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Walpurgisnacht und 1. Mai: Wie ein Dichterfürst den Hexensabbat populär machte


Walpurgisnacht und Erster Mai
Wie Deutschlands Dichterfürst den Hexensabbat populär machte

Von Angelika Franz

23.04.2021Lesedauer: 4 Min.
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Verkleidete zur Walpurgisnacht: Die Feiern zum 1. Mai reichen weit in die Vergangenheit zurück.Vergrößern des Bildes
Verkleidete zur Walpurgisnacht: Die Feiern zum 1. Mai reichen weit in die Vergangenheit zurück. (Quelle: Frank Drechsler/imago-images-bilder)

Der Mai gilt als Wonnemonat, den ersten Tag des Monats haben schon die Kelten besonders gefeiert. Aber wie genau? Und warum treiben am Vorabend die Hexen ihr Unwesen? t-online klärt auf.

Der Sommer ist fast schon zum Greifen nah. Im Garten und an den Wegrändern grünt und blüht es, an den Bäumen lassen die schwellenden Früchte den Reichtum der Ernte erahnen, auf den Feldern reift das Getreide heran – und dann kommt dieser wunderbare Feiertag, der 1. Mai.

Keine ernste religiöse Verpflichtung muss erfüllt werden, keine nationale Trauer trübt diesen freien Tag zwischen Ostern und Pfingsten. Vielerorts trifft sich die Jugend am Vorabend zum ausgelassenen Tanz in den Mai. Wenn nicht Corona herrscht, natürlich. Doch was genau feiern wir normalerweise eigentlich am 1. Mai? Wo liegen die Wurzeln dieses Vorfreude-auf-den-Sommer-Festes? Abgesehen von seiner modernen Bedeutung als "Tag der Arbeit"?

Vier große keltische Feste

Die früheste Erwähnung des 1. Mai als Feiertag stammt aus dem Sanas Cormaic, einem altirischen Glossar aus der Zeit um 900 nach Christus. An Beltane, wie das Fest dort genannt wird, entzündeten die Druiden jeweils zwei große Feuer, berichtet der Autor Cormac mac Cuilennáin. Durch die wurde das Vieh getrieben, bevor es auf die Sommerweide durfte.

Tatsächlich gehört Beltane zu den vier keltischen Festen, die den Lauf des Jahres einteilen: Mit Imbolc am 1. Februar beginnt der Frühling, Beltane markiert den Sommer, zu Lughnasadh startet am 1. August die Ernte, die am 1. November mit Samhain endet.

Die mittelalterliche irische Gedichtsammlung Dindsenchas führt den Brauch, Beltane zu feiern, auf den Druiden Mide zurück. Er soll auf dem Hügel von Uisneach ein gigantisches Feuer entzündet haben, das sieben Jahre lang loderte. Uisneach gilt als Nabel Irlands. Tatsächlich entdeckten Archäologen dort zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Überreste eines großen Feuers, das über einen langen Zeitraum hinweg brannte oder immer wieder an gleicher Stelle neu entzündet wurde.

Haferkekse waren ein Highlight

Feuer spielte dann auch in den folgenden Jahrhunderten eine zentrale Rolle bei den Beltane-Feiern. Noch bis ins 19. Jahrhundert wurden in Irland und Schottland am Abend des 30. April alle Herdfeuer und Kerzen gelöscht. Erst am kommenden Tag durften sie wieder entzündet werden – mit einer neuen Flamme vom großen Beltane-Feuer.

Um die Feuer selbst ranken sich allerlei Bräuche. Vor allem im Norden des keltischen Raums wurden zu Beltane Bannocks verspeist, die typisch schottischen Haferkekse. Einen zerbrachen die Feiernden in so viele Teile, wie Anwesende um das Feuer versammelt waren, und legten sie in einen Hut. Eines der Keksteile aber färbten sie mit Asche aus dem Feuer schwarz. Blind mussten nun der Reihe nach alle in den Hut greifen und sich einen Teil des Bannocks herausnehmen.

