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Spekulationen um Rücktritt: Warum Berlins Schulsenatorin zum Scheitern verurteilt ist


Spekulationen um Rücktritt
Warum Berlins Schulsenatorin zum Scheitern verurteilt ist


27.05.2022Lesedauer: 4 Min.
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Astrid-Sabine Busse (SPD), Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie (Archiv): Sie steht derzeit stark in der Kritik.Vergrößern des Bildes
Astrid-Sabine Busse (SPD), Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie (Archiv): Sie steht derzeit stark in der Kritik. (Quelle: Annette Riedl/dpa)

Nach nur knapp fünf Monaten im Amt wird in Berlin über den Rücktritt von Astrid-Sabine Busse (SPD) spekuliert. Die Erfolgsbilanz der Bildungssenatorin ist bescheiden. Aber daran ist ihre eigene Partei schuld.

Noch steckt Berlin nicht im Sommerloch, aber schon spukt eine Figur durch die Stadt, die dafür sorgt, dass den Menschen auch in der nachrichtenarmen Zeit nicht der Gesprächsstoff ausgehen wird: die "Problemsenatorin". Die Rede ist von Astrid-Sabine Busse (SPD).

Um ihren Job als Bildungssenatorin ist sie nicht zu beneiden. Busse muss die Folgen einer jahrzehntelangen Politik des Kaputtsparens ausbaden. Zu wenig Lehrer, ein Sanierungsstau in den Schulen – und als wäre das nicht schon genug Stress, sind jetzt auch noch Rassismusvorwürfe laut geworden.

Bis zu ihrer Ernennung als Senatorin hat Busse drei Jahrzehnte lang eine Hauptschule im Brennpunkt Neukölln geleitet. Sie gilt als versierte Teamplayerin, Pragmatikerin und Pädagogin mit Herz. Kaum im Amt, fliegen ihr jetzt plötzlich Zitate aus der Vergangenheit um die Ohren, die den Eindruck erwecken, diese Frau sei als oberste Chefin von 900 Berliner Schulen in einer rot-grün-rot regierten Hauptstadt nicht tragbar.

"Wir werden arabisiert", hatte sie 2018 im Interview mit der "B.Z." gesagt. 2009 hatte sie die fehlende Integrationsbereitschaft in Neukölln beklagt. "Sie bleiben einfach untereinander. Man muss sich hier auch gar nicht mehr integrieren. Man nimmt das Viertel in Besitz, man lässt sich pampern."

Berlin: Der Kulturkampf ums Kopftuch

In den Ohren von Waldorfschulen-Eltern mag das hart klingen. Aber im Kontext ist es verständlich. Ehemalige Schulleiter-Kollegen von Busse sagen, sie hätten sie immer dafür geschätzt, dass sie als Vorsitzende des Interessenverbandes Berliner Schulleitungen (IBS) Probleme beim Namen nannte. Und von denen gab es an ihrer Schule mit einem Migrationsanteil von 96 Prozent genug. Kinder, die bis zum ersten Schultag kaum Kontakt zu Gleichaltrigen außerhalb der Familie hatten. Eltern, die auch nach Jahren in Berlin kein Deutsch sprechen. Mädchen, die in Moscheen zum Tragen eines Kopftuches erzogen werden.

Ein brisantes Thema in Berlin. Erst 2020 hatte das Bundesarbeitsgericht auf Druck von Linken und Grünen das Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Berliner Schulen gekippt. Aus dem Streit um ein Stück Stoff wurde ein Kulturkampf. In einer derart aufgeheizten Atmosphäre kostet es Mut, Missstände an Problemschulen zu thematisieren. Busse hat es immer wieder in Zeitungsinterviews getan.

Jetzt, wo sie an der Spitze der Schulverwaltung steht, werden solche Sätze gegen sie verwendet. Es geht nicht mehr um Bildung, es geht um Parteipolitik.

