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Seilbahnunglück in Italien: Empörung über Aufnahmen aus verunglückter Gondel


"Absolut unangebracht"
Empörung über Aufnahmen aus verunglückter Seilbahn

Von t-online, lw

17.06.2021Lesedauer: 3 Min.
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Norditalien: Nach einem Gondelunglück am Lago Maggiore mit 14 Toten sind drei Menschen festgenommen worden. (Quelle: t-online)
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Es sind schockierende Szenen, die die Kamera in der verunglückten Gondel festhielt. Die Aufnahmen wurden nun von italienischen Medien verbreitet. Das sorgt für große Kritik.

Nicht einmal vier Wochen ist es her, dass die Seilbahn auf dem italienischen Berg Mottarone am Lago Maggiore 14 Menschen in den Tod riss. Nun sorgen Aufnahmen, die die letzten 30 Sekunden vor dem Absturz zeigen, für großes Aufsehen. Wie mehrere Medien berichteten, stammt das Video von einer Videoüberwachungsanlage und wurde von den Carabinieri, der italienischen Gendarmerie, veröffentlicht.

Demnach ist zu sehen, wie die Gondel am Pfingstsonntag erst langsam zur Station am Mottarone-Berg unterwegs ist und dann mit hoher Geschwindigkeit zurück Richtung Tal rast. Sie überschlägt sich an einem Seilbahn-Pfeiler und stürzt an einem bewaldeten Hang ab. Zudem sieht man einen Mitarbeiter, der auf die Ankunft der Gondel wartet – und das Unglück dann von der Station aus beobachten muss. Den Berichten zufolge hebt er zunächst den Kopf und schaut verwundert. Dann reißt das Seil und der Mann rennt los, um Hilfe zu rufen.

"Absolut unangebracht"

Bislang waren lediglich Aufnahmen von außen an die Öffentlichkeit gelangt, nun strahlte der Sender Tg3 die Szenen aus, die von den Kameras der Gondel gefilmt wurden. Die Videoaufnahmen hatten Ermittler im Rahmen der Untersuchungen beschlagnahmt. Als sie dann im Fernsehen und auf mehreren Internetseiten zu sehen waren, wurden Proteste laut.

"Als Parlamentarier, als Person, die aus dieser Gegend stammt, und als Privatbürger bin ich über die Veröffentlichung dieser Videos erschüttert", kritisierte der sozialdemokratische Parlamentarier Enrico Borghi. Die ermittelnde Staatsanwältin Olimpia Bossi bezeichnete die Veröffentlichung der Videos durch die Carabinieri als "absolut unangebracht". Sie forderte "gebührenden Respekt für die Opfer und den Schmerz ihrer Familien". Die Aufnahmen hätten eine "sehr starke emotionale Wirkung". "Sie wurden noch nicht einmal den Familien gezeigt, deren Leid nicht noch verschlimmert werden kann und darf", so die Staatsanwältin mehreren Berichten zufolge.

"Hat nichts mit Recht auf Berichterstattung zu tun"

"Ich bin schockiert von der Veröffentlichung des Videos über die Tragödie von Mottarone. (...) Der Anblick dieses Videos hat mich fassungslos gemacht und ich denke, dass es in Bezug auf die Opfer und ihre Familien nicht angemessen war", sagte auch die Bürgermeisterin von Stresa, Marcella Severiono.

Der italienische Senator Ernesto Magorno forderte eine Entschuldigung derer, die die Aufnahmen in Umlauf gebracht hatten, berichtete die Zeitung "Avenire". Die Verbreitung der Bilder von der Tragödie des Mottarone stelle eine Schande dar. Dem müsse ein Ende gesetzt werden.


"Die Bilder von Mottarone zu verbreiten bedeutet, die Erinnerung an die Opfer und den Schmerz ihrer Familien mit Füßen zu treten. Die Spektakularisierung des Todes hat nichts mit dem Recht auf Berichterstattung zu tun. (...) Leider sind wir Zeugen einer Eskalation der Sensationslust in den italienischen Nachrichten. Das Rennen um den Klick oder die zusätzlichen Zuschauer kann keine Rechtfertigung für all dies sein. Und noch weniger kann es im staatlichen Fernsehen sein. Ich fordere jeden auf, dieses Video nicht zu öffnen", so Senatorin und Vizepräsidentin des Außenministeriums Laura Garavin zu "Avenire".

Einsatz bei Seilbahnbauer

Derweil dauern die Ermittlungen zum Unglück mit 14 Toten an. Inzwischen waren die Ermittler am Sitz des Südtiroler Seilbahnbauers Leitner in Sterzing im Einsatz. Das Unternehmen, das für die Wartung der Seilbahnanlage zuständig war, dementierte den Berichten zufolge, dass es sich um eine Durchsuchung gehandelt habe. "Es war keine Durchsuchung, sondern eine Übergabe von der angeforderten Dokumentation", betonte ein Firmensprecher.

"Heute Vormittag haben wir den Ermittlern alle in unserem Besitz befindlichen Unterlagen zur 1970 von der Gesellschaft Piemonte Funivie gebauten Seilbahn Stresa-Mottarone zur Verfügung gestellt. Unser Unternehmen hat vom ersten Tag an volle Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Justiz bei Ermittlungen gezeigt. Dies mit dem festen Bewusstsein, alle Kontrollen und alle Wartungsarbeiten ordentlich durchgeführt zu haben, die vertraglich und gesetzlich vorgeschrieben sind", hieß es in einer Presseaussendung laut der Nachrichtenagentur APA.

Überlebender Junge aus Klinik entlassen

Die Ursache für das Seilbahnunglück war offenbar die absichtliche Abschaltung eines Sicherheitssystems. Familien, junge Paare und zwei Kinder waren ums Leben gekommen. Lediglich ein fünfjähriger Junge überlebte und konnte vor wenigen Tagen das Turiner Krankenhaus verlassen. Sein Zustand hatte sich deutlich verbessert. Er wird weiter psychologisch betreut, weil er seine Eltern, seinen Bruder und seine Urgroßeltern bei dem Unglück verloren hatte.

Die Notbremsen wurden den Ermittlungen zufolge blockiert, weil sie zuvor für Störungen im Bahnbetrieb gesorgt hatten. Ein technischer Leiter steht derzeit unter häuslichem Arrest. Der Seilbahnchef und ein weiterer technischer Leiter kamen wieder frei, was für Kritik gesorgt hatte. Laut Medienberichten wollte die Staatsanwaltschaft diese Entscheidung der Untersuchungsrichterin prüfen lassen. Der italienischen Nachrichtenagentur Ansa zufolge sind die drei Verdächtigen vergangenen Montag vorgeladen worden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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