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Wie Joshua Kimmich sich aus dem WM-Loch kämpft


Nach DFB-Debakel bei der WM
Familie, Titel, Kahn: So läuft Kimmichs Bayern-Therapie

Von Julian Buhl

11.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Joshua Kimmich: Der Nationalspieler will dem WM-Frust Erfolge mit dem FC Bayern folgen lassen.Vergrößern des Bildes
Joshua Kimmich: Der Nationalspieler will dem WM-Frust Erfolge mit dem FC Bayern folgen lassen. (Quelle: Peter Kneffel)

Erstmals nach dem bitteren WM-Aus äußert sich Joshua Kimmich zu seiner damaligen Befürchtung. Oliver Kahn erkennt sich in ihm wieder.

Die Worte, die Joshua Kimmich unmittelbar nach dem bitteren Vorrunden-Aus mit der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Katar fand, klangen dramatisch, ja fast alarmierend.

"Für mich persönlich ist das der schlimmste Tag meiner Karriere. Ich habe Angst, dass ich in ein Loch falle", sagte der 27-Jährige damals. Und weiter: "Das ist schon für mich nicht so einfach zu verkraften. Weil ich persönlich mit dem Misserfolg in Verbindung gebracht werde."

Auch 41 Tage später hallen diese Worte noch nach. Erst recht am Ort der Enttäuschung in Katar, wohin Kimmich mit dem FC Bayern für das Wintertrainingslager direkt wieder zurückgekehrt ist.

"In ein Loch bin ich nicht gefallen"

"Die Aussagen direkt nach dem Ausscheiden waren natürlich sehr emotional, weil mir so etwas nahe geht", sagte er dort nun am Mittwoch bei einer Pressekonferenz der Münchner. "Wir hatten große Ziele und haben uns viel vorgenommen. Dann sind wir wieder mal früh ausgeschieden, das ist schon sehr, sehr bitter. Gerade weil man mit der Nationalmannschaft nicht viele Chancen hat."

Schon bei der WM 2018 in Russland war Kimmich mit der DFB-Elf in der Vorrunde ausgeschieden, bei der EM im vergangenen Jahr im Achtelfinale an England gescheitert.

"In ein Loch bin ich ehrlicherweise nicht unbedingt gefallen", sagte er nun, angesprochen auf seine eigene Befürchtung. "Das ist, glaube ich, auch ein bisschen meinen drei Kindern geschuldet. Da hat man andere Aufgaben."

"Das kann man nicht einfach vergessen"

Im Familienurlaub auf den Malediven versuchte Kimmich, auf andere Gedanken zu kommen, räumte aber mit Blick auf das DFB-Aus ein: "Das kann man nicht einfach vergessen oder abhaken. Aber trotzdem ist die Motivation, wieder hier zu sein, jetzt riesig." Der Urlaub sei sogar "fast zu lang" gewesen.

Schließlich warten beim FC Bayern in der zweiten Saisonhälfte große Aufgaben und noch größere Triple-Ziele auf ihn. Nach dem Ausfall von Kapitän Manuel Neuer (Unterschenkelbruch) wird Kimmich als dessen zweiter Stellvertreter dabei eine jetzt noch bedeutendere Rolle zukommen.

Da sich Vizekapitän Thomas Müller in der Offensive auch im zunehmenden Konkurrenzkampf mit Jamal Musiala, Eric Maxim Choupo-Moting und Co. behaupten muss, wird Kimmich in der restlichen Saison wohl häufig als Bayerns Anführer gefragt sein. Ein Leader ist er aber ohnehin längst – in der Nationalelf und erst recht bei Bayern.

"Ich habe nicht das Gefühl, dass sich meine Rolle verändert oder ich mich verändern muss. Ich werde es weiter angehen wie in der Vergangenheit auch", sagte er dazu: "Am Ende ist die Leistung auf dem Platz entscheidend und das ist das, worauf ich mich konzentriere."

"Das Immer-Weitermachen ist in uns drin"

Kimmich war im Trainingslager häufig mit Nationalmannschaftskollege Thomas Müller zu beobachten. Die beiden suchten auf dem Trainingsplatz immer wieder den gemeinsamen Austausch.

"Das Immer-Weitermachen ist in uns drin", hatte Müller zuletzt gesagt und von einem "evolutionären Vorteil" gesprochen, als er in Doha zu möglichen negativen Auswirkungen des WM-Scheiterns angesprochen wurde.

