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Armin Laschet ist neuer CDU-Chef: Triumph des chronisch Unterschätzten


Neuer CDU-Chef Laschet
Triumph des chronisch Unterschätzten


Aktualisiert am 16.01.2021Lesedauer: 7 Min.
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"Gefahr, dass Aggression zunimmt": In seiner ersten Rede als CDU-Chef hat sich Armin Laschet vor allem an seine Kontrahenten gewandt. (Quelle: t-online)

Vieles sprach gegen ihn und der Sieg war knapp: Doch Armin Laschet hat es geschafft und ist neuer CDU-Chef. Porträt eines Mannes, dessen Karriere eine Verkettung glücklicher Umstände ist – und dessen größte Bewährungsprobe noch bevorsteht.

Armin Laschet steht auf der Bühne vor einer blauen Wand und strahlt. Er hat es geschafft. Er hat sich gegen einen übermächtigen Gegner durchgesetzt, fast niemand glaubte daran, zwischendurch vielleicht noch nicht einmal er selbst. Aber jetzt er ist der Sieger. Seine rechte Hand saust durch die Luft, als würde er eine Zwiebel klein hacken und er ruft dazu: "Wir haben Kurs gehalten! Auch in schweren Zeiten! Und deshalb: Dank an alle, die trotz allem weitergekämpft haben…" Tosender Applaus aus der Menge.

Der Applaus ist echt, er kommt nicht vom Band, die jubelnde Menge steht direkt vor Laschet. Denn es ist noch keine Corona-Pandemie, sondern der 14. Mai 2017. Der übermächtige Gegner an diesem Tag heißt nicht Friedrich Merz, sondern Hannelore Kraft. Armin Laschet gewinnt die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Er erobert das größte Bundesland für die CDU zurück – obwohl die Chancen zuvor gering waren. Kraft war damals die beliebteste Politikerin Deutschlands.

Scheitert Laschet an der mangelnden Einheit der Union?

Der 59-jährige Armin Laschet ist ein Spezialist darin, aus vermeintlich aussichtslosen Lagen als Sieger hervorzugehen. Er ist ein politisches Stehaufmännchen, weil er nicht verzagt und einfach weitermacht.

Das galt auch in den vergangenen Monaten: Erst zögerte er lange, sich überhaupt ins Rennen um den neuen CDU-Chef einzuschalten, dann litt in der Corona-Krise sein Image, die Umfragen waren schlecht, die Sehnsucht nach Jens Spahn und Markus Söder groß. Doch Armin Laschet hielt einfach durch, ließ sich nicht entmutigen, zumindest nicht öffentlich sichtbar.

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Und jetzt? Ist er nicht nur NRW-Ministerpräsident, sondern auch CDU-Chef: Er setzte sich auf dem ersten digitalen Parteitag der Christdemokraten mit 521 zu 466 Stimmen in der Stichwahl gegen Friedrich Merz durch. Ein eher knappes Ergebnis, aber Mehrheit ist eben Mehrheit.

Auch Merz ist hochbeliebt, anders zwar als Hannelore Kraft nicht in der Breite der Bevölkerung, doch bei der CDU-Basis. Und jetzt stellt sich die Frage, ob Laschet einen Weg findet, die jetzt schon tobenden Merz-Anhänger hinter sich zu versammeln. Ob er nicht an der mangelnden Einheit der Union scheitert, die auch Annegret Kramp-Karrenbauer zum Verhängnis wurde. Ob sein Politikansatz überhaupt in Deutschland funktioniert.

Kurzum: Ob er der nächste Bundeskanzler wird.

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Entscheidend für den Sieg von Laschet war unter anderem seine Rede am Samstagvormittag: Rein digital kam sie bei den 1001 Delegierten auf den heimischen Bildschirmen an. Er sprach viel über seinen Vater, der Bergmann war, und auch ein wenig darüber, dass Polarisierung kein Weg in der Politik sei. Während Friedrich Merz und Norbert Röttgen eher klassische CDU-Parteitagsreden hielten, baute Armin Laschet eine Art christlich-demokratischen Erzählungsbogen. Sein Vater habe ihm gesagt, so Laschet: "Sag den Leuten, sie können dir vertrauen."

