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FC Bayern: Das steckt wirklich hinter der Debatte um Matthias Sammer


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Das steckt wirklich hinter der Sammer-Debatte

Von t-online
Aktualisiert am 27.09.2013Lesedauer: 6 Min.
Matthias Sammer und der FC Bayern: Reibung erzeugt Erfolg.Vergrößern des BildesMatthias Sammer und der FC Bayern: Reibung erzeugt Erfolg. (Quelle: imago/Ulmer)
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Von Thomas Tamberg

"Richtiger Käse. Wir waren teilweise lätschern, das ist zu wenig", schimpfte Sport-Vorstand Matthias Sammer über die Leistung der Spieler trotz eines 2:0-Erfolgs. Der Bayern-Trainer rieb sich verwundert die Augen und wies Sammer in die Schranken. "Mit der Form, der Art und Weise war ich nicht einverstanden. Das habe ich ihm auch gesagt", sagte der Coach. Dieser Disput ist fast auf den Tag genau ein Jahr her. Am 29. September 2012 fuhr der FC Bayern am sechsten Spieltag bei Werder Bremen einen Arbeitssieg ein. Doch anstatt sich über die Einstellung des Startrekords mit sechs Siegen zu freuen, bestimmte Sammer mit seinem Rüffel die Schlagzeilen, ebenso wie ein vermeintlich gestörtes Verhältnis zum Trainer, der damals Jupp Heynckes hieß.

Ein Jahr später, erneut trug der FC Bayern einen 2:0-Erfolg davon, dieses Mal am fünften Spieltag zu Hause gegen Hannover 96, legte Sammer wieder den Finger in die Wunde. "Wir spielen zum Teil lethargisch, wir spielen ohne Emotionen Fußball, wir machen Dienst nach Vorschrift und verstecken uns zurzeit hinter unserem Trainer." Dieser heißt mittlerweile Pep Guardiola und er schwieg zu Sammers Kritik, die übrigens völlig ruhig vorgetragen wurde und später medial als "poltern" oder "Brandrede" weitertransportiert wurde. Dennoch wiesen Präsident Uli Hoeneß ("In Dortmund lachen sie sich tot") und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ("Uns hat das nicht gefallen") den Europameister von 1996 in die Schranken und lösten damit eine öffentliche Diskussion über Sammer aus, die nun schon knapp zwei Wochen anhält.

Boris Becker und Dieter Schatzschneider beurteilen Sammer

"Die Sammer-Debatte", titelte der "kicker". "Sammer droht sich als Motzki zu isolieren", orakelte die "Sport Bild". "Sammer oder Pep? Wer ist hier der Boss?", fragte sich die "Münchner Abendzeitung". Ex-Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld schaltete sich ein, befürchtete einen Autoritätsverlust Sammers und kritisierte wiederum die Kritik der Klubführung an Sammer ("Matthias ist im Stich gelassen worden") und somit auch seinen engen Freund Hoeneß. Am Ende gaben sogar Dieter Schatzschneider, die Älteren werden sich erinnern ("Er hat Recht, aber der Zeitpunkt war verkehrt"), und natürlich Ex-Tennis-Legende Boris Becker, bekannt aus "Superillu", "Bunte" etc., ihren Senf dazu.

Diese Probleme des FC Bayern möchten die meisten Klubs wohl gerne haben. Und Boris Becker hat Recht, wenn er sagt, dass es vor allem eine "Diskussion für die Medien" ist. Denn diese Streitkultur gehört zum FC Bayern wie das Motto "Mia san mia". Unzählige Male haben sich in den letzten Jahrzehnten die Klub-Ikonen Franz Beckenbauer, Hoeneß und Rummenigge öffentlich widersprochen und intern wahrscheinlich noch viel öfter. Doch wie sagte Hoeneß im Zuge der aktuellen Sammer-Debatte: "Er hat seine Meinung geäußert, wir haben unsere Meinung geäußert. Wenn vernünftige Männer zusammensitzen, gibt es immer eine vernünftige Lösung."

So half er Heynckes über den Winter

Schließlich wurde Sammer nach der leidvollen Vize-Saison 2011/12 extra dafür verpflichtet, um mit seiner Siegermentalität, Akribie und Verbissenheit wieder frischen Wind an die Säbener Straße zu bringen. Denn keiner weiß besser als Hoeneß, dass Reibung nötig ist, um zusätzliche Leistung freizusetzen. Die Fakten sprechen daher eindeutig für Sammer.

In seiner ersten Saison beim Rekordmeister gelang dem Klub mit dem Triple-Gewinn gleich der größtmögliche Triumph. Man sagt übrigens, sein besonderer Verdienst an diesem Erfolg war, dass er nach Bekanntwerden der Guardiola-Verpflichtung im Januar den überrumpelten Heynckes davor bewahrte, seine Enttäuschung über den Ablauf allzu offen zur Schau zu tragen und somit einen vermeintlichen Zwist an der Säbener Straße verhinderte.

