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Deutschlands Top-Ansagerin: "Ich finde meine Stimme schrecklich"


Deutschlands Top-Ansagerin
"Ich finde meine Stimme schrecklich"

dpa, Von Valentin Gensch

31.10.2015Lesedauer: 3 Min.
Sprecherin Ingrid Metz-Neun und der Ort, wo sie oft zu hören ist: die Straßenbahn.Vergrößern des BildesSprecherin Ingrid Metz-Neun und der Ort, wo sie oft zu hören ist: die Straßenbahn. (Quelle: dpa-bilder)
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Sie hat wohl eine der meistgehörten Stimmen Deutschlands - kann sich aber selbst nicht hören: Ingrid Metz-Neun hat Tausende Haltestellen-Ansagen für Busse und Bahnen im ganzen Land vertont, ist auf Navigationsgeräten und Anrufbeantwortern, an Flughäfen und auf Bahnhöfen zu hören. Aber: "Ich finde meine Stimme schrecklich", sagte die heute 65-Jährige.

Sie gehört zu den bekanntesten Frauen in Deutschland - doch kaum jemand kennt ihr Gesicht. "Nächster Halt: Hauptbahnhof" - seit fast vier Jahrzehnten spricht die 65-Jährige in ihrem Tonstudio in Offenbach am Main die Namen von Haltestellen ein. Ihre Stimme erschallt dann in Bussen und Bahnen quer durch die Republik, etwa in Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Magdeburg, Rostock und streckenweise auch in der Berliner U-Bahn.

Dazu dürften nach ihrer Schätzung noch etwa drei Dutzend weitere deutschsprachige Städte kommen. "In wie vielen - das weiß so genau niemand", sagt Metz-Neun. Straßen, Plätze oder Wohngebiete vertont sie meist, ohne den dazugehörigen Ort zu kennen.

Von ihren Auftraggebern bekommt die Sprecherin eine Liste mit Haltestellen, die es möglichst freundlich betont einzusprechen gilt. "Das ist furchtbar dröge", findet Metz-Neun. "Besonders schrecklich ist es, nach Hunderten eingesprochenen Straßennamen noch freundlich zu bleiben", sagt sie lachend.

Das empfindet Sprecher-Kollege Ingo Ruff ganz anders. Ihn langweilt das Einsprechen der Ortsnamen nicht. Der 50-Jährige ist die Ansagestimme in den Regionalzügen und vielen S-Bahnen der Deutschen Bahn. "Etwa 6000 Ansagen habe ich bisher gesprochen - und es macht immer noch Spaß", sagt Ruff.

Täglich kündigt er im Schnitt rund fünf Millionen Fahrgästen den nächsten Halt an. Ins Tonstudio für neue Ansagen muss Ruff zum Fahrplanwechsel der Bahn im Frühjahr und Herbst. "Zwischen 50 und 300 neue Haltestellen muss ich zweimal pro Jahr einsprechen - je nachdem was anfällt", sagt Ruff, der mit seiner eigenen Stimme im Gegensatz zu seiner Kollegin keine Probleme hat.

"Eine Ansage muss etwa drei- bis viermal eingesprochen werden, bis sie wirklich sitzt", erklärt Ruff. Danach wird die Aufnahme im Tonstudio optimal abgemischt, so dass die Fahrgäste die Ansagen auch bei lauten Zuggeräuschen während der Fahrt gut verstehen können. Bei einer Tochterfirma der Bahn werden die Audio-Dateien für die Regionalzüge programmiert und archiviert. Es kann schon mal einige Zeit vergehen, bis die neue Ansage im Zug auch tatsächlich zu hören ist, sagt der Sprecher.

Ein Problem, das man etwa bei der Freiburger Verkehrs AG (VAG) kennt. "Bei kurzfristigen Umleitungen, beispielsweise durch Baustellen, brauchen wir möglichst schnell eine neue Ansage", sagt Klaus Funke, bei der VAG zuständig für die Verkehrsplanung. Das Unternehmen behilft sich deswegen seit einigen Jahren mit einem Vorlese-Automaten - einer Computersoftware, die Texte vorliest.

Zwar klingt die Computer-Stimme etwas blechern und abgehackt. Auch die Betonung der Haltestellen stimmt nicht immer. "Trotzdem werden wir unseren eigentlichen Sprecher mittelfristig ablösen müssen", kündigt VAG-Planer Funke an. In einigen Jahren soll deshalb in Straßenbahnen und Bussen in Freiburg nicht mehr die Stimme eines Schauspielers zu hören sein, sondern eine künstliche.

Damit liegt die VAG ansagetechnisch im Trend: Immer mehr deutsche Verkehrsbetriebe setzen auf Computer-Stimmen - vor allem die großen Unternehmen, wie der Sprecher vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Lars Wagner, weiß.

Die Vorlese-Automaten stammen zum Beispiel von der Firma Linguatec in München, die sich als Marktführer in Deutschland bezeichnet. Bundesweit setzen inzwischen fast 50 Nahverkehrsunternehmen die elektronische Sprachausgabe ein, berichtet Linguatec-Sprecherin Brigitte Schindler. In U-Bahnen, Straßenbahnen oder Bussen in Berlin, Hamburg, Köln und München ist das sogenannte Text-to-Speech-System bereits zu hören.

Auch die Deutsche Bahn setzt auf das System - jedoch mit der Stimme von Ingo Ruff. "Ich musste tagelang irgendwelche Silben ohne Zusammenhang einsprechen", berichtet Bahn-Ansager Ruff. Aus den einzelnen Wortfetzen lassen sich am Computer Ansagen zusammenfügen.

Bisher sei das Text-to-Speech-System nur in bestimmten Zugtypen einsetzbar, sagt eine Sprecherin der Bahn. Ob irgendwann nur noch Computer-Stimmen zu hören sein werden, ließ die Sprecherin offen. "Es ist die kostengünstigere Variante", weiß Ruff, fügt aber hinzu: "Meine echte Stimme gefällt mir besser. Sie erzeugt mehr Vertrauen."

Ingrid Metz-Neuns Stimme in Straßenbahnen und Bussen scheint bei einigen Fahrgästen auch andere Gefühle auszulösen. Über Jahre hinweg hat die Sprecherin Fanpost bekommen. "Der Postbote hat hier kistenweise Post abgeliefert", sagt sie, darunter auch viele Liebesbriefe mit "eindeutigen Angeboten".

Heute komme die Fanpost elektronisch per E-Mail. "Irgendjemand hat mal gesagt, ich könnte mit meiner Stimme streicheln", erzählt die 65-Jährige, die in Offenbach ein eigenes Synchron-Studio betreibt. Ihre Stimme berührt wohl mehr, als die blecherne und abgehackte aus dem Vorlese-Automaten.

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