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NRW-Gesundheitsminister Laumann über Impfstoff: "Ich glaube nur noch, was ich sehe"


NRW-Gesundheitsminister über Impfstoff
"Ich glaube nur noch, was ich sehe"

InterviewVon Tim Kummert

05.03.2021Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Düsseldorf: Der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bei einer Pressekonferenz.Vergrößern des Bildes
Düsseldorf: Der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bei einer Pressekonferenz. (Quelle: imago-images-bilder)

Das Impfen im größten deutschen Bundesland geht nur schleppend voran. Wie kann das sein? Ein Interview mit dem NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.

t-online: Herr Laumann, im Februar konnten Dutzende Menschen ihre Impftermine im nordrhein-westfälischen Hattingen nicht wahrnehmen: Sie mussten vom Impfzentrum aus wieder den Heimweg antreten. Was läuft da schief?

Karl-Josef Laumann: Es waren in einem gewissen Zeitraum zu viele Personen gleichzeitig für einzelne Termine eingebucht. Die mussten in der Tat vor dem Impfzentrum wieder umkehren. Da hat es im Computersystem am Anfang hier und da Probleme gegeben. Da muss man nicht um den heißen Brei herumreden. Aber: Soweit ich weiß, hat man in diesen Fällen vor Ort aber pragmatische Lösungen gefunden.

Es gab Probleme im Computersystem? Im Jahr 2021? In einer weltweiten Pandemie?

Wir haben für 1,2 Millionen Menschen gleichzeitig Termine gemacht. Dass es da an der einen oder anderen Stelle ruckelt, das ist völlig normal. Im Übrigen läuft die Terminvergabe über die Kassenärztlichen Vereinigungen. Insgesamt sind wir aber erfolgreich.

Inwiefern?

Wir haben mittlerweile jeweils rund 830.000 Erst- und Zweittermine vergeben, hinzu kommen noch die Impfungen in den Alten- und Pflegeheimen, wo mittlerweile rund 180.000 Pflegeheimbewohner ihre Erstimpfung erhalten haben. Jetzt im März werden wir jede Woche etwa 100.000 Menschen über 80 Jahren impfen. Das geht richtig gut voran.

Trotzdem haben 80-Jährige in Ihrem Bundesland teilweise erst im April einen Impftermin.

Wir konnten damals nur so viele Termine vergeben, wie zum damaligen Zeitpunkt Impfstoff zur Verfügung stand.

Doch wann zusätzliche Dosen eintreffen, ist ja keine Überraschung: Es gibt klare Verträge.

Einspruch: Natürlich hat es schon Überraschungen gegeben. Das haben wir alleine schon Anfang des Jahres gesehen, als Biontech seine Lieferpläne geändert hat, was dazu führte, dass wir bis Ende Januar rund 100.000 Impfdosen weniger bekommen haben. Sehen Sie: Ich habe in diesem Jahr Pandemiebekämpfung schon so viel Unglaubliches erlebt. Ich glaube nur noch, was ich sehe, auch deshalb plädiere ich öfter für ein vorsichtiges Vorgehen. Wir können die über 80-Jährigen nur mit dem Impfstoff der Firma Biontech impfen. Das führt dazu, dass wir nicht ganz so schnell sind, wie wir gern wären. Und ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Es wird irgendwann ein paar Tage geben, wo 70-Jährige schon geimpft sind und 80-Jährige erst kurz darauf dran sind. Das lässt sich leider in der Organisation nicht vermeiden.

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In NRW sind die Landkreise sehr groß. Trotzdem haben Sie angeordnet, dass es pro Kreis nur ein Impfzentrum geben soll. Warum?

Weil die Situation am Anfang so war, dass wir so wenig Impfstoff hatten, dass wir pro Impfzentrum nur eine Impfstraße betreiben konnten. Doch jedes Impfzentrum ist selbstverständlich frei darin, neue Impfstraßen zu eröffnen. Das ist teilweise schon geplant. Wir haben den Kreisen und kreisfreien Städten aufgrund der mehr zur Verfügung stehenden Impfdosen zudem nun auch die Möglichkeit gegeben, die Impfzentren zu erweitern. Ich kann mich nur wiederholen: Das Impfen in Nordrhein-Westfalen nimmt Fahrt auf.

