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Die Torwartfrage des FC Bayern: "Niemand weiß, ob Manuel Neuer zurückkommt"


Nach Neuers schwerer Verletzung
"Das ist jetzt die beste Lösung"

Von Julian Buhl

Aktualisiert am 19.01.2023Lesedauer: 6 Min.
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Manuel Neuer: Seine Verletzung sorgt beim FC Bayern momentan für den absoluten Ausnahmezustand.Vergrößern des Bildes
Manuel Neuer: Aufgrund seiner Verletzung befindet sich der FC Bayern momentan im Ausnahmezustand. (Quelle: KAI PFAFFENBACH)

Der FC Bayern ist nach Manuel Neuers Verletzung noch immer im Ausnahmezustand. Jean-Marie Pfaff erklärt bei t-online das Torwartdilemma der Münchner.

Die Begrüßung fällt bei Jean-Marie Pfaff noch immer Bayern-like aus. "Servus", sagt der Belgier, als t-online ihn erreicht und er die deutsche Telefonnummer erkennt. Die sechs Jahre, die der 69-Jährige von 1982 bis 1988 als Stammtorhüter beim FC Bayern verbracht hat, haben den Belgier geprägt. Und so verfolgt er die Geschehnisse bei seinem Ex-Klub auch heute noch mit besonderem Blick und Interesse.

Das gilt auch für das Torwartdilemma, in dem die Münchner nach Manuel Neuers Unterschenkelfraktur und dem damit verbundenen Saison-Aus ihres Kapitäns stecken.

"Das konnte keiner erwarten und ist ganz schlimm für den Klub, die Situation ist jetzt sehr schwierig für Bayern", sagt Pfaff: "Alle guten Torhüter stehen unter Vertrag und kosten viel Geld. Aber es ist nötig, es auszugeben." Bayern wolle schließlich deutscher Meister werden, den Pokal gewinnen und nicht im Achtelfinale der Champions League gegen Paris Saint-Germain ausscheiden.

Nagelsmann: "Dann sagt jeder 'seid ihr noch ganz dicht?'"

Und genau dafür soll nun ein neuer Torhüter her. "Jeder sieht doch die Torwartsituation bei uns. Wir müssen sowieso einen holen. Das steht außer Frage", sagte Julian Nagelsmann nach dem Testspiel (4:4) gegen Salzburg.

"Wenn der Ulle sich nächste Woche das Innenband reißt, was machen wir dann? Dann muss ein ganz junger Torwart, der heute sein erstes Spiel gemacht hat, in der Champions League und der Bundesliga spielen", so der Bayern-Coach: "Dann sagt jeder 'seid ihr noch ganz dicht, warum habt ihr keinen Torwart geholt?'"

Nagelsmann kann zwar auf den als Neuer-Vertreter erprobten Sven Ulreich (34) zurückgreifen. Seine Nummer zwei, Johannes Schenk, ist aber erst 19 Jahre alt und noch ohne jede Profierfahrung.

Pfaff: "Manuel Neuer, den kannst du eigentlich nicht ersetzen"

"In der entscheidenden Phase der Saison brauchst du einen starken Torwart, der dir diese Spiele auch gewinnen kann", sagt Pfaff, "das war bei Bayern schon immer so." Ulreich traut er diese Rolle nur bedingt zu.

"Die Mannschaft muss jetzt auch für Manuel Neuer spielen", sagt er und erklärt die Problematik: "Es gibt nur einen Manuel Neuer, den kannst du eigentlich nicht ersetzen."

Alexander Nübel wird sich an dieser schier unlösbaren Aufgabe vorerst definitiv nicht versuchen. Der Berater des 26-Jährigen, der noch bis Saisonende an die AS Monaco verliehen ist, schloss eine vorzeitige Rückkehr bei Sky nun endgültig aus.

Pfaff: "Sommer ist jetzt die beste Lösung"

Gladbachs Yann Sommer gilt dagegen nach wie vor als Wunschkandidat der Bayern für einen Wintertransfer. "Sommer ist die beste Lösung, die du jetzt bekommen kannst", findet auch Pfaff.

Die Borussia will ihren Stammkeeper aber offenbar nicht abgeben, bevor auch der Poker um Jonas Omlin vom HSC Montpellier als dessen Nachfolger nicht erfolgreich abgeschlossen ist. Die Verhandlungen laufen.

"In Sommer hätte ich jetzt das meiste Vertrauen"

"Sommer ist ein sehr flexibler Torhüter, in den ich bei Bayern jetzt das meiste Vertrauen für die restliche Saison hätte", sagt Pfaff, "er kennt die Bundesliga und würde sich schnell integrieren."

Einer der wenigen Kritikpunkte an dem Schweizer ist seine mit nur 1,83 Metern für einen Torhüter vergleichsweise geringe Körpergröße. Ein Argument, das Pfaff mit seiner eigenen Karriere quasi widerlegt. Er ist nämlich sogar noch drei Zentimeter kleiner und hat es trotzdem zum Welttorhüter gebracht.

"Wenn Neuer zurückkommt, wird er auch wieder spielen"

"Wenn er unterschreibt, muss er sich der Konstellation bewusst und damit zufrieden sein", sagt der ehemalige belgische Nationaltorwart. "Sommer weiß: Wenn Neuer zurückkommen wird, wird er auch wieder spielen. So ein Mann setzt sich nicht auf die Bank." Und was wird dann aus Sommer?

"Vielleicht kann man dann eine Lösung finden, dass er wieder verkauft wird", so Pfaff: "Bayern muss jetzt aber erst mal abwarten, wie die Saison läuft. Und dann sehen, ob Manuel Neuer zurückkommen kann oder eben nicht."

