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Klitschko über Putin: "Sehr zurückhaltend, sehr höflich"


Ex-Box-Weltmeister
Klitschko über Putin: "Sehr zurückhaltend, sehr höflich"


Aktualisiert am 27.09.2023Lesedauer: 3 Min.
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Wladimir Klitschko bei der Vorstellung seines Buchs "Gestohlene Leben: Die verschleppten Kinder der Ukraine" in Köln (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Wladimir Klitschko bei der Vorstellung seines Buchs "Gestohlene Leben: Die verschleppten Kinder der Ukraine" in Köln (Archivbild). (Quelle: IMAGO)

Wladimir Klitschko darüber, warum er kaum noch russische Freunde hat und was ihm bei einer Begegnung mit Russlands Machthaber Wladimir Putin besonders imponierte.

Wladimir Klitschko blickte am Dienstagabend im ZDF zurück auf über anderthalb Jahre Krieg. In seiner sehr persönlichen Analyse der Lage schilderte der ukrainische Ex-Boxweltmeister bei "Markus Lanz", wie der russische Überfall seine Heimat und sein eigenes Leben verändert habe.

Die Menschen würden sich anpassen, ohne sich an das schreckliche Antlitz des Krieges zu gewöhnen, erklärte der jüngere Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko. Er selbst könne allein anhand der Augen und Gesichter der abgebildeten Menschen erkennen, ob eine Aufnahme aus der Ukraine vor oder nach Beginn der Kampfhandlungen entstanden sei. "Am Tag wirkt das Leben ziemlich normal und nachts hört man Explosionen", ergänzte Klitschko. Auch von einer Begegnung mit Wladimir Putin wusste er zu berichten.

Gäste:

  • Wladimir Klitschko: Ukrainischer Ex-Boxweltmeister
  • Tatjana Kiel, Gründerin der Initiative "#WeAreAllUkrainians"
  • Olivia Kortas, Kiew-Korrespondentin der "Zeit"

Diesen habe er 2011 im Rahmen einer Sportveranstaltung in der russischen Stadt Sotschi getroffen. Er sei damals von der offenen und bodenständigen Art Putins sehr angetan gewesen. Dessen Umfeld habe ebenfalls "sehr zurückhaltend, sehr höflich" gewirkt. Heute wisse er, dass Putin ein versierter Kenner der menschlichen Psyche sei und es verstehe, die Menschen für sich einzunehmen. "Ich war damals überraschend beeindruckt von ihm", gestand Klitschko ein.

Illusionen über die Absichten des russischen Präsidenten macht der Ukrainer sich aber nach eigener Aussage schon lange nicht mehr. Putin werde weiter provozieren, angreifen und an seinem Plan der Wiederherstellung eines russischen Imperiums arbeiten. Würde die Ukraine fallen, wären die baltischen Staaten und Polen als Nächstes dran, zeigte sich der Ex-Athlet überzeugt.

Viele russische Freunde verloren

Von den russischen Freunden, die er einst gehabt habe, seien ihm wahrscheinlich zehn Prozent geblieben, schätzte Klitschko: "Die 90 Prozent, die melden sich nicht mehr. Die haben erklärt, sie verstehen, warum Putin angegriffen hat." Diese Menschen seien ganz auf Putins Propaganda von der nazistischen Ukraine und ihren bösen westlichen Unterstützern hereingefallen, stellte der Ukrainer resigniert fest.

Dass sich die Kriegsziele Putins seit dem Einmarsch seiner Truppen in Teilen der Ukraine nicht geändert hätten, bekräftigte Olivia Kortas. Es gehe ihm um die Zerstörung und Auslöschung der ukrainischen Nation sowie den Sturz der ukrainischen Regierung, erklärte die "Zeit"-Journalistin. Von Kiew, ihrem Hauptstandort, berichtete die Auslandskorrespondentin, dass die Leute noch mal intensiver als zuvor leben würden.

Wenn man sich aber der Front nähere oder in wieder befreite Gebiete komme, könne man gut beobachten, wie ein normales Leben nicht mehr möglich sei, "weil die Menschen einander misstrauen, weil die Nachbarn sich gegenseitig verraten haben". Dennoch seien die Ukrainer kein gebrochenes Volk, auch wenn sie manchmal den Eindruck habe, dass man in Deutschland genau das hören wolle, so Kortas.

Zu den besonders perfiden russischen Verbrechen in diesem Krieg zählen die Verschleppungen ukrainischer Kinder und Jugendlicher, um die es im zweiten Teil der Sendung ging. Tatjana Kiel, die Gründerin der Initiative "#WeAreAllUkrainians", warf Russland vor, systematisch Jungen und Mädchen zu entführen, um sie in Camps einer propagandistischen Gehirnwäsche zu unterziehen und an russische Familien zu vergeben.

Zahl verschleppter Kinder kaum zu ermitteln

Zwanzigtausend solcher Fälle seien durch Anzeigen der Verwandten sicher dokumentiert, sagte die langjährige Geschäftspartnerin Klitschkos, die mit dem Ex-Profiboxer auch ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht hat. Die ihr gegenüber genannte Dunkelziffer liege allerdings bei zweihundert- bis zweihundertfünfzigtausend. Russische Quellen sprächen sogar von siebenhunderttausend jungen Menschen. Der Grund dafür, dass es keine genaueren Zahlen gebe, liege in dem gezielten Vorgehen der russischen Behörden. "Sobald sie verteilt werden in der russischen Bevölkerung, wird der Name geändert und das Geburtsdatum. Dann ist es fast nicht mehr möglich, diese Kinder ausfindig zu machen", konstatierte Kiel.

Es seien "viel, viel mehr" als zwanzigtausend, vermutete auch Kortas und führte als Beispiel für nicht registrierte Fälle Kriegswaisen an, nach denen kein Verwandter suche.

Einigkeit herrschte in der Runde hingegen darüber, dass Russland bei der Verschleppung junger Ukrainerinnen und Ukrainer strategisch vorgehe. Einkommensschwache ukrainische Eltern würden gezielt unter Druck gesetzt, ihre Kinder aus Sicherheitsgründen in russische Obhut zu geben, und sie anschließend nicht mehr zurückbekommen, schilderte Kortas. Und Kiel ergänzte, dass mit der anschließenden Verteilung innerhalb Russlands ein klarer Anreiz verbunden sei. "Die Familien in Russland bekommen dafür Geld", erklärte die Managerin, die sich für die Rückholung der Kinder einsetzt.

Verwendete Quellen
  • ZDF: "Markus Lanz vom 26. September 2023"
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