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Amoklauf in Prag: Hinweise zum Motiv des mutmaßlichen Täters bekannt


Amoklauf in Prag
Ein Aspekt macht die Tat besonders heimtückisch

Von Tobias Eßer

Aktualisiert am 22.12.2023Lesedauer: 4 Min.
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Prag: Aufnahmen sollen den Täter zeigen, in einem Video ist auch ein Schuss zu hören. (Quelle: t-online)

Ein junger Mann hat an der Universität von Prag 14 Menschen getötet und viele weitere verletzt. Sein Motiv ist noch unklar – es gibt allerdings erste Hinweise.

Kurz vor Weihnachten hat ein Amoklauf an der Karls-Universität von Prag weltweite Bestürzung ausgelöst. 14 Menschen starben am Donnerstag, viele weitere wurden verletzt – einige von ihnen schweben noch in Lebensgefahr. Nur wenige Stunden nach der Tat präsentierten die tschechischen Behörden einen Hauptverdächtigen: den 24-jährigen Studenten David K.

Der mutmaßliche Täter kann den Behörden die Gründe für seine Tat nicht mehr nennen. David K. ist tot. Bereits kurz nach der Tat teilte die Polizei auf dem Kurznachrichtendienst X mit, dass der Schütze "eliminiert" sei. Wie die Beamten später bekannt gaben, habe er Suizid begangen. Das bestätigten sie am Freitag in einer Pressekonferenz. Demnach habe er sich auf dem Dach des Gebäudes selbst getötet, nachdem er gesehen habe, wie "die Polizei ihn aus allen Richtungen" umzingelte. Das berichtet die BBC.

Mutmaßlicher Täter betrieb wohl Telegram-Kanal

Die Frage nach dem Motiv des Täters ist noch nicht abschließend geklärt. Was treibt einen Menschen dazu, 14 Menschen hinzurichten? Erste Hinweise liefert ein russischsprachiger Kanal auf dem Messaging-Dienst Telegram, den der Hauptverdächtige David K. am 9. Dezember eröffnet haben soll. Er bezeichnet den Kanal in einer Nachricht als sein "Tagebuch, in dem ich über mein Leben vor der Tat berichten werde".

Anfangs war der Kanal wohl nicht öffentlich einsehbar gewesen. In einer Nachricht wird dies damit begründet, dass der mutmaßliche Täter erfahren habe, dass es "besser" sei, den Kanal erst kurz vor der Tat zu öffnen. Mittlerweile seien auch einige Nachrichten gelöscht, berichtet die "Bild"-Zeitung.

Das Manifest des Täters, die längste Nachricht im Telegram-Kanal, ist allerdings noch online einsehbar. Dort erklärt David K., er sei in seinem Leben immer nur "von allen gehasst" worden. Er fügt hinzu: "Das ist mir scheißegal, weil es auf Gegenseitigkeit beruht." In einer weiteren Nachricht heißt es: "Ich hasse die Welt und möchte so viel Schaden anrichten wie möglich". Später erklärt er: "Ich wollte immer töten."

Laut einer Hypothese der Polizei hat David K. bei seinem Amoklauf nicht zum ersten Mal getötet. Denn die Fahndung nach dem 24-Jährigen begann nach Angaben von Polizeichef Martin Vondrášek bereits vor dem Schusswaffenangriff, als der Vater des Mannes in der Ortschaft Hostouň westlich von Prag tot aufgefunden wurde. Der Schütze habe sich danach auf den Weg in die tschechische Hauptstadt gemacht und gesagt, er wolle sich selbst töten, fuhr Vondrášek fort. Die Beamten vermuten, dass der Schütze seinen Vater getötet hat.

Und auch mit einem weiteren grausamen Doppelmord bringt die Polizei David K. in Verbindung: Ein Vater und seine Tochter im frühen Säuglingsalter waren vor einer Woche in einem Waldstück am Prager Stadtrand scheinbar grundlos erschossen worden. Der Fall hatte in Tschechien Entsetzen ausgelöst.