Pech hatte, wer den schwarzen Anteil erwischte. Der wurde von den anderen herumgeschubst, die so taten, als würden sie ihn ins Feuer werfen. In einigen Gegenden war es sogar üblich, noch bis einige Tage später so von dieser Person zu reden, als sei sie in den Flammen verbrannt. Einige Forscher vermuten, dass dieses Ritual auf tatsächliche Menschenopfer zurückgeht. Aber auch das Leben wurde an den Beltane-Feuern gefeiert. Waren die Flammen fast erloschen, fassten vor allem die Jugendlichen sich an den Händen und sprangen über die glühenden Reste. Der mutige Sprung, hieß es, sichere Wohlstand und Fruchtbarkeit.

War der Morgen des 1. Mai angebrochen und die Herdfeuer wieder entzündet, wurden die Häuser und das Vieh geschmückt. Vor allem gelbe und weißlich-gelbe Blüten zierten dann Fenster, Türschwellen und Kuhhörner: Primeln, Eberesche, Weißdorn, Ginster, Haselnuss und Ringelblumen. Der Sommer konnte beginnen.

"Es farzt die Hexe"

Während Beltane auch heute noch eher in den keltisch geprägten Regionen gefeiert wird, versammeln sich in weiten Teilen Deutschlands die Menschen am Abend des 30. April üblicherweise zur Walpurgisnacht. "Die Hexen zu dem Brocken ziehn, die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün. Dort sammelt sich der große Hauf, Herr Urian sitzt oben auf. So geht es über Stein und Stock, es farzt die Hexe, es stinkt der Bock", beschrieb Johann Wolfgang Goethe den Hexensabbat, der angeblich immer in der Nacht zum 1. Mai auf dem höchsten Berg des Harzes stattfindet.

Die Szene beruft sich im Wesentlichen auf das Buch "Blockes-Berges Verrichtung", das ein gewisser Johannes Praetorius 1668 veröffentlicht hatte. Praetorius, ein gescheiterter Gelehrter, lebte vom Schreiben reißerischer Pseudo-Fachliteratur, darunter auch Werken über die Kunst des Aus-der-Hand-Lesens oder der Sternendeutung. Seine Ausführungen sind folglich mit äußerster Vorsicht zu genießen.

Die Heilige Walburga selbst, nach der das Hexentreiben in der Nacht zum 1. Mai benannt wurde, hat jedenfalls rein gar nichts mit heidnischem Treiben zu tun. Die um 710 im südenglischen Wessex geborene Benediktinernonne missionierte zu Lebzeiten die Heiden im heutigen Süddeutschland. Vermutlich wäre sie trotz ihrer zahlreichen guten Taten in Vergessenheit geraten, wenn Walburga nicht etwa 90 Jahre nach ihrem Tod im Jahr 780 dem Bischof Otgar von Eichstätt im Traum erschienen wäre und sich bitterlich darüber beschwerte, dass sie in ihrer Ruhestätte täglich "von schmutzigen Füßen der Werksleute getreten" werde.

Otgar ließ ihre Gebeine an einen abgelegeneren Ort umbetten und von da an herrschte Ruhe. Am 1. Mai 870 aber sprach Papst Hadrian II. sie heilig, seitdem gilt der erste Tag des Monats Mai als ihr Gedenktag. Im Mittelalter riefen die Menschen Walburga als Schutzheilige um Beistand gegen Pest, Tollwut, Augenleiden, Unterleibsschmerzen, Husten, Stürme und marodierende Piraten an.

Wer also in diesem Jahr stilecht in den Mai feiern möchte, kann die Heilige Walburga sicherheitshalber darum bitten, von Husten verschont zu bleiben, dann Fenster und Türen mit gelben Blumen schmücken, im Garten ein kleines Lagerfeuer entzünden und dazu schottische Haferkekse knabbern.

Verwendete Quellen
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