Eine Partei, der Rebellion im Kern fremd ist

Der Sieg von Armin Laschet ist auch ein Sieg der etablierten Kräfte in der CDU. Für ihn setzten sich in den vergangenen Tagen diverse ranghohe Unionspolitiker ein, am Tag vor der Abstimmung gipfelte das in dem Statement der Kanzlerin: "Ich wünsche mir, dass ein Team gewählt wird, das die Geschicke unserer stolzen Volkspartei in die Hand nimmt und dann gemeinsam mit allen Mitgliedern die richtigen Antworten für die Aufgaben der Zukunft findet". Mit einem Team trat nur Laschet an, der sich mit Jens Spahn als Stellvertreter verbündet hat, der wenig subtile Hinweis der Kanzlerin war eindeutig.

Die CDU ist eine Partei, der Rebellion und Revolution im Kern fremd sind. Sie ist eine Partei, in der sich Menschen versammeln, die eher zufrieden sind mit der Lage des Landes. So gesehen war Armin Laschet im Vergleich zum konservativen Friedrich Merz, der für einen Rechtsruck steht, die logische Wahl. Keine Experimente. Dass Kramp-Karrenbauer bereits nach kurzer Zeit als Chefin scheiterte, versetzte viele in einen Schockzustand.

Während sein Widersacher Friedrich Merz monatelang verkündete, dass er recht siegesgewiss sei, äußerte sich Laschet erst sehr spät zu seiner Kandidatur. Das lag hauptsächlich daran, dass er kaum Zeit für einen innerparteilichen Wahlkampf hatte, weil er als Ministerpräsident das bevölkerungsreichste Bundesland durch die Krise führen muss.

Aus einem stark katholisch geprägten Elternhaus

Und in der Corona-Krise setzte sich Laschet lange vehement für Lockerungen ein – und übertrieb es in den Augen vieler damit. Plötzlich musste er als Erster im Land wieder einen regionalen Lockdown verhängen. In der Corona-Krise führe Laschet vor, wie "bei ihm aus richtigen Einfällen zuweilen falsche Entscheidungen werden und aus guten Ideen schlechtes Handwerk", schreiben seine Biografen Tobias Blasius und Moritz Küpper in ihrem Buch "Der Machtmenschliche" über Laschet.

Armin Laschet ist mit drei jüngeren Brüdern aufgewachsen im Aachener Stadtteil Burtscheid. Seine Mutter war Hausfrau, sein Vater erst Bergmann, anschließend Grundschullehrer. Es war ein stark katholisch geprägtes Elternhaus. Lasches politische Karriere verlief fast immer entgegen aller Wahrscheinlichkeiten. Das ging schon mit seinem Eintritt in die Partei los. Ein Freund von ihm steckte ihm den Antrag in den Briefkasten, mit 18 Jahren trat Laschet dann in die CDU ein. Er studierte Jura, absolvierte sein erstes juristisches Staatsexamen, es folgte ein journalistisches Volontariat.

"Ein stetiges Ringen zwischen Mut und Vorsicht"

Von 1994 bis 1998 saß er im Deutschen Bundestag, 1999 folgte der Wechsel ins Europaparlament. Und schon die anschließende Karrierestation ist typisch für den Politiker Armin Laschet. 2005 nahm er an einer wichtigen CDU-Veranstaltung nicht teil, bei der auch über neue Minister-Posten in NRW verhandelt wurde. Der damalige Landeschef Jürgen Rüttgers soll Laschet trotzdem angerufen und gesagt haben: "Ich habe dich heute gar nicht gesehen". Rüttgers machte ihn trotzdem zum Integrationsminister.

Laschet wird daraufhin CDU-intern einige Jahre als "Türken-Armin" verspottet, doch er erarbeitet sich auch Respekt. In dieser Zeit knüpft er enge Kontakte zu den Grünen. Nachdem Norbert Röttgen die NRW-Wahl im Jahr 2012 verliert, wird Laschet Landeschef und gewinnt daraufhin 2017 gegen Hannelore Kraft. Seine Biografen schreiben über das Verhältnis von Armin Laschet zur Politik, dies sei die Geschichte einer ständigen Abwägung: "Eines stetigen Ringens zwischen Kopf und Bauch, Mut und Vorsicht, Individualität und Konformität."

