mit seiner Partei sucht.

Der CSU-Politiker unterstreicht: "Die Proteste der Bauern sind vollkommen berechtigt, notwendig und nachvollziehbar. Die Bauern haben unsere volle Unterstützung. Weil die Ampel die Produktionsfähigkeit der Landwirtschaft gefährdet."

Geht es den Bauern wirklich allein um die Politik der Ampel? Um einen Regierungswechsel?

"Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht"

Es stimmt, dass viele in diesen Tagen laut schreien: "Die Ampel muss weg". Dass auf den Feldern Protestparolen gegen die Bundesregierung stehen und an den Traktoren Schilder hängen, auf denen steht: "Fachkräftemangel gibt es nur in der Regierung".

Zur Wahrheit gehört aber auch: Viele der Landwirte protestieren eher für einen Politikwechsel. Ihr Frust hat sich über Jahre aufgestaut. Ihnen geht es nicht nur um die Steuererhöhung, sondern auch um Bürokratieabbau, um zu hohe und sich in ihren Augen zu oft ändernde Auflagen, um Planungssicherheit. Schon vor vier Jahren standen die Bauern auf den Straßen. Auch in Seeon, während die CSU sich hier traf. Damals ging es um die Verschärfung der Düngemittelverordnung. Die Union regierte da noch mit der SPD im Bund.

Rukwied hält sich bei der CSU auffällig zurück, als er danach gefragt wird, ob der Protest sich allein gegen die Ampel richte. Wohl auch, weil er seine Gastgeber nicht öffentlich vor den Kopf stoßen will. Ihre Unterstützung kommt ihm durchaus zugute. Gleichwohl räumt er ein, dass die Sparmaßnahmen zwar der Auslöser, nicht aber die Ursache der Proteste gewesen seien. Es sei jetzt einfach mal zu viel. "Das Fass zum Überlaufen gebracht haben die geplanten Steuererhöhungen in Höhe von einer Milliarde Euro für die Landwirtschaft. Das ist überproportional", erklärt der Bauernpräsident.

"Wir wollen die Ampel nicht stürzen"

Zumindest CSU-Chef Söder und Dobrindt sind sich in Seeon einig: die Situation könne allein durch einen Regierungswechsel verbessert werden. Beide sprechen sich noch einmal für Neuwahlen aus. "Im Sport wäre jetzt der Zeitpunkt für einen Trainerwechsel", sagte Söder am Samstag vor Journalisten. Bei den demonstrierenden Bauern klingt das zumindest in Teilen anders. Ein Landwirt sagt t-online: "Wir brauchen keinen Regierungswechsel, wir brauchen einen Politikwechsel." Ein anderer erklärt: "Wir wollen die Ampel nicht stürzen, wir wollen sie wachrütteln."

Auch Rukwied nimmt von der Forderung nach einer Neuwahl etwas Abstand: "Ob die Zeit für Neuwahlen jetzt oder in zwei Jahren sei, das wird die Entwicklung der nächsten Wochen zeigen." Es gehe insgesamt darum, wie man die Landwirtschaft langfristig stabilisieren könne. Und den Unmut gebe es nicht nur bei den Bauern. Die Spediteure, die Gastronomen, das Handwerk – "die gehen heute alle mit uns auf die Straße". Es klingt mehr nach einer Aufforderung an die Regierung, etwas zu ändern, nicht danach, hinzuschmeißen.

Die CSU muss sich fragen, ob Neuwahlen die Situation tatsächlich leichter machen würden.

Mancher in der Landesgruppe ist sich durchaus bewusst, dass das Problem ein größeres ist. Hinter vorgehaltener Hand erzählt man hier, dass es doch insgesamt Unmut gebe. Bei den Landwirten, aber auch bei anderen gesellschaftlichen Gruppen. Der werde nicht allein mit einer Abwahl der Ampel gelöst. Die Menschen würden schon auch hinterfragen, ob mit der Union wirklich alles unmittelbar besser würde. Zumal CDU und CSU am Ende aller Voraussicht nach mit mindestens einer, vielleicht sogar zwei der Ampelparteien arbeiten müssen.

Für die Union ist es also ein schmaler Grat. Sie wollen die Proteste politisch für sich nutzen, müssen aber aufpassen, dass sie sich nicht vor den Karren spannen lassen. Irgendwann dürften auch sie wieder in Regierungsverantwortung sein – und so leicht kommen sie aus den Zusagen, die sich als Opposition leicht machen lassen, dann nicht wieder raus.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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