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Corona-Politik in China: "Die Hoffnung auf Lockerungen läuft ins Leere"


Tagesanbruch
Wann sehen wir der Gefahr endlich ins Auge?

MeinungVon Fabian Reinbold

Aktualisiert am 17.10.2022Lesedauer: 5 Min.
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Chinesischer Flugzeugträger Liaoning: Peking fährt einen aggressiven Kurs des Nationalismus und der Aufrüstung.Vergrößern des Bildes
Chinesischer Flugzeugträger Liaoning: Peking fährt einen aggressiven Kurs des Nationalismus und der Aufrüstung. (Quelle: Defense Ministry of Japan/reuters)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

beginnen wir diesen Montag mit einem positiven Satz – die Zeiten sind schließlich düster genug. Lassen Sie es mich also so ausdrücken: Diese Woche bietet uns eine große Chance.

Die kommenden Tage eignen sich ausgezeichnet dafür, endlich eines der wichtigsten Themen in den Blick zu nehmen, vor dem wir in Deutschland gern die Augen verschließen.

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Es geht um eine große Täuschung, der wir erlegen sind. Eine Entwicklung, in der wir uns selbst tief in die Abhängigkeit und wahrscheinlich in die Erpressbarkeit manövriert haben. Bevor Sie nun abwinken, weil wir doch seit Monaten sehr wohl viel über solche Dinge sprechen, lassen Sie mich die Sache klarstellen: Es geht mir nicht um Russland. Nein, es geht um ein größeres Problem. Es trägt den Namen China.

An Wladimir Putins Russland hat Deutschland bekanntlich seine Energieversorgung ausgegliedert. Das war schlimm und wir erleiden nun die Folgen. Doch an Xi Jinpings China haben wir uns nicht nur in einem Bereich gekettet – die Verstrickung ist viel komplexer. Wir brauchen die Märkte, die Rohstoffe, die Zwischenprodukte. Ein Großteil unseres Wirtschaftswachstums und der Bestand mehrerer zentraler Industriebranchen sind an China geknüpft. Was das für ein China unter Herrn Xi ist, das wird uns in dieser Woche vorgeführt.

In Peking hat sich die KP Chinas zu ihrem Parteitag versammelt, der nur alle fünf Jahre stattfindet. Statt wie früher oftmals eine Staffelübergabe zu bewerkstelligen, ist dieses Mammuttreffen mit 2.300 Delegierten im Jahre 2022 in erster Linie dazu da, Xi Jinping noch mehr Macht zu übertragen.

Eigentlich ist das kaum möglich. Der 69-Jährige hat bereits so viel Einfluss wie zuletzt Mao Tse-tung und bereits das Sagen in Partei, Militär und Staat (das ist die Reihenfolge in China). Doch nun wird er nicht nur zu einer dritten Amtszeit gewählt. Der größere Plan lautet, Xi lebenslang die Macht zu sichern.

Überraschungen? Ausgeschlossen. Der Ablauf des Parteitags ist bis ins letzte Detail geplant – selbst der Tee wird nach einstudierter Choreografie serviert.

Das hat unangenehme Folgen für uns und die ganze Welt. Ähnlich wie bei Putin haben sich viele deutsche Politiker und Wirtschaftsbosse Illusionen über Xi gemacht, nachdem dieser 2012 die Spitzenämter übernommen hatte. Einen Reformer haben sie ihn genannt, einen Moderaten. Doch Xi ist das ziemliche Gegenteil davon.

Xi Jinping schottet sein Land ab, lädt Rhetorik und Politik mit aggressivem Nationalismus auf, und ersetzt in der Außenpolitik eine Tradition der Zurückhaltung durch Rücksichtslosigkeit und rapide Aufrüstung. Zum Auftakt des Parteitags drohte er Taiwan erneut mit militärischem Eingreifen – unter donnerndem Applaus.

Die Überwachung ist seit Langem so berüchtigt wie maßlos. Der Machthaber in Peking hat zudem sein Land einer erbarmungslosen Null-Covid-Einsperr-und-Kontrollpolitik unterworfen: Es reichen ein paar positive Tests, um Städte abzuriegeln und Millionen in den Lockdown zu schicken. Auf dem Parteitag lobte Xi seinen Kurs nun auch noch – die Hoffnung auf Lockerungen läuft ins Leere.

Xi hat der Welt gezeigt, dass anders als bei seinen Vorgängern im Zweifel die wirtschaftliche Entwicklung Machtpolitik und Ideologie unterworfen wird. Das sogenannte Xi-Jinping-Denken ist schon in der Verfassung verankert und wird seit Kurzem auch in Chinas Grundschulen gelehrt.

