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Kongsberg: Wie "Drachenlord" Rainer Winkler zum Verdächtigen gemacht wurde


Medien verbreiten Fälschung
Gegner von deutschem YouTuber erklären ihn zu Norwegen-Attentäter

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 14.10.2021Lesedauer: 3 Min.
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Bogenschütze Rainer Winkler: Mit Szenen aus einem seiner Videos wurde verbreitet, er sei der Attentäter von Kongsberg. Medien fielen darauf herein.Vergrößern des Bildes
Bogenschütze Rainer Winkler: Mit Szenen aus einem seiner Videos wurde verbreitet, er sei der Attentäter von Kongsberg. Medien fielen darauf herein. (Quelle: Screenshot Twitter)

Der YouTuber Rainer Winkler hat seit Langem Feinde. Nun hatte das Folgen wie nie: Sie machten ihn zum Attentäter von Norwegen, und Medien aus aller Welt fielen darauf herein.

Rainer Winkler alias der "Drachenlord" war schon vieles. Als fünffacher Mörder galt er bislang allerdings noch nicht.

Das ist der 32-Jährige auch nicht – selbst wenn die Vermutung am Mittwoch und Donnerstag in einigen Medien in aller Welt zu lesen war: Nach der Gewalttat von Kongsberg in Norwegen wurde der Webvideo-Produzent im Foto als mutmaßlicher Täter präsentiert. Tatsächlich hat dort jedoch ein 37-jähriger Däne mit Pfeil und Bogen gemordet.

Hinter der Falschmeldung steckt der neueste Coup einer Community, die es als Sport ansieht, Winkler zu provozieren. "Haider" nennen sich die Drachenlord-Hasser – das ist die fränkische Aussprache von "Hater". Im 40 Einwohner zählenden Ortsteil Altschauerberg der fränkischen Marktgemeinde Emskirchen lebt Winkler. Auf vielen Kanälen erzählt der YouTuber viel von sich, wütet gern herum und spielt für Videos vor der Kamera auf dem Computer – oder an sich: Drachenlord-Videos gab es auch auf einer Porno-Plattform.

Fragwürdiges "Spiel" läuft seit Jahren

Das sogenannten "Drachengame" läuft seit Jahren: Durch seine provozierende Art und entsprechende Äußerungen hatte Rainer "Drachenlord" Winkler einen Teil des Netzes gegen sich aufgebracht und weiter Öl ins Feuer gegossen. Er provoziert zurück.

Seine Gegner versuchen immer wieder, Winkler mit teils kriminellen Methoden zum Aufgeben zu bewegen. Bei ihm daheim in Altschauerberg wird es regelmäßig laut, weil Winkler sich von ungebetenen Besuchern provozieren lässt. Das hat auch schon zu größeren Polizeieinsätzen geführt, weil sich "Haider" im Ort verabredet hatten.

Der neue – je nach Sichtweise – Höhe- oder Tiefpunkt nahm seinen Anfang am Mittwochabend um 21.28 Uhr, drei Stunden nach der Tat in Kongsberg in Norwegen. Ein Account aus der Szene twitterte als "Breaking News" Screenshots aus einem alten Video, verbunden mit dem vermeintlichen Hinweis: "Der mutmaßliche Täter 'Rainer Winklarson' kündigte die Taten mehrere Tage vorher auf seinem YouTube-Kanal an und führte sogar seine Schießkünste vor." Der Inhaber des Accounts hatte lediglich den Namen Rainer Winkler ins Skandinavische übertragen.

Es ist nicht das erste Mal, dass der YouTuber unmittelbar nach einer Gewalttat in Tweets fälschlicherweise beschuldigt wurde. Ein rumänischer TV-Sender hatte ihn deshalb auch schon einmal als Täter präsentiert.

Mehr Glaubwürdigkeit durch @Terror_Alarm

Dieses Mal bekam die Bezichtigung bei einigen ausländischen Journalisten offenbar deshalb besondere Glaubwürdigkeit, weil auch ein vermeintlich auf Terror-Lagen spezialisierter Twitterer mitmachte. "@Terror_Alarm" hatte sich nicht lange mit einer Prüfung aufgehalten. Bereits um 21.40 Uhr gab er die erfundene Meldung weiter: "The suspect identified as white Norwegian Christian "Rainer Winklarson".

Medien aus vielen europäischen Ländern, aber auch aus Asien, meldeten daraufhin, es gebe einen Verdächtigen und zeigten das gefälschte Bild mit dem erfundenen Namen.

Selbst die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete, es seien Fotos des Täters aufgetaucht, die ihn beim Training mit Pfeil und Bogen zeigten. Ansa schrieb immerhin, der Name Rainer Winklarson sei von der Polizei nicht bestätigt. Eine Rückwärtssuche mit dem Bild hätte schnell klären können, um wen es sich handelt. Entsprechend groß waren Schadenfreude und Spott über Journalisten in der "Haider"-Community.

Viele andere Nutzer in den sozialen Netzwerken reagierten fassungslos, wie mit Winkler umgegangen wird. Dagegen wurde unter "Haidern" spekuliert, Winkler sei einer der wenigen Menschen, dem die Aktion nicht schade.

Das liegt an Winklers fast schon tragischer Situation: Wenn er sich in Videos oder vor seiner Haustür fürchterlich über Attacken aufregt, bringt ihm das entsprechend Aufmerksamkeit. Die Provokationen seiner Gegner und seine Reaktionen darauf sind der Hauptgrund, warum er Zuschauer und auch Spender hat.

Und Winkler sieht in seiner Tätigkeit vor der Kamera Beruf und Berufung: Er wolle doch nur seinen Lebensunterhalt damit bestreiten. Winkler glaubt, mit seinem zweifelhaften Promistatus etwas erreicht zu haben und als Sonderschüler sonst keine andere Einkommensquelle zu finden.

"Drachenlord" muss vor Gericht

Zumindest vorübergehend könnte das "Drachengame" bald jedoch vorbei sein. In wenigen Tagen steht Winkler unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Er war gegenüber spontanen Besuchern ausgerastet und hatte dabei offenbar auch einen "Haider" mit einer Taschenlampe geschlagen. Seine Gegner hatten die Situation gefilmt. Weil Winkler bereits Vorstrafen hat und Sozialstunden nicht abgeleistet hatte, droht ihm nun sogar Haft.

Verhandelt wird nicht im Gebäude des zuständigen Gerichts Neustadt an der Aisch. Aus Sicherheitsgründen wurde der Prozess ins Strafjustizzentrum Nürnberg verlegt. Auch die "Haider" wollen kommen.

Verwendete Quellen
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