In einer Ecke mit Thilo Sarrazin

Fachkenntnis, so scheint es, ist da eher störend. Busses Name wird jetzt in einem Atemzug mit Thilo Sarrazin genannt, dem Rechtsaußen, dem Schwarzen Schaf der SPD. Der Autor des umstrittenen Bestsellers "Deutschland schafft sich ab" hatte sie in seinem Buch zitiert. Er habe sie vorher nicht um ihr Einverständnis gefragt, sagt Busse heute.

Die "Problemsenatorin": Dass ihr Kritiker dieses Etikett angehängt haben, zeigt, auf welchem Niveau die Diskussion um die neue Bildungssenatorin angelangt ist. Wo Argumente fehlen, wird mit Dreck geworfen. Dass diese Menschen aus der eigenen Koalition kommen, macht die Sache besonders unappetitlich.

Klar hat Busse Fehler gemacht. Zum Beispiel hatte sie 900 Berliner Schulen gegen sich aufgebracht, weil sie nicht intervenierte, als der grüne Finanzsenator Daniel Wesener in den Haushaltsberatungen den Verfügungsfonds auf die Streichliste setzte, um zu sparen. Dabei ging es mit 13 Millionen Euro um verhältnismäßig wenig Geld. Doch die Empörung war groß. Es ist der einzige Geldtopf, den die Schulen komplett selbst verwalten dürfen. Hätte Busse als ehemalige Schulleiterin nicht ahnen können, dass das Verdruss schaffen würde?

Der SPD-Fraktionschef als Nebenschulsenator

Es war SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der den Plan zur Abschaffung des Verfügungsfonds wieder einkassierte. Busse habe sich vom grünen Finanzsenator über den Tisch ziehen lassen, als der seine Sparpläne durch das Parlament brachte, behauptete er. Der linke SPD-Fraktionschef gefällt sich in der Rolle als Nebenschulsenator. Er hat Busse damit öffentlich demontiert.

Seine Kritik an der Senatorin zielt indirekt auch auf Franziska Giffey. Schließlich war es Berlins Regierende Bürgermeisterin, die die Schulleiterin aus dem Hut gezaubert hatte. Sie kennt Busse noch aus ihrer Zeit als Bezirksbürgermeisterin in Neukölln.

Giffey setzte auf den Karl-Lauterbach-Effekt: Wenn jemand etwas vom Fach versteht, dann doch wohl Busse. Es entbehrt nicht der Ironie, dass deren Expertise in der Politik jetzt kaum zählt. Vielmehr rächt es sich nun, dass sie bislang kein SPD-Mitglied war und der Partei erst in letzter Minute, kurz vor ihrer Ernennung im Dezember 2021, beigetreten ist.

Schweres Schiff ohne Lotsen

Kein Stallgeruch, keine Verbündeten, vom eigenen Fraktionschef demontiert. Wie lange hält Busse das durch? Sie ist die Chefin von 2.000 Beamten und Angestellten in der eigenen Behörde und von 45.000 Beschäftigen an Schulen.

Der Bildungshaushalt ist der größte in Berlin, ihre Behörde ein schweres Schiff, das niemand ohne das Know-how erfahrener Verwaltungsprofis steuern kann. Ihre beiden Staatssekretäre Alexander Slotty (SPD) und Aziz Bozkurt (SPD) sind ihr dabei aber kaum eine Hilfe. Auch sie sind neu an Bord, ausgesucht von der SPD-Spitze.

Bis zum Sommer, so wird in Berlin spekuliert, ist die 64-Jährige wieder weg. Sie selbst gibt sich unerschrocken. "Wenn ich jetzt weine, bringt uns das nicht weiter", sagte sie im Interview mit dem "Tagesspiegel". Gerade hat sie Zahlen vorgelegt und – ein Novum in der Geschichte des Bildungssenats – lange vor dem Beginn des neuen Schuljahres verkündet, wie sie die Lücke von 920 fehlenden Vollzeit-Lehrerstellen schließen will. Ein mutiger Vorstoß.

Er zeigt: So schnell gibt Busse nicht auf. Die Berliner SPD könnte sich ihren Rücktritt auch gar nicht leisten. Ihr Scheitern wäre eine krachende Niederlage für die Partei.

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