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Drohnen-Angriffe in Kiew: Putins neue Terror-Waffe –Dank Freunde aus dem Iran


Tagesanbruch
Putins neue Freunde

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 18.10.2022Lesedauer: 6 Min.
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Russischer Kriegsherr Putin: Er sucht sich neue Verbündete in der Welt.Vergrößern des Bildes
Russischer Kriegsherr Putin: Er sucht sich neue Verbündete in der Welt. (Quelle: Klimentyev/Russian Presidential Press and Information Office/TASS/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

die Aufnahmen aus Kiew, die am Montag unter anderem ein ZDF-Team sendete, sind schwer auszuhalten: Drohnen kreisen über der ukrainischen Hauptstadt, sinken und explodieren mitten auf den Straßen.

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Nach Rückschlägen für seine Bodentruppen verschärft Putin den Terror gegen die Ukraine auf Distanz. Ein zentrales Mittel dabei: Drohnen, die im Schwarm ausgesendet und durch "Kamikaze"-Flüge als billige Alternative für Raketen eingesetzt werden. Allein 37 Drohnen seien seit Sonntagabend abgefangen worden, meldet das ukrainische Militär.

Die Drohnen stammen aber offenbar nicht aus russischer Produktion, sondern aus dem Iran. Diesen Vorwurf erheben westliche Geheimdienste und die ukrainische Führung bereits seit Wochen. Das Mullah-Regime in Teheran dementiert. Doch auch Experten ziehen nach der Sichtung von Bildmaterial den Schluss, dass es sich bei den todbringenden Fluggeräten wohl um iranische Drohnen des Typs HESA Shahed 136 handelt, die umlackiert und mit dem russischen Schriftzug "Geran-2" versehen werden.

Es wäre nicht die erste Kooperation zwischen dem Iran und Russland, seit der Kreml Krieg gegen die Ukraine führt. Denn während der Westen von Putin abgerückt ist, schmiegt sich das Regime in Teheran immer näher an ihn an. So entsteht ein neues, gefährliches Bündnis – mit potenziell gravierenden Folgen für Europa. Und die Zusammenarbeit reicht bereits weit:

Seine erste Reise außerhalb des postsowjetischen Raums seit Kriegsbeginn führte Putin im Juli nach Teheran. Dort besprach er unter anderem den Ausbau des Internationalen Nord-Süd-Transitkorridors (INSTC). Das Megaprojekt wird geführt von Russland, Iran und Indien und soll über Land- und Seeweg russische Exporte nach Asien ermöglichen – schneller und günstiger als beispielsweise durch den Suezkanal.

Zugleich vereinbarte Russlands staatlicher Energiekonzern Gazprom eine Kooperation mit seinem iranischen Pendant. Der Iran nämlich zählt zu den Ländern mit den größten Ölreserven der Welt. Wo bisher Sanktionen des Westens eine technische Aufrüstung und eine volle Förderung der Öl- und Gasfelder verhinderten, will Putin in nächster Zeit mit 40 Milliarden Dollar nachhelfen.

Im August dann brachte eine russische Rakete einen iranischen Satelliten ins All, der, so befürchten westliche Geheimdienste, Russland im Krieg gegen die Ukraine helfen könnte, und auch dem Iran das Ausspähen von Angriffszielen in Israel und dem Mittleren Osten erleichtert.

Und nun soll das Mullah-Regime nicht bloß Hunderte Drohnen geliefert, sondern Putin in einem heimlichen Deal auch Raketen zugesagt haben, wie die "Washington Post" berichtet. Putin braucht diesen Nachschub dringend, denn Moskaus Verschleiß ist enorm und nach ukrainischen Angaben laufen die Arsenale langsam leer.

Es sind Kooperationen in den drei wichtigen Sektoren Infrastruktur, Energie und Militär, die den Iran und Russland über Jahre aneinanderschweißen könnten. Sie taugen zum einen dazu, Sanktionen der USA und der EU zu umgehen, und könnten – verläuft die Zusammenarbeit stabil – den beiden Staaten im Energiekrieg gegen den Westen weltweit die Kontrolle über die Preise für fossile Brennstoffe verschaffen.

Dem Westen bleibt wenig, um dagegen vorzugehen. Am Montag haben die EU-Außenminister neue Sanktionen gezielt gegen Akteure der iranischen Sittenpolizei und anderer Behörden im Land verhängt, weil die gerade Demonstrantinnen und Demonstranten auf den eigenen Straßen zusammenschießen und verhaften lassen. Der Iran aber ist sanktionserprobt, auch hier kann Putin von seinem neuen Partner lernen.

Dennoch ist das Ziehen von roten Linien gerade im Umgang mit Terrorstaaten essenziell. Und besonders die Taten der Bundesregierung haben hier Gewicht – nach wie vor ist Deutschland der größte Handelspartner des Iran in der EU.

Die von der EU angekündigte Untersuchung zu der Frage, ob und welche Waffen Teheran an Moskau liefert, muss deswegen oberste Priorität erhalten. Sollte sich der Verdacht bestätigen, muss die Antwort eindeutig sein: Keine Deals mehr mit dem Iran – das gilt auch für das Atomabkommen, das gegenwärtig neu verhandelt wird. Denn was ist die Versicherung, keine Atombombe zu bauen, aus dem Munde von solchen Verhandlungspartnern schon wert?