Große Zweifel an Neuers Comebackplan

Neuers Comeback-Plan sieht eigentlich vor, zu Beginn der neuen Spielzeit wieder auf dem Platz stehen zu wollen. Ob ihm das tatsächlich gelingen wird, daran gibt es aber auch klubintern immer größere Zweifel, wovon auch Sport1 berichtete.

Das Thema Neuer ist weiterhin ein äußerst sensibles beim FC Bayern, das die Verantwortlichen in der Öffentlichkeit am liebsten komplett meiden. Spricht man sie dennoch darauf an, halten sie sich auffällig bedeckt, wägen jedes ihrer Worte genau ab. Weil sie mehr wissen und alles noch viel schlimmer ist als zunächst angenommen?

Offiziell kommuniziert wurde Neuers Verletzung lediglich als nicht genauer definierte "Fraktur des rechten Unterschenkels". "Bild" berichtete zuletzt aber von unwidersprochenen Gerüchten, wonach es sich tatsächlich um einen offenen Schien- und Wadenbeinbruch handeln soll, dessen Heilung länger als "nur" sechs Monate dauern könnte.

"Niemand weiß, ob Neuer im Sommer zurückkommt"

Deshalb ist der FC Bayern wohl zu dem Schluss gekommen, sich auch auf dieses Szenario vorbereiten zu müssen. Dementsprechend viele, intensive Gespräche wurden mit und über Nachfolge-Kandidaten geführt. Eine direkt daran beteiligte Person sprach das aus, was sich öffentlich noch keiner der Bayern-Bosse traute, und sagte t-online: "Manuel Neuer ist schwer verletzt, niemand weiß, ob und in welcher Verfassung er im Sommer zurückkommt."

Auch deshalb soll Sommer nicht nur für ein halbes Jahr, sondern einen wohl bis 2025 gültigen Vertrag unterschreiben.

Neuer wird im März 37 Jahre alt, seine Krankenakte (siehe unten) ist lang und umfasst unter anderem bereits mehrere Mittelfußbrüche auf beiden Seiten.

"Ob er noch mal der Torhüter werden kann, den wir kennen", sagt Pfaff, "das hängt von seiner Mentalität und von seiner Gesundheit ab." Neuer sei ein "absoluter Sportsmann, der zurückkommen und so lange spielen will, wie es nur geht".

Die Frage sei aber, "ob er zum Beispiel wieder die gleiche Sprungkraft haben wird wie zuvor. Bayern muss auf jeden Fall in zwei Richtungen planen – mit Neuer und ohne ihn."

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"Dann sagt Neuer vielleicht, dass er aufhört"

Er hoffe für den Nationaltorhüter, dass mit seinem Bein "alles wieder in Ordnung" komme. "Und wenn nicht", befürchtet Pfaff, "sagt Neuer vielleicht sogar, dass er aufhört."

Mit dem Gedanken an ein Karriereende ihres Kapitäns, dessen Vertrag noch anderthalb Jahre läuft, müssen sich die Münchner mit Blick auf dessen Alter ohnehin langsam zwangsläufig beschäftigen. "Bayern muss auch überlegen, ob sie nicht nächstes Jahr einen großen Transfer machen und einen langfristigen Neuer-Nachfolger holen", rät Pfaff.

Den sieht er in dem ebenfalls bereits 34 Jahre alten Sommer nämlich nicht. Der Schweizer Nationaltorhüter könne den Verantwortlichen "vielleicht noch mal ein Jahr länger Zeit verschaffen, aber Bayern muss schon jetzt nach einem Neuer-Erben schauen – und zwar auf der ganzen Welt."

"Ein Bayern-Torhüter muss dirigieren und eine Persönlichkeit sein"

Den zu finden, sei schließlich schwer genug. "Das darf kein Fliegenfänger sein", sagt Pfaff und lacht: "Ein guter Bayern-Torhüter muss dirigieren können und eine Persönlichkeit sein – so wie Sepp Maier, Oliver Kahn, Manuel Neuer." Oder auch Pfaff, der damals quasi Maiers sportliches Erbe antrat und deshalb ganz genau weiß, wovon er spricht.

Den einst als Neuers Kronprinz nach München geholte Nübel, der dort noch bis 2025 unter Vertrag steht, sieht er definitiv nicht als dessen Nachfolger. Der sei laut Pfaff in Deutschland "schon fertiggemacht" worden, "der wird nicht mehr zurückkommen".

Wird Kobel Neuers Erbe?

Laut "Kicker" soll Gregor Kobel, den Nagelsmann schon in der U19 der TSG Hoffenheim trainierte, ein Kandidat sein. Eine erste Kontaktaufnahme mit dem 25-Jährigen soll es bereits gegeben haben. Zum konkreten Thema soll der Schweizer, der vertraglich noch bis 2026 an Borussia Dortmund gebunden ist, allerdings erst frühestens 2024 werden.

"Ein guter Torwart. Aber ich glaube, dass er besser noch zwei, drei Jahre in Dortmund bleibt und sich dort weiterentwickelt", sagt Pfaff, "Bayern braucht keinen Torwart, der erst noch lernen muss, sondern einen, der direkt spielen kann. Denn in München musst du sofort alles gewinnen."

Noch gibt es dabei viele Konjunktive. Eines ist aber jetzt schon klar: Die Torwartdebatte wird sowohl den FC Bayern als auch Pfaff noch weit über den Sommer hinaus beschäftigen.

Verwendete Quellen
  • Telefon-Gespräch mit Jean-Marie Pfaff
  • Eigene Recherche und Hintergrundgespräche
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