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Kulturkampf in der Türkei: "Weiße" gegen "Schwarze"


Krisen & Konflikte
"Weiße" gegen "schwarze" Türken

Von rtr
Aktualisiert am 18.06.2013Lesedauer: 3 Min.
Kulturkampf in der Türkei: Progressive und Konservative demonstrieren beide unter der LandesflaggeVergrößern des BildesKulturkampf in der Türkei: Progressive und Konservative demonstrieren beide unter der Landesflagge (Quelle: AFP-bilder)
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In der Türkei prallen bei den Protesten und Straßenschlachten Welten aufeinander. Dabei versammeln sich Gegner und Anhänger des islamisch-konservativen Ministerpräsidenten Reccep Tayyip Erdogan unter der roten Flagge mit dem weißen Halbmond und bekunden - mehr oder weniger intensiv - ihre Verbundenheit mit dem Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk.

Der errichtete auf den Trümmern des Osmanischen Reichs eine säkulare Republik, ersetzte die arabische durch die lateinische Schrift, förderte europäische Kleidung und gab den Frauen Rechte. Doch abgesehen von den Nationalfarben sind sich "weiße" und "schwarze Türken" spinnefeind.

Gerüst einer neuen Zivilgesellschaft?

"Ich bin erstaunt, dass die auch die türkische Flagge tragen", sagte Ugür Genc auf dem Taksim-Platz, dem Zentrum der Anti-Erdogan-Proteste. "Wir haben dieselbe Flagge, aber das ist es auch schon." An einer Barrikade lehnt eine Frau, auf deren Basecap der Aufdruck "Das ist meine Republik" prangt. Ihr T-Shirt ziert ein Porträt Atatürks.

Sie und ihre Gesinnungsgenossen gehören zu jenen "weißen Türken" - einer bunten Allianz aus Kemalisten, Kurden, Liberalen, Linken, Gewerkschaftern und Schwulen. Sie bilden möglicherweise das Gerüst einer neuen Zivilgesellschaft und sehen die Errungenschaften der Republik durch Erdogan und seine Anhänger bedroht.

"Ich liebe mein Land!"

Doch auch die Anhänger des von seinen Gegnern als autoritär kritisierten Regierungschefs berufen sich auf die Republik. Und die wahren Türken, so sieht es Erdogan, stehen ohnehin auf seiner Seite. "Sind die, die sich am Istanbuler Flughafen, in Adana, Mersin und hier in Ankara zusammenrotten, das Volk?", fragte er am Sonntag auf sechs Versammlung seine Anhänger. Deren Nein war eindeutig. "Ich liebe mein Land", gab eine Erdogan-Anhängerin zu Protokoll. "Wir lassen nicht zu, dass einige Plünderer unser Land und unsere Fahne an sich reißen."

Erdogan schrieb 2002 Geschichte, als er mit seiner von Islamisten, Zentristen und Liberalen getragenen AKP-Partei die Parlamentswahl gewann. Drei Wahlen später war die Türkei nicht wiederzuerkennen. Ein boomendes Gemeinwesen mit Wachstumsraten, von denen die meisten EU-Länder nur träumen können, und das bis dahin allmächtige Militär wurde in die Kasernen verbannt. Dabei hatten die Uniformträger ihnen unpassende zivile Regierung mehrmals per Staatsstreich davongejagt.

Erdogan will den Menschen vorschreiben, was sie trinken sollen

Drei Wahlen später werfen ihm seine Gegner aber auch vor, einen religiös-islamischen Staat errichten zu wollen. Einen Staat, der seinen Bürgern vorschreibt, was sie trinken sollen. Manche Einschränkungen beim Alkoholverkauf sind auch in europäischen Ländern üblich. Aber was dort als Gesundheitsschutz gilt, ist aus Sicht der Erdogan-Gegner eine neue Gängelei. Und nicht nur Amtsstuben und Hochschulen, sondern selbst im Präsidentenpalast ist mittlerweile das seit Atatürk verpönte Kopftuch gang und gäbe. Frau Erdogan geht nie ohne Kopftuch aus dem Haus.

Seine Gegner finden in dem Regierungschef den alten Islamisten Erdogan wieder: Einen Erdogan, der 1999 wegen religiöser Umtriebe ins Gefängnis kam, weil er aus einem Gedicht die Strophe zitiert hatte: "Die Moscheen sind unsere Kasernen/die Kuppeln unsere Helme/die Minarette unsere Bajonette." Heute hält es Erdogan lieber mit dem Dichter Mehmet Akif, der sinngemäß schrieb.: "Ich bin ein Feind der Übeltäter, aber ich liebe ihre Opfer." Wenn er von den Opfern spricht, hat Erdogan Kopftuchträgerinnen im Sinn, denen der säkulare Staat die Hochschulausbildung verweigerte. Der "Übeltäter" ist Erdogans Feind, weil der aus seiner Sicht türkische Werte gering achtet.

Viele europäisch gesinnte Türken vermuten, Erdogan wolle das Land geistig in Richtung Nahen Osten treiben. Ihr Verdacht nährt sich auch aus Ansprachen des Regierungschefs, der zu sagen pflegt: "Ich grüße meine Brüder in Sarajewo, Baku, Beirut, Damaskus, Gaza, Mekka, Medina." Berlin, Paris oder London mit ihren großen türkischen Gemeinden erwähnt er dagegen nicht.

Liebe Leserin, lieber Leser,

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Mit freundlichen Grüßen
Ihre Redaktion von t-online.de

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