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Dreikönigstreffen: Die alte FDP erfindet sich wieder neu


Dreikönigstreffen
Die FDP kann nicht erklären, was sie sein will

Von Jonas Schaible, Stuttgart

06.01.2018Lesedauer: 3 Min.
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FDP-Chef Christian Lindner: Beim Dreikönigstreffen stellte die FDP ihr neues Motto vor – "Eine neue Generation Deutschland".Vergrößern des Bildes
FDP-Chef Christian Lindner: Beim Dreikönigstreffen stellte die FDP ihr neues Motto vor – "Eine neue Generation Deutschland". (Quelle: Christoph Schmidt/dpa)

Beim Dreikönigstreffen bemüht sich die FDP, alle Vorwürfe zu zerstreuen, sie flirte mit dem Nationalismus. Was aber will sie? Und warum verschweigt sie eine ganz bestimmte Wahl?

Die Dreikönigskundgebung der FDP in der Stuttgarter Oper ist sorgsam choreographiert. Die ersten Sätze der Eröffnung des baden-württembergischen FDP-Chefs Michael Theurer und Christian Lindners Schlusswort greifen ineinander, binden die drei Stunden zusammen und transportieren eine eindeutige Botschaft: Die FDP ist liberal, europafreundlich, tolerant, und gegen jeden Nationalismus.

Gleich zu Beginn geißelt Theurer Antisemitismus, den jüngsten rassistischen Tweet des AfD-Abgeordneten Jens Maier und die angedachten Gängelungen von Flüchtlingen durch die neue österreichische Regierung. Und er verweist auf die lange Geschichte der FDP. Das liberale Dreikönigstreffen reiche immerhin bis ins Jahr 1866 zurück.

Lindner, der Schlussredner, greift diese Motive Theurers wieder auf: „Andere sprechen verächtlich über die so genannten Altparteien. Wir sind stolz, eine Traditionspartei zu sein.“

Es ist eine Absage an die Flirts mit dem Nationalliberalismus, ohne freilich zuzugeben, dass je geflirtet wurde.

Lindners Worte kämen auf jedem Kirchentag gut an

Während CSU-Spitzenpolitiker in diesen Tagen mit Elitenkritik experimentieren, eine neue "konservative Revolution" ausrufen und die "finalen Lösung der Flüchtlingsfrage" suchen, redet die FDP leise und unaufgeregt. Von Witzen über das Aussehen von Peter Altmaier und der Grünen Claudia Roth und Anton Hofreiter abgesehen, klingen selbst die Angriffe auf politische Gegner hart, aber fair. Beim Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag Hans-Ulrich Rülke sogar beinahe kunstvoll.

Im Saal sitzen dazu junge Liberale mit bunten Gesichtern – sie haben sich die Europa-Flaggen aufgemalt. Vor der Veranstaltung sangen sie noch die Europahymne. Ähnlich salbungsvoll klingt Lindner, als er die Werte der Partei zusammenfasst: "Es sind der Wunsch nach Selbstverantwortung und die Bereitschaft zum eigenen, unabhängigen Urteil, die Schaffensfreude und die Offenheit für Veränderung, die Neugier auf neue Technologien und die Toleranz gegenüber anderen." Worte, die auf jedem Kirchentag gut ankämen.

Womit klar ist, was die FDP nicht sein will. Jedenfalls im Moment, wer weiß schon, wie lange die momentane Laune anhält. Aber was will die neue FDP dann sein?

Daran, das verständlich zu machen, scheitern alle Redner.

Landtagswahl in Niedersachen? War was?

Erstes Beispiel, die geplatzten Jamaika-Verhandlungen. Mal lag es an Merkels Führungsschwäche, an den Grünen, an Winfried Kretschmann, an Digitalisierung oder Bildung oder Europapolitik. Eine widerspruchsfreie Begründung gelingt den Liberalen auch heute nicht. Zwischendurch behauptet Lindner sogar, Jürgen Trittin sei der "eigentliche Verhandlungsführer" der Grünen gewesen. Nicht einmal er selbst dürfte sich das glauben.

Zweites Beispiel, die Bereitschaft für Koalitionen. Man koaliere überall dort, wo ein Politikwechsel möglich sei, sagt Lindner, wie in Schleswig-Holstein (Jamaika), Nordrhein-Westfalen (Schwarz-Gelb) und Rheinland-Pfalz (Ampel). Und man regiere nicht, wo kein Politikwechsel möglich sei, wie in Baden-Württemberg und im Bund. Die Erzählung klingt aber nur deshalb plausibel, weil sich alle Redner darüber ausschweigen, dass auch in Niedersachsen gewählt wurde. Dort wäre eine Ampel möglich gewesen, die SPD war zu weitreichenden Konzessionen bereit – die FDP verweigerte sich von Beginn an. Warum, kann bis heute niemand erklären.

Drittes Beispiel, die programmatische Rede Nicola Beers, die als Generalsekretärin eine Reflexion ankündigt, "woher wir kamen und wo wir stehen". Die Überschrift, das neue Motto der neuen FDP, das sie wieder und wieder und wieder einwirft: "Eine neue Generation für Deutschland."

Wie eine Parodie auf die alte FDP

Rülke hatte zuvor spöttisch über die grün-schwarze Landesregierung gesagt: Manche Leute müsse man nicht parodieren, es genüge, wenn man sie zitiere. Beers Rede klingt nun wie eine Parodie auf die FDP, zusammengeschnitten aus Versatzstücken alter Reden.

Mutiger werden. Neugierig. Entscheidungswilliger sein. Mut. Perspektivwechsel. Unbequem sein. Bohrende Fragen stellen. Verkrustete Strukturen. Politik dient dem Menschen. Land der Entdecker und Erfinder. Chancen schaffen. Anders machen. Potentiale entfesseln. Mit anpacken. Stillstand. Verantwortung. Freiheit. Mut. Optimismus. Hidden Champions. Querbürsten. Gegen Zwangskollektive. Anpacken. Verantwortungsgesellschaft. Neues Denken.

Müsste man aus all dem ein Fazit ziehen, es lautete wohl so: Eine nationalliberale FDP wäre neu gewesen, aber auch abenteuerlich. Die FDP, die sich davon verabschiedet, ruht in sich, ist aber die alte FDP. Sie behauptet nur inbrünstig, sie sei ganz anders.

Quelle:
- Eigene Recherche

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