t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePanoramaTiere

Tierheime sind überlastet: Kann Hundeführerschein Situation verbessern?


Überlastete Tierheime
"Wir können die Tiere nicht stapeln"


Aktualisiert am 15.02.2024Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Sichergestellte Malteserwelpen in Berlin: Die drei Hunde wurden geretten und vermitteln. Einer von ihnen ist mittlerweile tot.Vergrößern des Bildes
Sichergestellte Malteserwelpen in Berlin: Die drei Hunde wurden geretten und vermitteln. Einer von ihnen ist mittlerweile tot. (Quelle: Tierheim Berlin)

Zu viele Menschen holen sich unüberlegt Haustiere. Das belastet die Tierheime. Nun gibt es Ideen, wie die Situation verbessert werden kann.

Viele Menschen haben sich während der Pandemie Haustiere zugelegt. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen konnten sie sich nicht mit Freunden und Familie treffen, weshalb sie bei Hunden, Katzen oder Kaninchen Trost suchten. Für Tierheime hat dies nun negative Folgen, denn zu viele Tiere werden wieder abgegeben. Steigende Kosten und personelle Probleme verschärfen die Lage. Der Tierschutzbund fordert deswegen ein komplettes Verbot des Onlinehandels mit Tieren. Viele Tiere, die mit ein paar Klicks bestellt werden, verenden später oder landen schnell bei Tierheimen.

Das bestätigt auch Beate Kaminski, Pressereferentin beim Tierheim Berlin. "Wir hatten noch nie eine so lange Warteliste bei Hundeabgaben." Überraschend sei dies jedoch nicht: Schon zu Beginn der Corona-Pandemie habe sich diese Situation abgezeichnet, so Kaminski. Das betreffe neben den Hunden vor allem Kleintiere wie etwa Kaninchen.

Auch Tobias Udave, Sprecher der Tierschutzorganisation Vier Pfoten, sieht die Lage kritisch: "Gerade während der Corona-Pandemie haben sich viele unüberlegt ein Tier zugelegt und wollen es jetzt loswerden [...]". Tiere werden dann einfach "herzlos ausgesetzt" und landen später im Tierheim.

Während es bei behördlich beschlagnahmten Tieren zumindest einen finanziellen Ausgleich für die Tierheime gebe, ist dies bei privaten Abgaben nicht der Fall, erklärt die Tierschutzbeauftragte der Bundesregierung, Ariane Kari.

Illegaler Onlinehandel mit billigen Tieren aus dem Ausland

Der illegale Onlinehandel und schlecht informierte Tierhalter seien dabei die größten Faktoren. Statt Tiere bei seriösen Züchtern oder aus Tierheimen zu holen, werden sie im Internet billig eingekauft. Tiere aus Ländern wie Polen und Rumänien seien im Vergleich deutlich einfacher zu bekommen, erklärt Kaminski. Doch schnell können gerade im Krankheitsfall weitere Kosten dazukommen. So geschehen bei einem Tier, das aus Polen bestellt und nach Berlin geliefert wurde, berichtet Kaminski. Wegen der hohen Behandlungskosten gaben die Besitzer den Hund wieder ab.

Wie der Zustand solcher Tiere ist, sei vor Ankunft in Deutschland oft nicht zu prüfen. So kommt es dazu, dass sie wieder abgegeben werden, etwa indem ein Karton mit Welpen vor dem Tierheim abgelegt wird. So ist es vor wenigen Tagen beim Tierheim Berlin passiert.

In dem Fall hatten die Tiere Glück: Sie seien alle gesund und konnten bereits an neue Halter vermittelt werden, erklärt Kaminski. Andere Tiere trifft es härter. So etwa den Hundewelpen Lulu. Dieser sei während der Pandemie, keine drei Monate alt, schwerkrank in Berlin gefunden worden. Die Rettungsversuche im Tierheim kamen zu spät – Lulu starb.

Ein weiteres Problem: Die Erwartungen an Tiere, vor allem an junge Hunde, seien zu groß: "Die meisten wollen einen Familienhund, mit dem sie kuscheln können, der sechs Stunden alleine zu Hause bleiben kann, dem der Stress einer Großstadt wie Berlin nichts ausmacht und der stubenrein ist", berichtet Kaminski. Das sei jedoch unrealistisch. Hunde würden schließlich nicht gebaut, sondern müssten entsprechend trainiert und erzogen werden. Dafür brauche es jedoch Geduld und Kenntnisse. Wer diese nicht hat, greife dann häufig auf den Online-Tierhandel zurück. "Im Internet brauche ich drei Klicks und der Hund ist da".