"Wir beim FC Bayern sind die Spitze der Spieler, die mit dem Druck umgehen können und müssen. Sonst wären wir nicht hier." Er habe "nicht das Gefühl, dass es bei uns jemanden gibt, um den man sich da speziell kümmern muss", sagte der 33-Jährige gerade auch in Bezug auf Kimmich.

Kahn erkennt sich selbst in Kimmich

Einer, der für "immer Weitermachen" steht wie kein anderer, hatte dieses Gefühl offenbar dagegen schon. Vorstandsboss Oliver Kahn schickte Kimmich, wie "Sport Bild" berichtet, unmittelbar nach dem WM-Aus eine Nachricht. Mit dem Tenor: Verantwortung zu übernehmen, ist gut. Kimmich müsse sich aber nicht für alles und jeden verantwortlich fühlen.

Kahn sprach Kimmich auch deshalb Mut zu, weil er sich selbst in ihm erkannte. Bei der WM 2002 hätten ihm, dem umjubelten "Titan", "zwei Milliarden Menschen beim Versagen zugeschaut", sagte er kürzlich in einem Podcast, in dem er erneut offen über Depressionen sprach. Nach dem verlorenen Finale sei er in jenes "Loch gestürzt", vor dem Kimmich zitterte, sagte Kahn nun der "Sport Bild".

"Ich habe diese Erfahrung bei der WM 2002 auch gemacht." Auch er habe "damals das Gefühl gehabt, ungeheuer viel Verantwortung zu tragen. Es war schwierig für mich, in dieser Situation mit dem verlorenen Finale umzugehen."

Kimmich soll Verantwortung abgeben

Kimmich, so der Plan der Bayern-Bosse, soll wieder mehr Freude spüren – und einen Teil der riesigen Verantwortung, die er sich selbst stets aufbürdet, abgeben. "Joshua versucht immer, sehr viel Verantwortung zu übernehmen. Aber auch er ist Teil einer Mannschaft, auch seine Teamkameraden tragen Verantwortung", so Kahn.

Der 53-Jährige ist sich sicher, dass Kimmich beim FC Bayern und in der Nationalelf "wieder Topleistungen bringen" werde. "Joshua wird hier wie immer vorangehen und angreifen. Nach solchen Erlebnissen noch besser zu werden, das zeichnet den Champion aus", sagte Kahn: "Es geht darum, nach vorne zu schauen, wieder gierig zu sein, Titel zu gewinnen."

Kimmichs Ehrgeiz ist ungebrochen

Kimmichs Ehrgeiz ist dem von Kahn damals sehr ähnlich. Und der ist, genau wie sein Arbeitsethos auch, nach dem bitteren WM-Aus ungebrochen. Wer ihn im Training beobachtet, sieht ihn wie gewohnt mit Feuereifer bei der Sache, dirigieren und diskutieren.

Nach den Einheiten legte er teilweise sogar noch Extraschichten ein – unter anderem beim gemeinsamen Torschusstraining mit Musiala und seinem langjährigen Kumpel Serge Gnabry.

In Sachen Torgefahr könne er sich zwar "auf jeden Fall noch verbessern", sagte Kimmich angesprochen darauf, "aber ich habe generell einfach viel Lust auf Fußball. Es macht halt einfach Bock, noch länger auf dem Platz zu stehen. Es gibt doch nichts Schöneres als Torschüsse. Im Spiel komme ich da ja nicht so oft dazu."

"Es bringt nichts, zu hadern"

Kimmich hinterlässt in Katar keinesfalls einen verbitterten oder mental angeschlagenen Eindruck – vielmehr einen kämpferischen.

"Wir haben große Ziele. Es sind noch ein paar Titel zu vergeben, auch wenn wir um den ganz großen nicht mitgespielt haben", sagte er. "Es bringt nichts, die ganze Zeit wegen der vergebenen Chance zu hadern."

Stattdessen kündigte er auch mit Blick auf die Nationalelf an: "Wir werden ab März wieder voll attackieren." Was er wohl tun müsste, um auch mit dem DFB-Team endlich einen Titel zu gewinnen? "Ich muss einfach spielen, bis ich 45 bin", sagte Kimmich – und lachte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Beobachtungen
  • Pressekonferenz mit Joshua Kimmich am 11.01.2023 in Doha
  • Pressekonferenz mit Thomas Müller am 09.01.2023 in Doha
  • Printausgabe der "Sport Bild" vom 11.01.2023
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