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Medizin | Schnell drogenfrei dank Turbo-Entzug?


Medizin
Schnell drogenfrei dank Turbo-Entzug?

t-online, Andrea Barthélémy, dpa

27.03.2006Lesedauer: 3 Min.
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Kritik wegen ungeklärter Todesfälle
Seit über 15 Jahren ist der Ansatz bekannt. Experten priesen ihn zunächst als Wunderwaffe, dann geriet er wegen ungeklärter Todesfälle zeitweise in die Kritik. Heute sind die Methoden so verfeinert, dass viele Länder - etwa Australien oder Indien - das Verfahren in größerem Maß anwenden. In den Niederlanden bezahlen es sogar von 2007 an die Krankenkassen.

"Du musst leiden und büßen"
"Aber das Problem ist, dass Drogensucht von vielen nach wie vor als moralisches Ding angesehen wird", sagt Professor Herbert Kleber, Suchtexperte der Columbia Universität New York. Nach dem Motto "Du musst leiden und büßen" habe sich ein schmerzfreier Entzug nicht durchsetzen können. "Auch Deutschland hat eine andere Tradition: Bei uns wurde lange auf Selbsthilfe und psychosoziale Ansätze gesetzt. Erst seit 1998 gibt es eine Gesellschaft für Suchtmedizin und bislang haben wir nur einen Lehrstuhl", sagt der Suchtmediziner Felix Tretter, Chefarzt am Bezirkskrankenhaus Haar bei München.

Pilotprojekte in Berlin
Auch in Berlin bot das jüdische Krankenhaus und in einem Pilotprojekt das Berliner Uniklinikum schon einmal den Turbo-Entzug an. Er wurde jedoch wieder eingestellt - vor allem aus Kostengründen. "Dabei ist er unterm Strich günstiger als ein dreimaliger Abbruch beim Methadon-gestützten Entzug", sagt die Berliner Fachärztin für Anästhesiologie, Linda Partecke. Sie hat mehr als 200 Patienten unter Narkose am jüdischen Krankenhaus behandelt.

Implantate: Heroin macht nicht mehr high
Dabei sprechen die Zahlen für sich: "Während nach einem Methadon-gestützten Entzug nach sechs Monaten nur etwa 30 Prozent der Patienten clean bleiben, sind es bei denen mit Naltrexon-Implantaten nach 30 Monaten noch 60 Prozent", sagt Partecke. Naltrexon ist ein Opiat-Gegenspieler, der diese vom Rezeptor verdrängt. Die Implantate werden im Anschluss an die mehrtägige stationäre Entgiftung gesetzt. Ihr Wirkstoff wird bis zu einem Jahr lang freigesetzt und besetzt die Rezeptoren, an die sonst das Heroin andockt. Der Effekt: Selbst wenn ein Ex-Junkie wieder zur Spritze greift, wird er nicht mehr high.

Depotspritze als Alternative zum Implantat
Lange Zeit wurde das Mittel auch als Tablette verabreicht. "Aber hier halten viele nicht durch, das ist ein psychologisches Problem", weiß US-Fachmann Kleber. Er arbeitet seit 40 Jahren mit Süchtigen. Als Alternative zu den Implantaten, die nicht immer gut vertragen werden und mit dem Körpergewebe verwachsen, hat er deshalb eine injizierbare Variante erprobt. Eine Studie zeigt, dass die Depotspritze wenigstens einen Monat lang die Wirkung von Heroin verhindert. Danach müssen die Entzugswilligen sich ihre nächste Portion verabreichen lassen. "Aber 80 Prozent der 60 Studienteilnehmer kamen nach einem Monat zurück und machten weiter", sagt Kleber.

Turbo-Entzug auch mit Beruhigungsmitteln
Auch eine neue Studie aus den Niederlanden zeigt Alternativen: Danach ist die Wirkung des Turbo-Entzugs genauso gut, wenn statt der Vollnarkose nur Beruhigungsmittel verabreicht werden. Professor Cor de Jong von der Universität Nijmwegen: "Schon in unserer Pilotstudie von 2000 konnten wir zeigen, dass der Turbo-Entzug unter Narkose insgesamt kosteneffektiver ist als die Methadon-Methode. Und der Turbo-Entzug mit Beruhigungsmitteln ist noch einmal preisgünstiger."

Breitere Behandlungspalette gefordert
"Von diesen Größenordnungen können wir nur träumen", sagt Partecke. Nicht zuletzt die geringe Zahl der Patienten und damit wenig belastbare Studienergebnisse seien schuld daran, dass die Wirksamkeit aus Sicht der deutschen Krankenkassen nicht ausreicht. "Wir müssen also weiter auf internationale Zahlen setzen." Darüber hinaus sei es jedoch wichtig, dass Suchtmediziner, Psychotherapeuten, Selbsthilfegruppen und Drogenberater besser zusammen arbeiten. Denn Suchttherapie ist immer individuell und braucht eine breite Palette", weiß Partecke.

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