Deswegen verweilen die Tiere nun länger als bisher in Tierheimen. Dadurch fehlt es an Platz für neue Tiere. Es gehe dabei nicht nur um genügend Stuben und Boxen. Die Tiere müssten auch zum Tierarzt gebracht werden, Auslauf bekommen und versorgt werden. "Wir können die Tiere nicht stapeln", sagt Kaminski.

Rufe nach Hundeführerschein und Registrierungspflicht

Kaminski wünscht sich einen Hundeführerschein, den jeder Halter vor der Anschaffung machen müsste. Erst dann könne jemand einem Tier dann auch gerecht werden. "Es sollte nicht jeder einfach so einen Welpen kaufen und verkaufen dürfen", sagt sie. Dabei sei es heute leichter an Informationen zu gelangen als noch vor Jahrzehnten. "Es ist ignorant zu sagen: 'Ich wusste das ja nicht'", sagt Kaminski. Potenzielle Hundehalter würden die Tiere auch nicht retten, indem sie diese aus dem Ausland holen. "Sie fördern so die Nachfrage."

Dem pflichtet Tobias Udave von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten bei: "Spontankäufe, gerade bei Hunden, sind Antrieb des illegalen Welpenhandels." Stattdessen sollen Menschen, die sich ein Tier zulegen möchten, in einem Tierheim vor Ort vorbeischauen. Ein Sachkundenachweis, bestenfalls mit praktischer und theoretischer Prüfung, wäre sinnvoll. "Es ist davon auszugehen, dass die Hürden für spontane Anschaffungen durch eine Nachweispflicht erhöht werden können", so Udave.

Auch er wünscht sich deshalb eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht, gerade bei Hunden und Katzen. Diese gebe es in weiten Teilen in Europa bereits. "Deutschland ist eines der wenigen Länder ohne diese Regelung", so Udave. Nur in Estland und Polen fehle sonst noch eine entsprechende Regelung. Diese helfe auch, den illegalen Handel zu bekämpfen. Halter könnten dadurch nachverfolgt werden. Die Organisation selbst bietet ein Meldetool für fragwürdige Angebote an.

Onlinehandelverbot als Lösung?

Das unterstützt auch die Tierschutzbeauftragte des Bundes. So könne der Onlinehandel mit Tieren besser reguliert und illegaler Handel eingeschränkt werden. Und auch sie betont, dass ein Sachkundenachweis helfen würde. In Niedersachsen müssen Hundebesitzerinnen und -besitzer einen solchen bereits seit 2013 erbringen. Der Nachweis führe dazu, dass sie sich bereits vor Anschaffung eines Hundes Gedanken über die Haltung machen. "Das würde Spontankäufen vorbeugen und so den Missständen in den Tierheimen genauso entgegenwirken wie der Qualzucht oder dem illegalen Welpenhandel." Deswegen sei diese Regelung auch auf Bundesebene sinnvoll.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Es seien außerdem bessere Kontrollen durch die Behörden notwendig, so Kaminski. Nur wenn Gesetze entsprechend durchgesetzt werden, haben sie auch eine entscheidende Wirkung. Dafür brauche es aber auch mehr Personal. Dafür seien eben sowohl offline als auch online Kontrollen notwendig, sagt Udave.

Ein komplettes Verbot des Onlinehandels mit Tieren hält Udave nicht für realistisch: "Den Onlinehandel mit Tieren wird man sicherlich nicht unterbinden können." Auch Kari sieht darin nicht die Lösung: "Ich bin davon überzeugt, dass ein umfassendes Verbot des Onlinehandels mit Tieren in der zunehmend digitalisierten Welt nicht umsetzbar ist." Schon jetzt sei es nahezu unmöglich, Angebote in geschlossenen Social-Media-Gruppen zu kontrollieren. Ein Verbot würde die Verschiebung des Onlinehandels in diese geschlossenen Gruppen noch verstärken, so Kari.

Verwendete Quellen
  • Telefon- und E-Mailgespräch mit Beate Kaminski, Tierheim Berlin
  • E-Mailinterview mit Tobias Udave, Tierschutzorganisation Vier Pfoten
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website