t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalMünchen

Markus Söder eröffnet NS-Ausstellung "Idyll und Verbrechen" in Obersalzberg


Neue Dokumentation eröffnet
Teile von Hitlers Bunker am Obersalzberg erstmals zu sehen

Von Kilian Pfeiffer

27.09.2023Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Teile der ehemaligen Bunkeranlagen am Obersalzberg sind noch nicht ausgebaut. Besucher dürfen die unterirdischen Anlagen betreten.Vergrößern des Bildes
Teile der ehemaligen Bunkeranlagen am Obersalzberg sind noch nicht ausgebaut: Besucher dürfen die unterirdischen Anlagen betreten. (Quelle: Kilian Pfeiffer)

Hunderte neue Exponate, darunter auch ein Originalbunker aus Hitlers Zeiten. Ein Rundgang in der neuen Dokumentations-Präsentation zum Obersalzberg: "Idyll und Verbrechen".

Schon Tage vor der Eröffnung stehen immer wieder Spaziergänger vor den großen Panoramascheiben und versuchen, einen Blick ins Innere zu werfen. Mit wenig Erfolg. Die Scheiben verhindern eine Durchsicht. Drinnen wartet die neue Dauerausstellung mit 350 Exponaten auf doppelt so großer Fläche (800 Quadratmeter) und mit modernster Technik. Der Obersalzberg gilt als "Täterort". Orte und Landschaften tragen zwar keine Schuld in sich, aber Geschichte. Die Verantwortlichen wollen diese mit einer neuen Ausstellung aufarbeiten.

Sechs Jahre nach der Grundsteinlegung wird an diesem Mittwoch die erweiterte "Dokumentation Obersalzberg" mit einem Festakt eröffnet. Die neue Ausstellung an Hitlers ehemaligem zweiten Wohnsitz gilt als Leuchtturmprojekt des Freistaats – und ist nach mehreren Verzögerungen pünktlich noch vor der Landtagswahl fertig geworden. Unter dem Leitmotiv "Idyll und Verbrechen" soll die enge Verbindung des Obersalzbergs zu den Massenverbrechen des Nazi-Regimes aufgezeigt werden.

Immer wieder kommen auch Rechte zum Obersalzberg

Mehr als 30 Millionen Euro hat die neue Dokumentation am Ende gekostet, ein in den Hang gesprengter Lern- und Erinnerungsschauplatz. Ausgegangen war man einst von rund 14 Millionen Euro. Die Vorgängerausstellung sprengte in der Vergangenheit Besucherrekorde. Ende der 1990er-Jahre viel zu klein gebaut, kamen bereits in den ersten Jahren bis zu viermal so viele Menschen wie erwartet – rund 170.000 pro Jahr.

Der Berg wird auch immer noch von Rechten heimgesucht, bestätigt Historiker Sven Keller, Leiter der Dokumentation Obersalzberg. Nicht wegen der Ausstellung, sondern etwa wegen Hitlers Berghof. Adolf Hitler hatte einst auf dem Obersalzberg Gäste empfangen und teils die Regierungsgeschäfte geführt. Fünf Minuten Fußmarsch von der heutigen Dokumentation entfernt, traf er viele seiner weitreichenden, todbringenden Entscheidungen. An den Berghof erinnert zwar noch eine Mauer. Eingebunden in das Gesamtkonzept der Dauerausstellung ist der Ort aber weiterhin nicht.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kam bereits 2017 zum Spatenstich für das Neubauprojekt. Jetzt präsentiert er sich wieder. Söder steckt mitten im Wahlkampf zur Landtagswahl am 8. Oktober. Eine Stunde lässt sein Zeitplan an diesem Mittwoch zu. Auf dem Parkplatz, wo das eigens aufgebaute Festzelt steht, mussten Handwerker alte Pflastersteine erneuern – alles soll perfekt aussehen. Ab Donnerstag ist die Ausstellung für die Öffentlichkeit zugänglich.