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Laschet ist einer, der sich gern mal zu einer spontanen Äußerung hinreißen lässt. So mutmaßte er im Sommer vor laufender Fernsehkamera, dass "Bulgaren und Rumänen" für den Ausbruch von Corona in einer Fleischfabrik verantwortlich seien. Seine Kandidatur kam ins Rutschen, aus seinem forschen Antritt für den Parteivorsitz wurde daraufhin eher ein zaghaftes Anpirschen.

Friedrich Merz, der neue Herbert Reul?

Armin Laschet beruft sich mit seinem Politikstil gern auf die Tradition von Angela Merkel. Abwägen, Moderieren, alle Seiten einbinden. Seine Seitenhiebe gegen polarisierende Politik bei der Parteitagsrede waren nicht zufällig. Doch zugleich hat Laschet schon gezeigt, dass er die Forscheren der Partei einbeziehen will: Sein Innenminister Herbert Reul steht in Nordrhein-Westfalen für eine harte Law & Order-Politik. Wenn Laschet noch freundlich-vermittelnde Sätze in die Kamera sagt, prescht Reul mit einer Polizei-Aktion nach der nächsten gegen Clans im Bundesland vor. Es ist ihre Art von Aufgabenteilung.

Künftig ist die Frage, wie Laschet seinen Ansatz in der Bundes-CDU umsetzt. Ein Weg könnte auch hierbei das politische Personal sein: Er könnte mit Merz und Spahn versuchen, den konservativen Flügel einzubinden. Spahn ist in seinem Team – ob Merz sich Laschet unterordnet, ist noch offen. Wenn es nach Laschet geht, könnte Merz der neue Herbert Reul auf Bundesebene werden, nur möglicherweise in einem anderen Ministeramt.

Mahnende Worte aus Magdeburg

Laschet erklärte bei seiner Rede: "Vertrauen bekommt man aber nicht geschenkt, man muss es sich erarbeiten. Dafür reichen nicht bloß markige oder schöne Worte. Müsste, Könnte, Sollte – das ist noch keine Politik. Man muss das Handwerkszeug einer Politik der Mitte beherrschen: die Fähigkeit zur Einigung". Das ist das Ziel, das Laschet sich selbst gesteckt hat, an seinen Worten wird er sich messen lassen müssen.

Und er muss zeigen, dass er beherrscht, woran Kramp-Karrenbauer gescheitert ist: Die ostdeutschen Landesverbände so einzubinden, dass jede Annäherung an die AfD ausgeschlossen wird. Laschet hat das als sein Manko erkannt, wie er in einem Interview anklingen ließ.

Aus Magdeburg kommen bereits mahnende Worte. Direkt nach der Wahl von Laschet verschickte der CDU-Landesverband Sachsen-Anhalt ein Statement mit Glückwünschen an ihn – und einer klaren Ansage: "Zudem erwarten wir von Armin Laschet, dass er sich der besonderen Bedürfnisse der Menschen im Osten Deutschlands bewusst ist und diese gezielt in die politische Arbeit einzubinden weiß." Es ist ein eindeutiges Signal: Armin, mach nicht den gleichen Fehler wie die Annegret.

Markus Söder, der Kanzlerkandidat?

Die nächste Bewährungsprobe für Armin Laschet werden die nächsten Monate. Im März werden in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg die Landtage neu gewählt. Viele Delegierte aus diesen Bundesländern haben wohl auf dem Parteitag für Friedrich Merz gestimmt. Die CDU-Verbände der drei Länder sehnen sich eigentlich nach einem konservativeren Profil der Partei.

Es ist Armin Laschets nächster Test, den er bestehen muss. In der CDU denkt mancher schon laut darüber nach, ob im Falle von nicht so guten Wahlergebnissen für die Landtage in Mainz und Stuttgart nicht Markus Söder die Union in die Bundestagswahl führen sollte.

Laschets möglicher Widersacher Markus Söder hatte am Vorabend der Entscheidung bereits ein Grußwort auf dem Parteitag gehalten. Die Frage von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, ob er dabei aus einer CDU-Tasse bei seiner Rede trinken würde, verneinte Söder. Er schob nach: "Wenn ein Angebot der CDU an mich kommt, dann werden wir das natürlich entsprechend gewichten."

Es wird an Armin Laschet liegen, ob die CDU dem bayerischen Ministerpräsidenten künftig Kaffeetassen oder das Kanzleramt anbietet.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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