Tugce-Freundinnen sagen aus: "Ich habe so etwas noch nie gehört"

Mit der Vernehmung mehrerer von Tugces Freundinnen trägt das Landgericht in Darmstadt weitere Puzzleteile der tödlichen Novembernacht in Offenbach zusammen. Übereinstimmend sagten die jungen Frauen aus, der 18 Jahre alte Angeklagte habe mit wüsten Pöbeleien gegen die 22-jährige Studentin angefangen. "Ich habe so etwas noch nie gehört", sagte eine der Zeuginnen.

Sie ist eine der Freundinnen, mit denen Tugce das Schnellrestaurant in Offenbach-Kaiserlei am 15. November vergangenen Jahres besucht hatte und mit ihr auch vor der Toilette war, wo Tugce zwei junge Mädchen gegen Sanel M. in Schutz genommen haben soll. Der "sehr gereizte" Angeklagte und seine Kumpels hätten bereits dort Tugce und ihre Freundinnen angepöbelt, sagte die 21-Jährige am dritten Verhandlungstag. "Es wurden üble Beleidigungen ausgesprochen."

Tugce wehrt sich: "Halt die Fresse"

Eine weitere Freundin (23) erklärte, die Gruppe um Tugce sei "mit Beleidigungen regelrecht bombardiert worden". Tugce und ihre Clique hätten durchaus zurückgepöbelt, aber erst nach einiger Zeit und nachdem sich die Pöbeleien gegen die eigenen Eltern gerichtet hätten. "Halt die Fresse!", habe Tugce geantwortet - durchaus auch aufgebracht, aber nicht so aggressiv wie ihr Kontrahent.

Sanel M. ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Er hatte zum Prozessauftakt den Schlag gegen Tugce eingeräumt und gesagt, dass ihm die Tat leid tue. Wenn er nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, drohen ihm sechs Monate bis zehn Jahre Gefängnis. Sollte er nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden, muss er mindestens drei Jahre in Haft. Das Urteil wird Mitte Juni erwartet.

Auch am vergangenen Prozesstag hatten andere junge Frauen aus Tugces Clique von dem Streit in dem Fast-Food-Restaurant und der anschließenden Eskalation auf dem Parkplatz in der südhessischen Stadt berichtet. Dort hat Sanel M. dann laut eigenem Geständnis und der Aussage mehrerer Zeugen schließlich die junge Frau geschlagen. Bei dem anschließenden Sturz zog sie sich erhebliche Kopfverletzungen zu und fiel ins Koma, aus dem sie nicht wieder erwachte.

"Als ob jemand einen Fernseher aus dem Fenster wirft"

Diesen Schlag des Angeklagten hat die am dritten Prozesstag vernommene Zeugin nach eigener Aussage zwar nicht gesehen, aber gehört. "Das war ein Geräusch so laut, als ob jemand einen Fernseher aus dem Fenster wirft."

Schon nach dem zweiten Prozesstag hatten die Anwälte von Sanel M. auf die sehr ähnlichen Aussagen von Tugces Freundinnen hingewiesen. Sie äußerten den Verdacht, diese Aussagen seien abgesprochen.

Die Zeuginnen erklärten nun übereinstimmend, sich nicht im Detail miteinander über die verhängnisvolle Nacht unterhalten zu haben. Bei gemeinsamen Gesprächen sei es eher um das Schicksal der Lehramtsstudentin aus Gelnhausen gegangen, die an der Uni Gießen studierte. Der Vorsitzende Richter Jens Aßling wies sie allerdings darauf hin, dass es in den Unterlagen über die polizeilichen Vernehmungen deutliche Übereinstimmungen gebe. "Das spricht doch dafür, dass man sich unterhält, bevor man zur Polizei geht." Er zeigte Unverständnis darüber, warum die Freundinnen dies nicht einfach einräumten.

Sanitäter: "Sie war nicht ansprechbar"

Außer den Freundinnen wurde auch ein Rettungsassistent vernommen, der in der Todesnacht mit einem Notarzt herbeigeeilt war. Er sagte, Tugce sei "nicht ansprechbar" gewesen. Die 22-Jährige sei mit Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma in ein Krankenhaus gebracht worden - wo sie dann an ihrem 23. Geburtstag an ihren schweren Verletzungen starb.