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AfD-Chefin Alice Weidel nach Absage: Dieses Verhalten weckt Zweifel


Angebliche Bedrohung von Weidel
Dieses Verhalten weckt Zweifel

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 06.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Alice Weidel: Die AfD-Vorsitzende berichtete von einer Bedrohungslage. (Quelle: IMAGO/M. Popow)

Alice Weidel will am Samstag wieder im Wahlkampf auftreten. Zuletzt hatte sie einen Auftritt wegen eines "sicherheitsrelevanten Vorfalls" abgesagt. Zu dessen tatsächlichem Ausmaß gibt es immer mehr Fragen.

Alice Weidel wird häufig beleidigt und beschimpft, sie muss sich sogar die Beleidigung "Nazischlampe" eines TV-Satireformats gefallen lassen. Auch Bedrohungen muss die polarisierende AfD-Politikerin öfter lesen und deshalb ist meist Personenschutz an ihrer Seite. Am Dienstag hieß es nun aus ihrem Umfeld sogar, dass ein möglicher Anschlag auf sie geplant gewesen sein soll. Schweizer Medien berichteten von einer Sondereinheit, die in ihrem Schweizer Wohnort im Einsatz gewesen war.

Recherchen von t-online rücken manche dieser Angaben nun in ein anderes Licht. Einerseits sagte Alice Weidel wegen "eines bedrohlichen Vorfalls in ihrem Schweizer Wohnort" einen Auftritt in Deutschland zum Tag der Deutschen Einheit ab. Andererseits wohnte ihre Familie in der Woche nach dem Vorfall weiter in dem Schweizer Ort und ihre Kinder gingen dort weiterhin in die Bildungseinrichtungen. Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft gibt es zudem kein Ermittlungsverfahren.

Die Absage: Öffentlich bekannt wurde der Fall, weil Alice Weidel am 3. Oktober ihre Teilnahme an einer AfD-Veranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit absagte: Sie erschien nicht im einst geteilten Ort Mödlareuth an der Grenze zwischen Thüringen und Bayern, ein Besuch, der lange geplant war: Schon am 17. September schrieb der örtliche Thüringer Abgeordnete: "Alice Weidel kommt zum Tag der Deutschen Einheit in den Saale-Orla-Kreis!" Am 26. September legte Tobias Peterka von der verantwortlichen AfD Oberfranken eine Veranstaltung auf Facebook an. Zu diesem Zeitpunkt hatte es den "sicherheitsrelevanten Vorfall" bereits gegeben, der später zur Absage führte. Er hatte sich am 23. September ereignet.

Mallorca statt Mödlareuth

Details wurden am 26. September besprochen, der sächsische AfD-Kreisverband Vogtland informierte: "Der Auftritt von Alice Weidel ist für ca. 14 Uhr geplant." Die AfD Bayern warb am Samstag, dem 30. September, mit einem Bild von ihr. Zu dem Zeitpunkt dürfte Weidel bereits in Urlaubsvorbereitungen gewesen sein: Denn sie reiste nach Mallorca und ließ Mödlareuth aus. Die Besucher der AfD-Veranstaltung erfuhren das erst vor Ort, selbst lokale AfD-Funktionäre gingen bis zwei Stunden vor dem geplanten Auftritt davon aus, dass sie kommt. Sie wurde dann zugeschaltet: "Ich würde nichts lieber tun, als heute bei euch zu sein, aber ich kann es leider nicht", sagte sie den Besuchern.

Der angegebene Grund: Auf der Bühne in Mödlareuth las der AfD-Bezirksvorsitzende Tobias Peterka von seinem Handy eine vorbereitete Erklärung ab: Weidel und ihre Familie seien von Sicherheitsbehörden aus ihrer privaten Wohnung an einen sicheren Ort verbracht worden, da sich Hinweise verdichtet hätten, die auf einen Anschlag auf ihre Familie hindeuteten. Peterka erklärte dann in seinen eigenen Worten: "Wir haben es jetzt gerade erfahren. Sie darf nicht aus diesem Safehouse raus, sie muss untergetaucht bleiben bis auf Weiteres." Das war ganz offensichtlich falsch.

Der Anlass: Der "sicherheitsrelevante Vorfall", der Grund für ihre Absage war, ereignete sich bereits am 23. September: An diesem Tag gab es einen Polizeieinsatz in der ländlichen 16.000-Einwohner-Gemeinde Einsiedeln in der Schweiz, wo Alice Weidel mit ihrer ursprünglich aus Sri Lanka stammenden Frau und zwei Kindern lebt. Weidels Sprecher Daniel Tapp sprach von einem "für die gesamte Familie sehr aufrührenden Ereignis". Die Kantonspolizei macht zu dem Einsatz keine weiteren Angaben.

Sondereinheit der Polizei im Einsatz?

Der Sender TeleZüri berichtete bisher exklusiv, an neuralgischen Punkten habe es Kontrollen gegeben und die Sondereinheit "Luchs" sei an dem Tag im Einsatz gewesen. Die ist einerseits für besonders gefährliche Missionen zuständig, andererseits hat sie etwa auch die Sicherheit von Brasiliens Nationalmannschaft beim Schweiz-Aufenthalt während der WM 2006* sichergestellt. Die Kantonspolizei will zu den eingesetzten Kräften nichts sagen.

