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AfD-Parteitag endet mit "Trauma": Heftiger Streit über Björn Höckes Europa-Resolution


Veranstaltung abgebrochen
AfD-Parteitag endet mit "Trauma"

  • Annika Leister
Von Annika Leister, Riesa

Aktualisiert am 20.06.2022Lesedauer: 3 Min.
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Tino Chrupalla auf der Bühne mit den Ländervorsitzenden: Zu einigen Diskussionen kam es nicht mehr.Vergrößern des Bildes
Tino Chrupalla auf der Bühne mit den Ländervorsitzenden: Zu einigen Diskussionen kam es nicht mehr. (Quelle: Sebastian Kahnert/dpa-bilder)

Der Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke bringt einen Antrag auf dem Parteitag ein – der spaltet die Delegierten. Die neue Doppelspitze werde bereits einen Tag nach ihrer Wahl "demontiert", so ein Abgeordneter.

Die AfD hat ihren Parteitag in Riesa vorzeitig beendet – in heftigem Streit. Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung über eine Europa-Resolution, die vom Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke eingebracht worden war. 55 Prozent der Delegierten sprachen sich für die Beendigung des Parteitages aus, 44 dagegen. Es gab zwei Enthaltungen.

In der Resolution von Höcke wird unter anderem die "Auflösung der EU und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft" gefordert. Stattdessen solle ein "Staatenbund souveräner und eigenverantwortlicher Nationen" gegründet werden. "Wir halten das für geboten, weil wir das wahre Europa wertschätzen und erhalten wollen", heißt es weiter. In dem fünfseitigen Papier ist außerdem von "Globalisten" die Rede, denen die Nationalstaaten ein Dorn im Auge seien – eine gerne von Verschwörungstheoretikern gebrauchte Formel.

Höcke: EU-Resolution als Weiterentwicklung des "Dexit"

Der Text der Resolution weckte bei nicht wenigen im Saal Erinnerungen an den April vergangenen Jahres, als die AfD in Dresden den "Dexit", also den Austritt Deutschlands aus der EU, als Forderung in ihr Programm für die Bundestagswahl aufnahm. Die Hardliner setzten sich durch, im Wahlkampf wurden die vergleichsweise Gemäßigteren immer wieder darauf angesprochen.

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Auf dem Parteitag in Riesa warb der Thüringer Fraktionschef Höcke am Sonntag dafür, die EU-Resolution anzunehmen – als eine Weiterentwicklung der "Dexit"-Forderung. Damit solle nun dem Vorwurf entgegengetreten werden, die AfD sei "nur gegen etwas", sagte Höcke mit Blick auf den Beschluss für einen deutschen EU-Austritt vom vergangenen Jahr. Dieser Vorwurf sei nach dem Entscheid in Dresden oft gekommen. Daher hätten die Antragsteller eine "Vision von unserem Europa entworfen", so Höcke.

Weidel kritisiert "unspezifische Sätze, die sehr wulstig klingen"

Die neue Doppelspitze aus Alice Weidel und Tino Chrupalla plädierte dafür, den Text in der vorliegenden Form nicht zu beschließen. Weidel sagte in ihrer Intervention, die Resolution mit dem Titel "Europa neu denken" gehe insgesamt in die richtige Richtung, sei sprachlich aber "nicht sonderlich gelungen". Der Text enthalte "sehr unspezifische Sätze, die sehr wulstig klingen".

Mehr als ein Dutzend Anträge wurden zu dem Papier gestellt: auf Änderung, auf Ablehnung, auf Überweisung in andere Gremien, auf Unterbrechung, auf eine Intervention des Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland, damit der zur Menge spreche.

Der Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk kritisierte, die neue Doppelspitze werde bereits einen Tag nach ihrer Wahl "demontiert". Er forderte früh in der Debatte den Abbruch des Parteitages; ein entsprechender Antrag scheiterte äußerst knapp.

"Sprachlich gruselig und inhaltlich toxisch"

Ein Delegierter nannte den Antrag "sprachlich gruselig und inhaltlich toxisch". Ein anderer warnte vor "Schaden für die Partei", da darin nur von einem "Ukraine-Konflikt" und nicht von Krieg die Rede sei. Dies sei im Westen Deutschlands nicht zu vermitteln.

Da der Parteitag nicht zu einer einvernehmlichen Haltung zu kommen schien, ergriff nach einer Weile auch Chrupalla das Wort. Da ein knappes Abstimmungsergebnis bei einem solch wichtigen Thema nicht gut aussehe, schlug er zunächst vor, die Resolution in den neuen Bundesvorstand zu überweisen. Dieser solle das Papier binnen zwei Wochen mit dem zuständigen Fachausschuss und Europaabgeordneten überarbeiten. Die Delegierten folgten ihm dabei aber zunächst nicht.

Schließlich lenkt Mehrheit ein

Als immer neue Anträge folgten und die Stimmung sich weiter aufheizte, trat Chrupalla noch einmal gemeinsam mit mehreren AfD-Landesvorsitzenden ans Mikrofon. "Gestern wurde hier ein Bundesvorstand gewählt, dieser Vorstand ist dafür zuständig, eine solche Resolution an die Basis zu kommunizieren", sagte er und appelliert: eine Resolution, die nur mit 55 Prozent entschieden werde, sei schwer nach außen zu kommunizieren.

Nach dieser Intervention des alten und neuen Vorsitzenden mit den Landesspitzen im Rücken lenkt die Mehrheit schließlich ein: 56 Prozent der Delegierten stimmen dafür, die Höcke-Resolution an den Bundesvorstand zu überweisen.

Parteitag wird "mit Trauma" beendet

Eigentlich hätten danach noch mehrere Resolutionen und Anträge auf dem Programm gestanden – nicht wenige davon aus dem radikalen Höcke-Lager. Unter anderem sollte es dabei um das Verhältnis zu Russland nach Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine gehen. Außerdem wollte Höcke eine Strukturreform anstoßen, an deren Spitze er sich sah.

Zu diesen Diskussionen aber kam es nicht mehr: Auf Antrag eines Delegierten wird die Veranstaltung schließlich abgebrochen und nur noch die Nationalhymne gesungen. Auch wenn, wie andere Teilnehmer empfehlen, der Parteitag auf keinen Fall mit "diesem Trauma enden" dürfe.

Am Ende singen Chrupalla, der Vorstand und die Delegierten "Einigkeit und Recht und Freiheit" – selten aber hat die "Einigkeit" weniger zu einem Parteitag gepasst.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort in Riesa
  • Nachrichtenagentur AFP
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