Ausgerechnet an diesen zunehmend unsicheren chinesischen Markt hat sich die deutsche Wirtschaft gekettet. Autobauer wie VW oder Mercedes machen längst rund 40 Prozent ihres Umsatzes in der Volksrepublik. Die Volkswagen-Chefetage findet es unproblematisch, eine Fabrik in der brutal unterdrückten Uiguren-Provinz Xinjiang zu betreiben. Der Chemieriese BASF ließ gerade erst ein Riesenwerk im südchinesischen Zhangjiang aus dem Boden stampfen.

Natürlich: Das Versprechen auf große Profite bleibt durch günstige Produktion und einen gigantischen Markt von 1,4 Milliarden Chinesen verlockend. Aber die Konzerne müssen die Warnzeichen aus dem zunehmend totalitären China schleunigst ernster nehmen.

Viele mittelständische Unternehmen und die Bundesregierung scheinen zumindest einen Schritt weiter – es gibt erste Anzeichen für eine Zeitenwende in der China-Politik.

Das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck verweigerte mehreren Unternehmen Bürgschaften für neue Großinvestitionen in der Volksrepublik. Im Auswärtigen Amt lässt Annalena Baerbock erstmals überhaupt eine China-Strategie erarbeiten. Was daraus wirklich folgt, muss sich noch zeigen.

Einen ersten Eindruck erhalten wir, wenn Olaf Scholz im November nach Peking reist. Zuletzt warnte der Kanzler wieder vor einer zu starken Entkopplung vom chinesischen Markt. Meint er es wirklich ernst mit der China-Zeitenwende?

Ich hoffe, dass viele Politiker, Wirtschaftsbosse, Bürgerinnen und Bürger in dieser Woche ganz genau nach Peking schauen. Es soll später niemand behaupten, man hätte von den Gefahren der neuen Zeit in China nichts geahnt.


Was steht an?

Hallo, liebe Ampel, es reicht jetzt!

Finden sie heute endlich den Kompromiss? Der Streit um einen begrenzten Weiterbetrieb von Atomkraftwerken beschäftigt die Ampelkoalition schon seit Wochen – und in den vergangenen sieben Tagen in der eskalierten Form besonders stark. Auch ein Dreiergipfel im Kanzleramt brachte am Sonntag keinen Durchbruch, heute gehen die Treffen im Regierungsviertel weiter. Sehr geehrte Herren Scholz, Habeck und Lindner, bitte kommen Sie zum Punkt – es gibt noch andere Probleme, die Ihre Aufmerksamkeit verdienen!

Willkommen, Herr Botschafter!

Heute wird der neue ukrainische Botschafter in Berlin erwartet. Der bisherige Amtsinhaber, Andrij Melnyk, hat Deutschland am Wochenende verlassen – auf der Fahrt gab er meinem Kollegen Carl Exner noch ein letztes Interview. Der neue Mann aus Kiew heißt Oleksij Makejew, ist Karrierediplomat, so alt wie Melnyk und twittert ebenso gern, allerdings in ganz anderem Ton – und der macht in der Diplomatie bekanntlich die Musik. Die Themen, die Melnyk mit aller Inbrunst zur Sprache gebracht hat, werden jedoch dieselben bleiben.

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Besser am Boden bleiben

Die Piloten der Eurowings haben um Mitternacht ihren zweiten Streik binnen weniger Wochen begonnen. Die Lufthansa-Tochter geht davon aus, dass an den Streiktagen Montag bis Mittwoch immerhin gut die Hälfte der 400 täglichen Flüge abheben kann. Die Reisepläne von vielen Zehntausend Passagieren dürften jedoch durchkreuzt werden.


Was lesen?

Zwischen bürgernaher Politik und Populismus liegt manchmal nur ein schmaler Grat. Hubert Aiwanger, stellvertretender Ministerpräsident Bayerns und glühender Winnetou-Fan, will auf ihm balancieren – und seine "Freien Wähler" in der Energiekrise zwischen Union und AfD positionieren. Unser Politikreporter Tim Kummert hat ihn begleitet.

Droht uns im Winter ein großer Blackout? Unwahrscheinlich, sagt die Chefin des großen deutschen Energieverbands. "Es kann aber zu Situationen kommen, in denen regional kurzfristig abgeschaltet werden muss." Mehr im Interview meiner Kolleginnen Frederike Holewik und Theresa Crysmann.

Die Grünen haben eine überraschende neue Rolle gefunden. Diesen Eindruck hat unser Reporter Johannes Bebermeier vom Parteitag in Bonn mitgebracht.


Was amüsiert mich?

Die Zeiten sind hart, keine Frage. Umso schöner, wenn ein Parteichef die ganzen Probleme kurz beiseiteschiebt und seiner Partei als DJ kräftig einheizt.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche – auch mit solchen Momenten der Leichtigkeit. Morgen schreibt meine Kollegin Annika Leister den Tagesanbruch.

Ihr

Fabian Reinbold
Politischer Korrespondent

Twitter @fabreinbold

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Mit Material von dpa.

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