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Wie die Klimakrise den Weinbau verändert


Dürre und Hitze
Wie die Klimakrise den Weinbau verändert

Fabian Jutzi

Aktualisiert am 21.08.2022Lesedauer: 4 Min.
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Weinberge im Herbst (Archivbild): Künftig könnten andere Rebsorten angebaut werden. (Quelle: Martin Moxter via www.imago-images.de)

Der Klimawandel stellt Winzer vor Herausforderungen. Junge Weinstöcke machen Probleme, neue Sorten sind nötig. Auch geschmacklich kommen Veränderungen.

Die Menschen strömen wieder nach Wiesbaden: Auf der 45. Rheingauer Weinwoche treffen sich Menschen jeden Alters auf ein Glas Wein aus der Region. Doch wie sieht die Zukunft des Weinbaus aus?

Die Sonne strahlt, aber um kurz nach 11 Uhr am Freitagmorgen ist wenig los auf der Rheingauer Weinwoche in der Wiesbadener Innenstadt. Während in manchen Weinständen noch Gläser geputzt werden, sitzen andere Winzer in geselliger Runde bei einem Frühstück zusammen. "Das Highlight des Tages", sagt einer und bemängelt, dass die Winzerinnen und Winzer verpflichtet sind, trotz geringen Andrangs schon so früh zu öffnen.

"Der Besuch ist etwas verhaltener", meint Jutta Schäfer, Inhaberin des Weinguts Schäfer aus Hochheim und bestätigt damit das, was auch andere Winzer auf der Weinwoche sagen: Nach der zweijährigen coronabedingten Zwangspause kommen die Besucher noch nicht so zahlreich wie vor der Pandemie. An 124 Ständen können sich die Menschen in diesem Jahr etwas zu essen kaufen oder sich ein Glas Wein genehmigen. Schon seit 1976 findet das Weinfest in dieser Form in der hessischen Landeshauptstadt statt.

Die Preise sind im Jahr 2022 etwas gestiegen. Rund drei Euro kosten im Schnitt 0,1 Liter Wein in diesem Jahr in der Wiesbadener Innenstadt. "Verpackung, Etiketten, Flaschen – alles ist teurer geworden", sagt Schäfer. Zwar werden die Preise leicht erhöht – sowohl im Weingut als auch hier –, aber die gesamte Preissteigerung weiterzugeben, das könne sie den Kunden nicht antun.

Trockenheit macht jungen Rebstöcken zu schaffen

Auch die Hochschule Geisenheim University (HGU) ist mit einem Weinstand auf der Rheinwoche vertreten. An der Hochschule wird geforscht, wie auch künftig noch Wein auf den rund 3.000 Hektar Anbaufläche im Rheingau gewonnen werden kann. Und wie Winzer den Herausforderungen beispielsweise durch den Klimawandel oder den steigenden Kosten begegnen können.

"Die Trockenheit ist eine sehr große Herausforderung. Die alten Rebstöcke halten das aus, aber die jungen brauchen eine sehr intensive Bewässerung", sagt Lilian Lechner. Sie studiert im 7. Semester Weinbau und Önologie an der HGU.

Man müsse sich überlegen, ob in ein paar Jahren vermehrt Rotweine oder andere Rebsorten angepflanzt werden, die das Klima besser vertragen, skizziert sie eine der möglichen Veränderungen. Auch geschmackliche Veränderungen des Weins, bedingt durch Sonne und Hitze, könnten auf die Weintrinker in Zukunft zukommen. "Weg von der Monokultur der Weinberge und mehr Biodiversität", nennt Lechner als weitere Ziele für den Weinbau der Zukunft.

Forschungsprojekt: Welche Rebsorten vertragen mehr CO2?

Ein Beispielprojekt, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen, ist das FACE-Projekt der HGU. FACE steht hierbei für Free Air Carbon Dioxide Enrichment. Im Gernsheimer Projekt werden die Auswirkungen von erhöhter CO2-Konzentration auf Anbau, Physiologie und Schadstoffbefall der Reben untersucht. "Das kann einerseits zu schnellerem Wachstum der Pflanze führen, aber auch zu einer Schwächung der Pflanze wegen des zu schnellen Wachstums. Dickere Reben könnten auch zu einem schlechteren Aroma führen. Beim Spätburgunder möchte man zum Beispiel möglichst kleine Trauben", erklärt Dr. Claus Patz von der HGU die Vor- und Nachteile.

Durch den zu erwartenden Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre sollen die Ergebnisse des Projekts den Winzern helfen, zukunftssichere Rebsorten anbauen zu können. "Auch Bewässerungs- und Beschattungsversuche werden gemacht", erläutert Patz und hofft auf weitere Erkenntnisse durch die Forschung.

Zudem sei der Anbau von sogenannten PIWI-Rebsorten (pilzwiderstandsfähigen Rebsorten) laut Platz eine Möglichkeit, die Umwelt zu schonen. "Diese Pflanzen sollen resistent gegen Mehltau und andere Schimmelpilze sein", so der Experte. Damit könne der massive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden.

Wein aus dem Zapfhahn: Ist das die Zukunft?

Auch an Ideen zur Kostenverringerung mangelt es nicht: So könnten standardisierte Flaschen und ein Mehrwegsystem günstiger für die Winzer sein als die jetzigen individuellen Abfüllgefäße. Außerdem dieses Jahr am Stand der HGU: eine Zapfanlage für Wein. Ähnlich wie bei der bekannten Bierzapfanlage wird der Wein in 20 Liter großen Edelstahlfässern gelagert und daraus gezapft. Der Vorteil: weniger Glasmüll, mehr Platz und die nachhaltigere Lösung, erklären die Studentinnen am Stand.

Fest steht: Der Weinbau wird sich verändern. Während in Gernsheim geforscht wird, wie der Weinbau in Zukunft aussehen kann, versuchen die Winzerinnen und Winzer, mit gestiegenen Kosten umzugehen, können jedoch auf die meisten Menschen setzen, die ihren Winzern im Rheingau treu bleiben möchten – so zumindest der Tenor auf dem Weinfest.

Zur Mittagszeit ist dann ganz zur Freude der Winzer der Platz rund um die Marktkirche besser gefüllt und die ersten Weingläser stehen auf den Biertischgarnituren. So auch bei Peter und Anne Jäger, die seit der allerersten Weinwoche im Jahr 1976 jedes Jahr hier sind – meistens wegen der Geselligkeit. Man müsse bewusster mit der Umwelt umgehen, meint Peter Jäger und dafür sei er auch bereit, etwas mehr zu zahlen oder einen neuen Wein auszuprobieren. Auch der Idee mit dem Wein aus der Zapfanlage steht er offen gegenüber: "Wenn ich denn nicht das ganze Fass trinken muss."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Besuch der Rheingauer Weinwoche
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