"In der Ausstellung wird der Wahnsinn des Nationalsozialismus entlarvt", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). "Wir geben ein Schutzversprechen ab für jüdisches Leben in Bayern." Der Nationalsozialismus sei das dunkelste Kapitel der Weltgeschichte. Es gelte: "nie wieder". Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU) nannte die Ausstellung einen bedeutenden Lernort. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, mahnte, die Zeit der Zeitzeugen gehe zu Ende. Deshalb würden "steinerne Zeugen" immer wichtiger. "Es braucht Orte wie diesen."

Wissenschaftler suchten nach Exponaten in der Bevölkerung

Die Arbeit an der neuen Ausstellung reicht aber viel weiter zurück. Schon vor Jahren hatte das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ) in der Bevölkerung zur Suche nach Originalexponaten für den Neubau aufgerufen. Die Historiker sind fündig geworden: Hitler-Zierkissen, "Kinder-Gasbetten" für den Fall eines Giftgasangriffs, private Fotoalben. Hunderte Exponate sind Teil der Dauerausstellung geworden, die vor allem mit multimedialen Elementen glänzt.

Viele Projektoren werfen Texte an Wände. Sensoren erlauben die Bedienung von lichtgesteuerten "Knöpfen". Auf einem übergroßen Medientisch, der in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen entwickelt wurde, lassen sich Propagandabilder von Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann, die Hitler als volksnahen "Führer" inszenierten, aufwändig dekonstruieren. "Dieser Bereich bietet so viel Inhalt wie ein Buch", sagt Sven Keller.

Der Obersalzberg: Rückzugsort für Adolf Hitler

Der Obersalzberg war im Nationalsozialismus zum Rückzugsort für Hitler geworden. Er schuf sich hier seinen zweiten Regierungssitz. Bewohner wurden vertrieben. Für den Bau der mehr als sechs Kilometer langen Bunkeranlagen und weiterer Maßnahmen kamen Tausende Zwangsarbeiter zum Einsatz. Einige Hundert Meter der Bunkeranlagen stehen nun erstmals der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Die Ausstellung zeigt die Geschichte des Obersalzbergs unaufdringlich, aber mit charakteristischer Formensprache und schräger Linienführung, die ganz bewusst Irritation hervorrufen soll. Auf dem Berg wurde Hitler einerseits als volksnaher "Führer" verehrt. "Im Zentrum steht der Gegensatz zwischen der idyllischen Bergregion und den Tatorten der von hier aus betriebenen Mordpolitik", sagt Sven Keller.

In der neuen Dauerausstellung werden viele der Einzelschicksale behandelt: In Freilassing, Bad Reichenhall und Salzburg ließ Hitler Juden sowie Sinti und Roma verfolgen. Die Dokumentation zeigt dabei die Schicksale von Opfern nationalsozialistischer Ideologie. Die Lebensläufe wurden oft über Jahre recherchiert. Schlüsselexponate leiten durch den zwar offenen, aber zusammenhängenden Raum ohne Zwischenwände. Es existieren mehrere Blickachsen auf das Zentrum der Ausstellung als Ziel. Die Durchgänge werden breiter, je weiter man sich nähert – dem im Mittelpunkt des Ausstellungsraums liegenden letzten Kapitel, den "Tatorten" der NS-Verbrechen.

Fragwürdiger Umgang mit der eigenen Geschichte

Die Ausstellungsmacher arbeiten zudem die Zeit nach Hitler auf: Jahrzehntelang wurde Andenkenkitsch im Ort als souvenirwürdig gewertet. Berchtesgadens Umgang mit der eigenen Geschichte galt lange Zeit als fragwürdig. Die Haltung schwankte zwischen Vermarktung und Verdrängung. Ob Spazierstock mit Berghof-Motiv, Postkartensammlung oder Klickfernseher mit NS-Gebäuden – selbst in den 1970er-Jahren war das keine Seltenheit.

Seltenheitswert hat hingegen jene lebensgroße Madonna aus dem "Göring Train", sagt Sven Keller. Sie war in einem Eisenbahnwaggon gefunden worden. Der Zug war voller Kunstwerke. Hitlers Komplize Hermann Göring wollte damit seine Kunstsammlung in Sicherheit bringen. Nun steht sie als Leihgabe auf dem Obersalzberg – geschützt von dickem Sicherheitsglas.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website