Amokläufer als Inspiration

Als Inspiration nennt David K. in der längsten Nachricht auf seinem Telegram-Kanal eine Frau namens Alina Afanaskina. Die 14-jährige Russin hatte bei einem Amoklauf in der russischen Stadt Brjansk am 7. Dezember zwei Mitschülerinnen in ihrer Schule erschossen und fünf weitere verletzt. Nach ihrer Tat tötete sich Afanaskina schließlich selbst.

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In der gleichen Nachricht bezieht sich David K. außerdem positiv auf Ilnaz G. – einen weiteren russischen Amokläufer. G. hatte am 11. Mai 2021 an einem Gymnasium in der russischen Großstadt Kasan neun Menschen getötet und 23 weitere verletzt. Ein wesentlicher Unterschied zu Afanaskina und mutmaßlich auch zu David K. ist, dass sich Ilnaz G. nach seiner Tat nicht selbst tötete. Vor Gericht bekannte er sich schuldig und wurde zu einer langen Haftstrafe verurteilt.

Mutmaßlicher Täter durfte Waffen besitzen

Für seine Tat nutzte der Hauptverdächtige mutmaßlich ein Sturmgewehr vom Typ AR-15, berichtet die tschechische Tageszeitung "Lidové noviny". Mehrere Waffenexperten hätten die Tatwaffe identifiziert. Wie Ondřej Moravčík, Sprecher der Polizei in Prag, in einer Pressekonferenz am Donnerstagabend erklärte, habe David K. das Gewehr legal besessen. In seiner Vergangenheit sei er unauffällig gewesen, es habe keine Hinweise auf die Vorbereitung des Amoklaufs gegeben.

Das Gewehr soll allerdings nicht die einzige Waffe des Täters gewesen sein, erklärte Moravčík der Presse. "Er hatte viele Waffen – insbesondere solche, die auch mehrere Armeen benutzen", so der Sprecher. Allerdings habe er für alle Waffen eine Erlaubnis gehabt.

Recht auf Waffenbesitz steht in der Verfassung

Möglich macht den Waffenbesitz das liberale Waffengesetz in Tschechien. Seit 2021 ist "das Recht, sein Leben oder das Leben eines anderen Menschen mit der Waffe zu verteidigen" sogar Teil der tschechischen Verfassung. Um einen Waffenschein zu bekommen, muss man sich von einem Arzt die persönliche Eignung zum Führen einer Waffe bescheinigen lassen und bei der ausstellenden Behörde beweisen, dass man nicht wegen unerlaubten Waffenbesitzes vorbestraft ist.

Außerdem wird mit einem Test geprüft, ob der Antragssteller übermäßig viel Alkohol oder sonstige Drogen konsumiert. Besteht man alle drei Teile dieser Eignungsprüfung, bekommt man einen Waffenschein und kann Waffen und Zubehör in entsprechenden Läden kaufen.

Experte: Das macht die Tat so heimtückisch

Einen weiteren Aspekt der Tat erklärt der Waffensachverständige Lars Winkelsdorf auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). Im Gegensatz zu klassischen Amoktaten habe der Täter in Prag seine Opfer auch aus großer Distanz getötet. Winkelsdorf vermutet, dass die maximale Schussdistanz etwa 400 Meter betragen habe – der Täter müsse also ein geübter Schütze gewesen sein.

Winkelsdorf zieht Parallelen zu einem Amoklauf in den Vereinigten Staaten im Jahr 1966, als ein ehemaliger Elitesoldat von einem Uhrenturm aus mit einem Gewehr auf seine Opfer schoss. Auf David K. müsse Erfahrung im Umgang mit Waffen gehabt haben, um so viele Menschen zu töten.

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Besonders perfide sei die Tat gewesen, weil der Schütze an seiner Position von Mauern umgeben gewesen sei. Der Schall seiner Schüsse sei von den umliegenden Wänden zurückgeworfen worden, erklärt Winkelsdorf. Das mache die Ortung der Schüsse schwierig. Die hohe Zahl der Opfer interpretiert der Experte so, dass einige Opfer "falsche Fluchtrichtungen" genommen hätten, um sich vor dem Schützen in Sicherheit zu bringen. "Solche Effekte machen derartige Taten so heimtückisch", schreibt der Waffensachverständige.

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