Aber nur, sofern die Menschen ihre Termine auch wahrnehmen. Zwischen dem 10. und dem 15. Februar wurden allein im Landesteil Nordrhein 600 Impftermine abgesagt, weil für sie Dosen mit Astrazeneca vorgesehen waren.

Da haben Sie recht. Manche Menschen sind gegenüber dem Impfstoff von Astrazeneca immer noch skeptisch. Gegen diese Skepsis kann man nur mit sehr viel Aufklärung vorgehen. Astrazeneca ist kein Impfstoff zweiter Klasse. Wenn ich könnte, würde ich mich sofort damit impfen lassen. Aber ich bin noch nicht dran.

Haben Sie einen Überblick, wie viele Astrazeneca-Dosen bei Ihnen gerade lagern, die noch nicht für einen Impftermin eingeplant sind?

Was in den einzelnen Impfzentren genau vorrätig ist, das kann ich derzeit nicht sagen. Das unterliegt ja auch täglichen Schwankungen, aber das bringen wir gerade in Erfahrung. Klar ist aber: Der Impfstoff geht nicht verloren. Er wird anhand der Priorisierung dem nächsten angeboten.

Deutschlandweit sind 1,3 Millionen Astrazeneca-Dosen nicht verimpft. Was spricht eigentlich dagegen, in jedem Impfzentrum ab 18 Uhr die Dosen, die an dem Tag nicht terminmäßig in Anspruch genommen wurden, an Freiwillige zu geben?

Zunächst einmal: Sofern Impfdosen irgendwo liegen, verdirbt der Impfstoff ja nicht. Der liegt im Kühlschrank, wird gut gelagert …

… und nicht verimpft.

Das möchte ich ergänzen: Und nicht sofort verimpft. Die Idee, den Impfstoff einfach so zur Verfügung zu stellen, halte ich für schwierig. Sonst werden vielleicht Menschen in der Verwaltung vor den Krankenschwestern geimpft – obwohl diese ein viel höheres Infektionsrisiko haben. Die richtige Reihenfolge beim Impfen einzuhalten ist manchmal mühsam. Aber ich bin sicher: Sie lohnt sich. Und nicht umsonst beschäftigen sich Stiko, Leopoldina und Ethikrat ausführlich mit der Reihenfolge.

Von dem Vorschlag von Markus Söder, die Impfreihenfolge bei Astrazeneca aufzuheben halten Sie demnach …

… nichts.

Warum?

Weil wir noch zu viele Menschen haben, die wir aufgrund eines erhöhten Infektionsrisikos prioritär schützen müssen. Jetzt haben wir viel über die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger gesprochen. Aber auch die Vorerkrankten müssen wir schützen und auch die Menschen, die 70 oder 75 Jahre alt sind. Denn – das sagen uns ja die Ärzte aus den Krankenhäusern – das sind Menschen, denen im Zweifel besonders schnell in den Kliniken und dann leider auf den Intensivstationen geholfen werden muss, wenn sie an Corona erkranken.

Wann rechnen Sie damit, dass das Impfen sich auf breite Teile der Bevölkerung ausweitet?

Entscheidend dafür werden die Hausarztpraxen sein. Sobald dort breit geimpft werden kann, nähern wir uns einer Herdenimmunität. Aber dafür braucht es eine andere Zahl von Impfdosen, denn von den 11.000 Hausärzten in NRW werden etliche Tausend Hunderte einzelner Dosen brauchen. Die haben wir derzeit noch nicht. Sobald aber mehr Dosen geliefert werden, können wir dann auch die Masse der Bevölkerung impfen.

Herr Laumann, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Karl-Josef Laumann
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