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Alarm in Spanien: Verliert Barcelona die Kontrolle über das Coronavirus?


Alarm in Spanien
Verliert Barcelona die Kontrolle über das Virus?

Von Nathalie Rippich

30.07.2020Lesedauer: 4 Min.
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Eine Gruppe junger Menschen, dicht gedrängt an einem Strand in Barcelona: Die Corona-Zahlen in Spanien steigen, besonders in der Region Katalonien.Vergrößern des Bildes
Eine Gruppe junger Menschen, dicht gedrängt an einem Strand in Barcelona: Die Corona-Zahlen in Spanien steigen, besonders in der Region Katalonien. (Quelle: ZUMA Wire/imago-images-bilder)

Die Zahl der Corona-Infektionen in Spanien steigt heftig an. Betroffen sind vor allem beliebte Reiseziele wie Barcelona. Medien und Politiker kritisieren, die Stadt verliere die Kontrolle – schuld soll vor allem eine Gruppe sein.

Volle Strände und am Abend Party: In Barcelona und entlang der Costa Brava, der "wilden Küste", entsteht dieser Tage der Eindruck, die Corona-Pandemie sei überstanden und es gebe Grund zu feiern. Aber der Schein trügt: Die Infektionszahlen in Spanien steigen in die Höhe, die Neuinfektionen haben sich zeitweise verdreifacht. Der größte Hotspot? Barcelona!

Mehr als 280.500 Menschen haben sich in dem 47-Millionen-Einwohner-Land bisher offiziell mit dem Coronavirus infiziert. Allein in der Region Katalonien werden mittlerweile täglich wieder mehr als 700 Neuinfektionen gezählt, im ganzen Land sind es mittlerweile wieder über 1.000. Der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner kratzt in Spanien an der 50 – dann gilt ein Land nach den deutschen Richtlinien offiziell als Risikogebiet.

Viele Spanier gehen offenbar von zweitem Lockdown aus

Und trotzdem wird gefeiert. Warum? Jorge Blanco, Soziologe an der Universität von Madrid, erklärte im spanischen Fernsehen, dass viele Spanier ohnehin davon ausgehen würden, dass es zu einer zweiten Welle kommen werde. "Von daher wollen die Leute so viel mitnehmen wie möglich."


Denn die Spanier lebten von Mitte März bis Ende Juni in einem strengen Lockdown. Auf die Straße durfte nur, wer einen triftigen Grund hatte, beispielsweise zum Einkaufen oder zum Arzt gehen musste. Die meisten Geschäfte wurden dichtgemacht, das Angebot im öffentlichen Personennahverkehr wurde um bis zu 50 Prozent zurückgefahren. Die Straßen in den sonst quirligen Metropolen Madrid und Barcelona waren wie ausgestorben.

Barcelonerin: Ein Problem ist die Mobilität im Sommer

Raquel Vallejo Agelet lebt in Barcelona. Sie betont, dass der Großteil der Barceloner sich an die Regeln halten und alles Nötige tun würde, um eine zweite Welle und damit einen zweiten Lockdown zu verhindern. "Hier, wie überall in Spanien, haben viele Menschen Angst vor dem Virus. Viele gehen immer noch nur aus dem Haus, wenn sie wirklich müssen", sagt sie. Es stimme, dass auch Leute ohne Masken unterwegs seien und Partys feierten. "Aber das passiert nicht nur in Barcelona, sondern auch in Madrid. Und viele Touristen kommen ins Land – ohne sich und andere zu schützen. Das ist hier genauso ein Problem wie anderswo."

Vallejo Agelet ist sich sicher, dass eine zweite Welle kommen wird. "Ich glaube, sie ist nahe", sagt die 31-Jährige. "Ich habe zurzeit keine Angst vor einer Infektion, weil ich nicht viel rausgehe. Aber ich bin Lehrerin und im September geht die Schule wieder los", berichtet sie. Ihre Familie hingegen sei sehr besorgt, besonders ihre Eltern, die 66 beziehungsweise 68 Jahre alt seien. "Ein großes Problem ist die Mobilität vieler Spanier im Sommer. Viele fahren in ihre Sommerhäuser und in den Urlaub und verbreiten die Krankheit so."