Wegen des Vorfalls wird laut Staatsanwaltschaft Schwyz kein Ermittlungsverfahren geführt. Das schließt zwar nicht völlig aus, dass es bei der Polizei eines gibt, das nach zwei Wochen noch nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde. Die Kantonspolizei beantwortet eine Frage dazu nicht. Weidels Sprecher Tapp antwortete t-online ausweichend auf die Frage, ob Weidel Anzeige erstattet habe: "Es laufen derzeit Ermittlungen, deren Stand ich Ihnen aber nicht mitteilen kann."

Die Folgen: Weidels Sprecher gibt an, dass die Familie an dem Tag des Vorfalls an einen sicheren Ort gebracht wurde, wo sie sich bis zum Folgetag, dem 24. September, aufgehalten habe. Seit Montag, 2. Oktober, gibt es in dem Kanton Schulferien, die Familie nutzte das zu einer Reise nach Mallorca. Von dort meldete sich Weidel mit der Videobotschaft ihrer Absage; an dem Tag wurde sie dem "Spiegel" zufolge in einem Strandrestaurant an der Ostküste gesehen. Weidels Sprecher sagte, nach dem "aufrührenden Ereignis" sei die Familie der Empfehlung gefolgt, "einige Zeit ihrer häuslichen Umgebung fernzubleiben, welche ein mutmaßliches Anschlagsziel war".

Doch zwischen Vorfall und Abschalten in Mallorca lagen noch mehrere Tage: Weidel reiste zur Sitzungswoche des Bundestags nach Berlin. Ihre Lebensgefährtin und die Kinder kehrten am Sonntag wieder in die Wohnung zurück. Nach Informationen von t-online besuchten die beiden Kinder in der Woche ihre Bildungseinrichtungen auch ohne Polizeibegleitung. Die Kinder liefen demnach den gewohnten Weg zur Einrichtung und zum Bus und zurück. Weidels Sprecher teilte t-online auf die Frage danach lediglich mit: "In der Woche darauf gab es für den Wohnort eine erhöhte Polizeiaufmerksamkeit." Die Schweizer Kantonspolizei wollte das gegenüber t-online nicht dementieren oder bestätigen.

BKA an Absage nicht beteiligt

Die Sicherheitsempfehlung: Weidels Umfeld sprach davon, die Sicherheitsbehörden hätten geraten, wegen der Gefahrenlage die Teilnahme an der Veranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit abzusagen. Klar ist aber: Das für den Personenschutz von Politikerinnen und Politikern zuständige deutsche Bundeskriminalamt erteilte diesen Rat nicht: Die Absage von Weidels Teilnahme an der Veranstaltung in Mödlareuth sei "nicht auf Veranlassung oder Empfehlung des BKA" erfolgt, heißt es dort.

Die Schweizer Behörden machen dazu keine Angaben. Die Schweizer Polizei kann aber auch schlecht beurteilen und Empfehlungen dazu abgeben, ob aus Sicherheitsgründen eine Teilnahme an einer von der deutschen Polizei geschützten Veranstaltung in Deutschland abgesagt werden sollte.

Ob sich die Behörden über den Vorfall ausgetauscht haben, sagen beide Stellen nicht. Das BKA erklärte auf t-online-Anfrage, man stehe bezüglich Schutzpersonen regelmäßig mit Sicherheitsbehörden anderer Länder in Kontakt und Austausch. Deutsche Personenschützer begleiten gefährdete Personen zwar auf kurze Reisen ins Ausland, sind aber nicht für im Ausland lebende Deutsche tätig. Sie haben dort auch keine hoheitlichen Rechte, es ist "originäre Aufgabe des hoheitstragenden Staates", wie es aus BKA-Kreisen heißt

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Zurück in der Öffentlichkeit: Weidels Sprecher bestätigte, dass die AfD-Bundesvorsitzende beim Wahlkampfendspurt in Hessen am kommenden Samstag auftreten werde. Sie ist für das Finale am Samstagabend in Wiesbaden angekündigt. Weidels Sprecher wollte nicht beantworten, ob sich die Sicherheitslage entspannt hat. "Wir sind im ständigen Austausch mit dem BKA. Die Attacke auf Tino Chrupalla wird bei der Betrachtung der Sicherheitslage auch eine Rolle spielen." Nachdem Weidels Co-Vorsitzender bei einer Veranstaltung in Ingolstadt am Mittwoch mit gesundheitlichen Problemen in ein Krankenhaus gebracht werden musste, spricht die AfD von einem "tätlichen Vorfall". Laut Polizei gibt es bisher aber keine Hinweise auf einen Angriff. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Körperverletzung.

*Wir hatten an dieser Stelle versehentlich 2016 geschrieben. Die WM war 2006.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfragen an Alice Weidels Sprecher, Staatsanwaltschaft Schwyz, Kantonspolizei Schwyz, Bundeskriminalamt, AfD Bayern
  • telezueri.de: An ihrem Wohnort im Kanton Schwyz war sogar die Sonderkommission
  • spiegel.de: Bedrohte AfD-Chefin Weidel machte Urlaub auf Mallorca
  • youtube.com: Alice Weidel spricht im Safehouse Deutschland-Fest in Mödlareuth
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