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Bürgermeister von Tröglitz tritt wegen Nazis zurück


"Da müssen alle Alarmglocken schrillen"
Nazis treiben Bürgermeister aus dem Amt

Von dpa
Aktualisiert am 10.03.2015Lesedauer: 3 Min.
Kein Schutz vor Nazis: Lokalpolitiker Markus Nierth kritisiert die BehördenVergrößern des BildesKein Schutz vor Nazis: Lokalpolitiker Markus Nierth kritisiert die Behörden (Quelle: dpa-bilder)
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Der Rücktritt eines ehrenamtlichen Bürgermeisters in Tröglitz in Sachsen-Anhalt schlägt immer höhere Wellen. Markus Nierth nahm seinen Hut, weil er sich von den Behörden im Stich gelassen fühlte: Nazis wollten vor seinem Haus demonstrieren, weil der 46-Jährige plante, Asylsuchende in dem kleinen Ort aufzunehmen. "Wir wurden zur Zielscheibe", sagte Nierth. Er fürchtete um die Sicherheit seiner Familie. Nun reagierten auch Bundespolitiker auf den Rücktritt.

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der "Berliner Zeitung": "Wenn sich in unserer rechtsstaatlichen Demokratie ein gewählter Bürgermeister vor einem braunen Mob nicht mehr geschützt sieht, müssen alle Alarmglocken schrillen." Politik und Zivilgesellschaft müssten klar Position beziehen. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", der Fall des ehrenamtlichen Lokalpolitikers Markus Nierth in Tröglitz bewege sie.


Sie verstehe die Sorge, die sich Nierth um sich und seine Familie mache, sagte sie. "Und ich verstehe die Verzweiflung, die Nierth angesichts der Untätigkeit der Behörden verspürt hat, die offenbar zu wenig getan haben gegen die rechtsextremistischen Umtriebe in dem Ort." Es könne nicht angehen, dass jemand zurücktreten muss, weil er sich für Minderheiten engagiert und Neonazis in den Weg gestellt hat.

Der parteilose Bürgermeister war zurückgetreten, weil Rechtsextreme vor seinem Wohnhaus demonstrieren wollten - und er sich vom Landkreis und der Nachbarschaft, aber auch den Parteien alleingelassen sah. Die Rechtsextremen wenden sich gegen die geplante Unterbringung der rund 40 Flüchtlingen in dem Ort. Der Kreistag beschloss das Vorhaben jetzt aber trotzdem.

Nierth betonte, er sei nicht aus Angst und Druck vor Rechtsradikalen zurückgetreten: "Mir fehlte der gesellschaftliche Mindestschutz. Darüber bin ich enttäuscht. Der Landkreis hat es nicht geschafft, die Demonstration vor dem Haus meiner Familie zu verhindern." Seit mehreren Wochen wurde in Tröglitz ähnlich wie bei Pegida in Dresden demonstriert. Am Anfang waren unter den 90 Demonstranten noch etwa 60 Tröglitzer, besorgte Bürger, so Nierth. Die NPD habe zum Schluss viele Unterstützer mit Bussen herangekarrt.

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Unter diesen Umständen kann sich Nierth nicht vorstellen, weiterzumachen. "Ich liebe mein Tröglitz. Aber es fehlt der Rückhalt aus der anständigen Menge." Bislang fühle er sich als alleinrotierender Motor, an dessen Seite eine Handvoll Leute seien, die mitzögen. Die Menschen müssten aufstehen und aktiver werden, forderte Nierth. Von den politischen Parteien fühle er sich alleingelassen. Außerdem fehlte ihm die Rechtssicherheit, dass sein privates Wohnhaus geschützt wird. "Ich wäre nicht zurückgetreten, wenn ich die Rechtssicherheit gehabt hätte. Ich als kleiner Ortsbürgermeister bin geopfert worden", sagte Nierth.

Nierths Rückzug ist aus Sicht der Amadeu Antonio Stiftung eine "Katastrophe für die lokale Demokratie". Der Fall aus dem Burgenlandkreis zeige, dass es vielerorts noch immer keine tragende Zivilgesellschaft gebe - allen Anti-Pegida-Aktionen und ähnlichen Erfolgen der jüngsten Zeit zum Trotz, sagte die Stiftungs-Vorstandsvorsitzende Anetta Kahane. "Es zeigt sich, wie dünn die Decke ist."

Dass Nierth keine Unterstützung erfahren habe, sei "unerträglich" und eine "Bankrotterklärung", sagte Kahane. Der Ort brauche nun massive Unterstützung vonseiten der Landesregierung.

Land will Ehrenamtliche besser schützen

Sachsen-Anhalt will ehrenamtliche Bürgermeister nun besser schützen. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) will anordnen, dass die zuständigen Landkreise und kreisfreien Städte Demonstrationen vor den Häusern ehrenamtlicher Politiker verbieten. Bislang gibt es in der Frage laut Stahlknecht allein zu hauptamtlichen Politikern Rechtsprechungen. Diese müssten Demonstrationen in Sicht- und Hörweite zu ihrem Wohnhaus ertragen. Inwieweit das aber auch für Ehrenamtliche gelte, die keine Letztentscheider seien, müssten Gerichte erst noch prüfen.

Markus Nierth (46) ist Theologe. Fünfeinhalb Jahre war er ehrenamtlicher Ortsbürgermeister von Tröglitz. Die 2800-Einwohner-Ortschaft gehört zur Gemeinde Elsteraue im Burgenlandkreis im Dreiländereck Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen. Nierth ist verheiratet und hat in seiner Patchwork-Familie sieben Kinder. Seine Frau betreibt eine Tanzschule im Ort, Nierth selbst arbeitet als freiberuflicher Trauerredner.

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