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Busunglück in Venedig: Forscher klärt über wahrscheinliche Ursachen auf


21 Tote bei Busunglück in Venedig
Experte über Ursache: "Das ist die wahrscheinlichste Variante"


Aktualisiert am 04.10.2023Lesedauer: 3 Min.
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Video zeigt Moment des Unfalls: Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun in dem Fall des Busunglücks. (Quelle: reuters)

Mindestens 21 Menschen sind bei einem Busunfall in Venedig ums Leben gekommen. Unfallforscher Siegfried Brockmann sieht besonders zwei Faktoren, die das Unglück begünstigt haben könnten.

Als "apokalyptische Szene" bezeichnet Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro den folgenschweren Busunfall im Stadtteil Mestre. Mindestens 21 Menschen, darunter der Busfahrer, starben – und das, obwohl das Fahrzeug als "nagelneu" und der Fahrer als erfahrener Mann galt. Mehr dazu lesen Sie hier.

Der Unfallhergang wirft noch Fragen auf: Der Bus hat beim Überqueren einer Brücke sowohl Leitplanke als auch Brüstung durchschlagen und ist dann mehrere Meter in die Tiefe gestürzt. Das Fahrzeug prallte auf unter der Brücke liegende Bahngleise und die Stromleitung. Dort fing der elektrisch betriebene Bus sofort Feuer. Die brennende Batterie hat laut der Feuerwehr die Löscharbeiten erschwert.

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Den Fahrgästen des Busses, der als Shuttle zwischen einem naheliegenden Campingplatz und der Lagunenstadt Venedig unterwegs war, wurden jedoch noch zwei andere Faktoren zum Verhängnis, meint Unfallforscher Siegfried Brockmann.

Was passiert, wenn ein Bus brennt?

"Zum einen fangen die Materialien im Innenraum von Bussen schnell Feuer", sagt der Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV) im Gespräch mit t-online. Die Vorschriften für Busse seien deutlich schlechter als etwa für Bahnen, sagt Brockmann. "Wenn ein Bus brennt, ist es ohnehin sehr schwer, durch die wenigen Ausgänge das Fahrzeug zu verlassen. Die Entwicklung von giftigen Gasen durch Brände an den Innenraummaterialien erschweren das noch zusätzlich. Man hat nur wenige Minuten Zeit."

Hinzu komme jedoch der tiefe Sturz des Busses, erklärt der Unfallforscher. Man könne davon ausgehen, dass viele Passagiere schon durch den Aufprall so schwer verletzt gewesen seien, dass sie es kaum aus eigener Kraft aus dem Fahrzeug heraus geschafft hätten. "Und wenn man dann also hört, dass es teilweise eine Stunde gebraucht hat, dann scheint klar, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit nicht besonders hoch ist", so Brockmann.

Italienische Medien spekulieren über einen Schwächeanfall des Fahrers, der Ursache des Unglücks gewesen sein soll. Möglicherweise sei dem 40-jährigen Busfahrer übel geworden. Jedoch könnte der Mann ebenso am Steuer eingeschlafen sein. Kollegen beschrieben ihn als zuverlässigen Mann mit vielen Jahren Berufserfahrung. Dass auf der Straße offenbar keine Bremsspuren zu erkennen waren, löste weitere Spekulationen aus. Ermittlungen zum Unfallhergang wurden eingeleitet.

UDV-Leiter Siegfried Brockmann: "Einfach schlecht gemacht."
UDV-Leiter Siegfried Brockmann.

Siegfried Brockmann leitet seit 2006 die Unfallforschung der Versicherer (UDV) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft. Der Unfallexperte ist gelernter Kfz-Mechaniker und studierte Politische Wissenschaften in Berlin. Für seine Verdienste um die Verkehrssicherheit erhielt Brockmann bereits mehrere Preise.

War die Brücke nicht gut genug geschützt?

"Ich halte einen medizinischen Notfall für die wahrscheinlichste aller Varianten", sagt Unfallforscher Brockmann. Möglich sei zudem, dass der Fahrer abgelenkt gewesen oder eingeschlafen sei. Die Brücke war sowohl mit Leitplanken als auch einem Gitter als Brüstung ausgestattet gewesen. "Man muss schon in einem entsprechenden Winkel drauffahren, um diese Anlagen zu durchbrechen", gibt er zu bedenken.

Hierbei könnte auch eine Rolle gespielt haben, dass die Brücke schon 70 Jahre alt ist. Der UDV-Chef weist darauf hin, dass Leitplanken unterschiedliche Schutzstufen haben. Es komme aber auch darauf an, wie sicher die Leitplanke in ihrem Fundament steckte. Es handelte sich schließlich nicht um eine Autobahn, für die normalerweise verschärfte Vorschriften gelten würden. "Dann kann es sein, dass die Schutzanlagen relativ leicht zu durchschlagen sind", sagt der Experte.

Gut ausgestattete Busse können Unfälle verhindern

Mit einem modernen und gut ausgerüsteten Bus wäre solch ein Unfall wohl weniger wahrscheinlich gewesen, meint Brockmann. "Denn sie sind mit einem Spurhalteassistenten ausgestattet. Dieser erkennt, dass der Bus die Fahrbahn verlässt und hätte ihn zurück auf die Fahrbahn geschubst. Das hatte das Unfallfahrzeug aber offenbar nicht."

Video | Mehr als 20 Tote bei Busunglück in Venedig
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Quelle: reuters

Der Antrieb des Busses sei laut dem Unfallforscher hingegen nicht unbedingt entscheidend. Lithium-Ionen-Batterien bei reinen Elektrofahrzeugen können im Falle eines Kurzschlusses zwar schnell Feuer fangen, doch auch Dieselbusse können ausbrennen. Brockmann verweist auf ein Busunglück auf der A9 im Jahr 2017, bei dem ein dieselbetriebener Bus nach einem Auffahrunfall ausbrannte.

"Egal, um welche Antriebsart es sich handelt: Es ist immer möglich, dass der Bus Feuer fängt. Dann ist es umso entscheidender, dass im Innenraum feuerhemmende Materialien verbaut sind", sagt Brockmann. "Es kommt auf jede Minute an. Je besser die Materialien, desto höher die Wahrscheinlichkeit, lebend herauszukommen."

Verwendete Quellen
  • Videointerview mit Siegfried Brockmann
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • tagesschau.de: ""Wir verstehen nicht, wie das passieren konnte""
  • sz.de: "Vor fünf Jahren starben 18 Menschen bei Bus-Unglück auf A9"
  • sz.de: "21 Tote bei Busunglück in Venedig"
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