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Frankfurt-Sindlingen: Bewohner zahlen volle Miete – trotz Einsturzgefahr


Leben im Einsturzhaus
Mieterin: "Ich habe Angst, dass ich sterbe"


Aktualisiert am 26.01.2024Lesedauer: 3 Min.
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Metallstützen im Laubengang aufgestellt, damit das einsturzgefährdete Haus gesichert ist.Vergrößern des Bildes
Metallstützen bewahren das Haus in der Küferstraße vor dem Einsturz. Diese Stützen entdecke ich an insgesamt drei Reihenhäusern. (Quelle: Madlen Trefzer)

In Frankfurt-Sindlingen ist ein Haus einsturzgefährdet. Wie lebt es sich mit brüchigem Boden unter den Füßen?

Dieser Wohnblock in Frankfurt-Sindlingen ist alles andere als einladend: Risse in den Wänden, Riegel an Balkontüren, Stützgestelle, Stützbalken und Rattengift im Garten. Vor allem ist die Küferstraße 31 aber ein Wohnhaus, das akut einsturzgefährdet ist. Trotzdem wohnen dort noch immer einige Mieter. Einen Gebäudeteil mussten 14 Menschen bereits unverzüglich räumen.

Die verbliebenen Bewohner leben täglich in Angst und Schrecken. Sie wissen nicht, was auf sie zukommt. Etliche Metallstützen wurden angebracht, um das Gebäude vor dem Zusammensturz zu bewahren.

Mieter zahlen vollen Mietpreis

T-Online trifft eine Anwohnerin, die gerade von ihrer Ausbildungsstätte kommt. "Ja, leider lebe ich immer noch in diesem Haus", antwortet sie bedrückt und gibt eine Führung durch das Innere. Sie will lieber anonym bleiben. Die schlecht bezahlte und sichtlich abgekämpfte Auszubildende muss dem Vermieter den vollen Mietpreis abliefern. "450 Euro, obwohl ich Keller und Balkon nicht mehr nutzen darf", klagt die junge Frau. Ihr Balkon ist verriegelt. Den Keller darf niemand betreten. Eigentümer ist die Nassauische Heimstätte Wohnstadt (NHW), das größte hessische Wohnungsunternehmen in Hessen und eines der größten in Deutschland mit mehrheitlicher Beteiligung des Landes Hessen.

Obwohl es nicht erlaubt ist, geht es hinunter: Metallstützen, wohin das Auge reicht. Auch ein zerfetzter Sicherungskasten. Es entsteht der Eindruck, als sei das Gebäude lange vernachlässigt worden. Um zu der Wohnung der Auszubildenden zu gelangen, kämpft man sich durch einen engen Laubengang, auch der voll mit Metallstützen und stabilisierenden Holzbalken.

Die junge Frau zeigt einen Brief, den sie von der NHW bekommen hat. Darin betont die Nassauische Heimstätte, dass das Gebäude, in dem sie lebt, bisher nicht von der Einsturzgefahr betroffen ist. Jedoch lebt sie im gleichen Gebäude, das die anderen 14 Mieter unverzüglich räumen mussten – nur der Eingang und somit auch die Hausnummer weichen von der Anschrift der jungen Frau ab.

"Ich habe Angst, dass ich sterbe"

"Es handelt sich aktuell um einen Gebäudestrang mit der Hausnummer 31. Zurzeit werden die anderen Gebäudebereiche ebenfalls geprüft. Dann entscheiden wir über weitere Maßnahmen", erklärt Jens Duffner, Pressesprecher der NHW, auf Anfrage von t-online. Und warum müssen dann die Mieter noch immer volle Miete zahlen? "Die Einsturzgefährdung ist uns seit dem 12. Januar bekannt, seitdem verlangen wir selbstverständlich keine Miete mehr und haben die Mieter zu ihrer eigenen Sicherheit anderweitig untergebracht", antwortet Duffner.

"Das kann alles nicht wahr sein", sagt die junge Frau. Sie wohnt praktisch im selben Gebäude, habe von Mietfreiheit aber noch nichts gehört. Im Gegenteil: Sie habe die Nassauische Heimstätte bereits schriftlich kontaktiert und um eine Mietminderung gebeten. Eine Antwort habe sie jedoch bis jetzt noch nicht erhalten. "Ich habe Angst, dass das Gebäude eines Nachts einstürzt und ich dabei sterbe", sagt sie im Gespräch mit t-online. Sie ist nicht die letzte Bewohnerin des Reihenhauses. Aus zahlreichen Fenstern des maroden Gebäudes ist Musik zu hören oder Küchendunst zu riechen. Das Leben dort geht offenbar weiter – jedoch anders als gewohnt.

Erst durch einen Zufall wurde festgestellt, dass Teile der Küferstraße 31 nicht mehr bewohnbar sind. Bei Untersuchungen für eine Außensanierung sei aufgefallen, dass eine Geschossdecke nicht mehr sicher sei, so Reza Tehrani, Fachbereichsleiter Modernisierung.

"Ich fühle mich hier nicht mehr wohl"

Im Hof steht ein Mann und schüttelt den Kopf. Er lebt seit über zehn Jahren in der Küferstraße 31. "Ich fühle mich hier nicht mehr wohl", sagt der 50-Jährige. Auch er will lieber anonym bleiben – sein Name ist der Redaktion jedoch bekannt. Er bezahlt die volle Miete, obwohl auch er den Keller nicht mehr nutzen darf.

An den Metallstützen, die in den Laubengängen und im Keller aufgestellt wurden, habe er sich mehrfach den Ellenbogen aufgeschlagen. Das sei der Auszubildenden auch schon passiert, sagt sie. Mit dem Service der Nassauischen Heimstätte seien die Anwohner schon lange nicht mehr zufrieden. Auf schriftliche Anfragen werde nur träge reagiert – manchmal sogar gar nicht. Die beiden fühlen sich übergangen und von der Nassauischen Heimstätte als Vermieter im Stich gelassen. Irgendwie hilflos fühlen sie sich auch.

Nassauische Heimstätte Wohnstadt steht unter Druck

Im Gebäudestrang, der akut vom Einsturz betroffen ist, lebt noch eine letzte Person – die fünfzehnte, die das Gebäude hätte umgehend verlassen sollen. Der Fall sei nicht so einfach, sagt der NHW-Sprecher. "Für diese Mieterin suchen wir mit Hochdruck noch eine adäquate Unterkunft, da sie ein spezielles Pflegebett benötigt. Parallel bemühen wir uns schon um Ersatzwohnungen in Frankfurt, die wir den Mietern als längerfristige Lösung anbieten können", so der Sprecher.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
  • Mailverkehr mit dem Pressesprecher der Nassauischen Heimstätte Wohnstadt
  • fr.de: "Situation zu kritisch: Mieter müssen Wohnhaus wegen Einsturzgefahr sofort verlassen" (19.1.2024)
  • bild.de: "Einsturzgefahr! Wir müssen sofort ausziehen" (17.1.2024)
  • Pressemitteilung der Nassauischen Heimstätte Wohnstadt (vom 16.1.2024)
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