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Moscheegründerin: Erdogan verantwortlich für Morddrohungen


Wegen Morddrohungen
Moscheegründerin Ates beschuldigt Erdogan

dpa, Esteban Engel

04.07.2017Lesedauer: 3 Min.
Seyran Ates, Gründerin einer liberalen Moschee in BerlinVergrößern des BildesSeyran Ates, Gründerin einer liberalen Moschee in Berlin, erhält Morddrohungen und macht dafür Erdogan und die AKP verantwortlich. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa-bilder)
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Seyran Ates hat eine liberale Moschee

Sie will gerade eine Straße in Berlin überqueren, als sie Ende Juni von drei Männern angesprochen wird. Ob sie nicht Seyran Ates, die Gründerin dieser "perversen" Moschee sei - dort, wo "Männer, Frauen, Lesben und Schwule" gemeinsam beteten. Ates ist erschrocken.

Sie verwickelt die Männer aber in ein Gespräch, wird lauter und sucht so zum eigenen Schutz die Aufmerksamkeit der Passanten. Dann eilt sie davon. "Du stirbst", ruft ihr einer der Unbekannten hinterher.

Seitdem Seyran Ates Mitte Juni die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin gegründet hat, lebt die Anwältin gefährlich. Zu einem Termin am Dienstag mit Grünen-Chef Cem Özdemir in der Moschee kommt sie in einer gepanzerten Limousine.

Leibwächter rund um die Uhr

Drei Männer in dunklen Anzügen begleiten die zierliche Frau, sie stehen später beim Gespräch um sie. Die Polizei schätzt die Sicherheitslage von Ates als sehr ernst ein und stellt ihr Leibwächter rund um die Uhr zur Seite.

Ates (54) bekommt viel Aufmerksamkeit in diesen Tagen. Aus dem mit einem weißen Teppich ausgelegten Raum in der dritten Etage eines Kirchenanbaus in Berlin-Moabit gehe ein "zukunftsweisendes" Signal aus, hatte die Islamexpertin Susanne Schröter bei der Gründung gesagt.

Doch das Projekt hat auch viel Empörung in der islamischen Welt ausgelöst. Die Hass-Mails kommen von überall. Ates wird angefeindet, beleidigt. "Lesen Sie doch die Facebook-Einträge", sagt sie. Doch sie bekomme auch Solidaritätsmails.

Angegriffen, verprügelt, angeschossen

Ob sie um ihr Leben fürchte? Nicht wirklich, sagt Ates zunächst. "Aber ich traue mich alleine nicht aus meinem Haus. Insofern schon", fügt sie hinzu.

Die Gründerin einer Moschee, in der Sunniten, Schiiten und Aleviten, Männer und Frauen - mit und ohne Kopftuch - gemeinsam beten, hat Gewalt und Intoleranz schon am eigenen Leibe erfahren. Ates wurde verprügelt, fast umgebracht und immer wieder körperlich angegriffen. Als angehende Anwältin vertrat sie junge Frauen, die sich von ihren Einwandererfamilien lösen wollten.

Dafür wurde sie 1984 angeschossen und schwer verletzt.

Heute drohten ihr "Null-Acht-Fünfzehn-Bürger". Nicht Salafisten, der IS oder Al Kaida. Nein. "Frauen, die so sehr für ihr Kopftuch gekämpft haben, die meinen, Feministinnen zu sein, und uns weismachen wollen, dass sie liberal sind." Den Artikel drei des Grundgesetzes hätten sie offenbar nicht verstanden.

"Langer Arm" Erdogans verantwortlich?

Auch Cem Özdemir zitiert das Grundgesetz, um Ates zu verteidigen. Nicht den Artikel zur Diskriminierung, sondern den zur Religionsfreiheit. Der Grünen-Chef sieht den "langen Arm" des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hinter den Drohungen.

In Deutschland brauche eine Moschee keine staatliche Erlaubnis. Das müsse die Bundesregierung dem "Operettensultan am Bosporus" deutlich machen. Mit Spitzeleien und Denunziationen werde ein Klima der Angst unter den Türken in Deutschland geschaffen, auch über den Islamverband Ditib.

Auch Ates wirft Ankara und der Regierungspartei AKP vor, hinter den Drohungen zu stehen. Die regierungsnahen Zeitungen in der Türkei und Ditib stellen die Moschee als Teil der verbotenen Bewegung des Predigers Fethullah Gülen dar. "Damit entsteht die Gedankenkette: Gülenisten, Terroristen, vogelfrei." Für Ankara steht die Gülen-Bewegung hinter dem Putschversuch vom Juli 2016.

Gespräche auch mit Traditionalisten

Dabei leugnet Ates Kontakte zu den Gülen-Leuten nicht. Über das "Haus of One", einem geplanten Mehrreligionenhaus in Berlin, spreche sie immer wieder mit Ercan Karakoyun, dem Vorsitzenden der Stiftung Dialog und Bildung, einem Ableger der Bewegung. Doch sie spreche auch mit anderen Imamen.

Unlängst seien Vertreter der benachbarten Ayasofya-Moschee da gewesen. Sie hätten sie zwar aufgefordert, ihr Gebetshaus zu schließen. "Doch dann kamen wir ins Gespräch." Irgendwann habe einer von ihnen eingesehen, dass die Ibn-Rush-Goethe-Moschee Leute anspreche, die die Traditionalisten nicht erreichten.

Doch Ates fühlt sich alleingelassen von den türkischen Verbänden. Bisher habe sich keiner zu den Drohungen geäußert. Dann meldet sich am Dienstag Aiman Mazyek zu Wort, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime. "Ich verurteile die Morddrohung aufs Schärfste und kann mich leider in die Situation von Frau A. hineinversetzen, weil ich bisweilen immer wieder Morddrohungen erhalte", teilt er knapp in einer Mail mit. Auf Anfrage.

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