Die spanische Wirtschaft ächzt unter der Corona-Krise

Den Spaniern, bekannt als geselliges Volk, das viel gemeinsame Zeit an der frischen Luft oder in Bars und Restaurants verbringt, schmeckte der monatelange Lockdown gar nicht. Die Wirtschaft, auch vor der Corona-Krise schon angeschlagen, litt extrem. Das Bruttoinlandsprodukt wird nach IWF-Prognose in diesem Jahr um zwölf Prozent einbrechen. Stand jetzt haben wohl mehr als eine Million Menschen ihren Job verloren. Viele davon arbeiteten im Tourismus.

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Und genau der ist jetzt erneut gefährdet. Nach Corona-Ausbrüchen auf Mallorcas Partymeilen wurde dort die Reißleine gezogen – Clubs, Bars, Restaurants und viele kleine Geschäfte mussten erneut dichtmachen. Frankreich, Belgien, Norwegen und Großbritannien haben Reisewarnungen oder eine Quarantänepflicht für Rückkehrer aus Spanien ausgesprochen. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik rät von Reisen in die spanische Region Katalonien, in der auch Barcelona und die Costa Brava liegen, sowie nach Aragón und Navarra ab.

Vallejo Agelet berichtet von Menschen, die seit März kein Einkommen haben. "Die meisten haben auch keine Rücklagen, sie leben jetzt von Spenden." Die Corona-Pandemie sei für Spanien ein "wirtschaftliches Desaster", sagt sie. "Wir versuchen, die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Ein zweiter Lockdown wäre eine Katastrophe – auch für die Psyche der Menschen", warnt sie.

Viele Ausbrüche lassen sich auf Familienfeiern und Partys zurückführen

Die Hälfte der aktuellen Corona-Ausbrüche in Spanien führen die Gesundheitsbehörden des Landes auf Familienfeiern oder Partys zurück. Oft seien dabei viel Alkohol und Leichtsinnigkeit im Spiel, die Hygieneregeln schnell vergessen. Nicht umsonst warnt Spaniens Star-Epidemiologe Fernando Simón speziell die Jugend des Landes: "Ihr bringt euch nicht nur selbst in Gefahr, sondern das ganze Land."

Politiker und spanische Medien werfen der Regionalregierung von Katalonien vor, die Situation – vor allem in Barcelona – nicht unter Kontrolle zu haben. Dort wurden die Menschen mittlerweile wieder dazu aufgerufen, das Haus nur zu verlassen, wenn es sein muss. Wenn die Zahlen weiter steigen, würden drastischere Maßnahmen ergriffen, warnte zu Wochenbeginn Regionalpräsident Quim Torra. Außerdem warten auf jene, die bei Partys auf die Hygieneregeln pfeifen, saftige Strafen: Zwischen 3.000 und 15.000 Euro werden dann fällig. Der Anstieg hatte zuletzt durch die Maßnahmen wieder leicht abgenommen, dennoch liegt der sogenannte R-Wert nach wie vor über 1. Deshalb müssten die strengen Maßnahmen unbedingt weiter aufrechterhalten werden, mahnen Wissenschaftler einhellig.

Raquel Vallejo Agelet ärgert sich über die Stigmatisierung der jungen Menschen. Sie betont, dass die Unvernunft einiger keine Altersfrage sei und appelliert auch an Touristen: "Kommt weiter zu uns, aber haltet euch an die Regeln."

Spanien versucht alles, um einen erneuten Komplett-Lockdown des Landes zu verhindern. Der Präsident des katalanischen Unternehmerverbandes, Josep Sánchez Llibre, macht klar, noch mal werde die spanische Wirtschaft das nicht durchstehen. Deshalb zeigen Politiker sich optimistisch und kämpferisch.

Regierungssprecherin María Jesús Montero sagte am Montag: "Wir wollen eine klare Botschaft des Vertrauens in unser Land senden." Man habe ausreichend Vorbereitungen getroffen, um mit dem Virus fertigzuwerden. "Wir sind ein sicheres Reiseziel." Außenministerin Arancha González Laya zeigte sich überzeugt: "Wir tun alles, um Ausbrüche lokal zu begrenzen, und wir schaffen das auch."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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