Am Ende trägt die neue Stufe der Gewalt, die Putin derzeit gegen die Ukrainer und Irans Machthaber gegen ihr eigenes Volk anwenden, aber auch einen Hoffnungsschimmer mit sich. Sie zeigt, wie sehr beide Führungen unter Druck stehen, andere Optionen erschöpft sind – und dass ihr Ende näher sein könnte als gedacht.


Scholz greift durch im AKW-Streit

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Hickhack um den Weiterbetrieb der letzten deutschen Atommeiler am Montagabend endlich beendet. Per Brief, in dem er auf die Richtlinienkompetenz des Kanzlers zurückgreift, diktiert er den Streitparteien FDP und Grünen nun, wie es laufen soll: Alle drei Atomkraftwerke – Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 – sollen bis "längstens" Mitte April 2023 am Netz bleiben.

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Scholz' Eingreifen war die Rettung im letzten Moment. Denn der Atomausstieg zum Ende dieses Jahres ist eigentlich beschlossene Sache. Gesetzesänderungen sind nun notwendig, über die der Bundestag noch in dieser Woche abstimmen muss.

Die FDP und die Grünen hatten sich in den vergangenen Tagen derart auf ihre Positionen versteift, dass keine Einigung mehr zu erzielen war: Die Grünen wollten nur die beiden süddeutschen Meiler weiterlaufen lassen, die FDP hingegen alle drei – und das auch über den April 2023 hinaus.

Für FDP und Grüne ist es ein Armutszeugnis, dass der Kanzler nun so durchgreifen muss. Und für Scholz keine Auszeichnung, dass ihm als einzige Möglichkeit zur Intervention offenbar nur die Richtlinienkompetenz bleibt, die in Artikel 65 des Grundgesetzes verankert ist. Führung mit Umsicht und Verstand sieht anders aus – auf allen Ebenen.

Am härtesten fällt die Klatsche dabei für die Grünen aus. Die nämlich hatten erst am Wochenende auf ihrem Parteitag per Beschluss die Position im AKW-Streit besiegelt, die der Kanzler nun kippt. Entsprechend schmallippig reagierte die Parteispitze auch am Montagabend – und berief erst mal eine Sondersitzung der Fraktion ein, um zu beraten, "wie wir mit der Entscheidung des Kanzlers umgehen". Wirtschaftsminister Habeck versucht derweil, die Reihen zu schließen.

Scholz' Machtwort dürfte noch lange nicht der letzte Debattenbeitrag zum AKW-Streit sein. Aus der Opposition heraus fordert CDU-Chef Friedrich Merz bereits die Aufladung der Kernkraftwerke mit neuen Brennstäben bis ins Jahr 2024 hinein – eine Forderung auch der FDP, ein Albtraum der Grünen.

Es wäre das Ende vom Atomausstieg, das die Partei um jeden Preis verhindern will. Die Tür dahin ist schon jetzt ein kleines Stück weit geöffnet – und die Grünen werden kämpfen müssen, wollen sie diese in ihrem Sinne wieder schließen.


Was steht an?

Die Internationale Gesundheitskonferenz "World Health Summit" endet in Berlin. Nach Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) werden auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) dort sprechen.

Zurück zur Maskenpflicht in Innenräumen? Der Berliner Senat berät über diese Frage und einen entsprechenden Vorschlag von Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne). Offen ist, ob dazu ein Beschluss fällt.

In Frankfurt startet der Prozess gegen Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Ihm wird Vorteilsannahme vorgeworfen. Im Wahlkampf 2018 soll die Arbeiterwohlfahrt (Awo) ihn durch das Akquirieren von Spenden unterstützt haben, Feldmann soll dem Verein dafür seine Gunst zugesagt haben.

Regierungswechsel in Schweden: Am Montag schon wurde der Konservative Ulf Kristersson zum neuen schwedischen Ministerpräsidenten gewählt, am Dienstagvormittag wird er sein Kabinett präsentieren.

Das Europäische Parlament stimmt in Straßburg über den Beitritt von Bulgarien und Rumänien zum Schengen-Abkommen ab. Außerdem stehen Debatten zu den sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine auf der vorläufigen Agenda.


Was lesen?

Als Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist Kerstin Andreae so nah dran am Beben der deutschen Gaskrise wie wenige andere. Im Interview erzählt sie, welche Folgen sie für Verbraucher kommen sieht und warum sie soziale Verwerfungen fürchtet.

Solarkraft aus dem All? Ende November entscheiden die Wissenschaftsminister der EU über ein Projekt, das klingt, als wäre es nicht von dieser Welt. Meine Kolleginnen Theresa Crysmann und Jule Damaske erklären, ob das funktionieren kann.


Was amüsiert mich?

Die Vorteile von flexiblen Laufzeiten im Privaten:

Ich wünsche Ihnen einen wundervollen Dienstag. Morgen begleitet Sie mein Kollege David Schafbuch in den Tag.

Herzlichst,

Ihre

Annika Leister
Redakteurin Politik
Twitter: @AnnLei1

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Mit Material von dpa.

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