Kritik wohl kalkuliert

Aktuell setzte das Team mit Guardiola unmittelbar nach seiner jüngsten Kritik zu einem gewaltigen Leistungssprung an, erteilte ZSKA Moskau (3:0), Schalke 04 (4:0) und im DFB-Pokal Hannover 96 (4:1) jeweils eine Lehrstunde.

Der nahezu gleiche Zeitpunkt der Sammer-Kritik an der Mannschaft im Vergleich zum Vorjahr gibt auch einen Fingerzeig darauf, dass sein Vorpreschen wohl kalkuliert war. Im September wird gerne vom "heißen Herbst" gesprochen. Dann geht die Champions League los, man muss im Pokal ran und in der Liga aufpassen, dass man die Konkurrenz in Schach hält. Unnötige Niederlagen können schnell die Ziele in einem der drei Wettbewerbe gefährden und frühzeitig Trainer und Klub unter Druck setzen. In diesem Fall wäre das mediale Echo noch viel größer, als die derzeitige Meinungsverschiedenheit.

Sammers Job wird unterschiedlich interpretiert

Im Zuge der Debatte tauchte aber noch eine andere Frage auf und die dürfte die Klub-Verantwortlichen wohl noch eine Weile beschäftigen. Was macht Matthias Sammer, der einen Vertrag bis 2015 besitzt, eigentlich beim FC Bayern genau? Hier scheinen die Vorstellungen tatsächlich auseinander zu gehen.

Bei seinem Amtsantritt gab Rummenigge eine klare Jobbeschreibung ab. Sammer sei zuständig für den "sportlichen Part innerhalb des Vorstandes. Für die Lizenzspielermannschaft, Trainerteam, Nachwuchs und Scouting." Sammer arbeitet zwar genau in diesen Bereichen. Doch während er sich nach eigener Aussage "sportlich-inhaltlich" für diese Bereiche verantwortlich fühlt und die "Leistung der Mannschaft und des Umfeldes organisieren und beeinflussen" möchte, scheinen die Bosse von Sammer zu erwarten, dass er sich auch um wirtschaftliche und rechtliche Dinge kümmern soll.

Sammers Rolle bei der Götze-Verpflichtung

Die Verpflichtung von Mario Götze ist ein gutes Beispiel. "Er hat die Überzeugungsarbeit geleistet und den Spieler für Bayern emotionalisiert, zitiert der "kicker" Götze-Berater Volker Struth. "Als es um die Zahlen ging, war Sammer raus." Allerdings sagt Sammer selbst, dass er sich für diesen Bereich gar nicht befähigt sieht und sich "aus Verantwortungsgefühl gegenüber dem Verein bewusst" zurückhält. Hier scheinen sich die Protagonisten noch annähern zu müssen.

Dafür hat der ehemalige Sportdirektor des DFB die Scoutingabteilung professionalisiert und neue Trainer für die Nachwuchsteams engagiert. Mit Heiko Herrlich, der allerdings nach Peter Hermann und Stefan Effenberg nur dritte Wahl war, holte Sammer einen neuen U17-Trainer und mit Erik ten Hag einen Top-Trainer für die U23, den FC Bayern II. Ten Hag rangiert mit seiner Mannschaft souverän an der Tabellenspitze der Regionalliga.

Tarnat: Anfangs war es schwierig

Allerdings polarisiert Sammer mit seiner Art nie zufrieden zu sein, stets alles zu hinterfragen natürlich auch in tieferen Ebenen des Vereins. Michael Tarnat, Ex-Bayern-Profi und jetziger Sportlicher Leiter des junior teams, gab zu, dass sich die Anfänge der Zusammenarbeit schwierig gestaltet hätten. "Inzwischen ist der Austausch viel besser."

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Dazu kommt noch, dass Sammer mit Herrlich, den er aus gemeinsamen Zeiten in Dortmund und beim DFB kennt, einen ähnlich anstrengenden Charakter nach München gelotst hat. In puncto Verbissenheit in die Aufgabe schenken sich die beiden nichts. Mit Sammer kam auch Dr. Karsten Schumann nach München. "Wissenschaftlicher Mitarbeiter" lautet seine offizielle Bezeichnung. Er arbeitet Sammer zu, wird aber auch nach über einem Jahr in München skeptisch gesehen, weil keiner genau weiß, was er konkret macht. Schumann soll Leitlinien für eine angepasste Vereinskultur entwickeln, was auch immer damit gemeint ist. Bereits im vergangenen Jahr staunte Jupp Heynckes nicht schlecht, als Schumann jede seiner Trainingseinheit akribisch dokumentierte.

Die Beziehung zu Guardiola

Während der kommunikative und offene ten Hag im Klub schnell akzeptiert wurde, betrachtet man Herrlich und Schumann eher etwas distanzierter, was natürlich auch auf Sammer zurückfällt. Allerdings muss das nicht zwangsläufig schlecht sein. Im Gegenteil: Pure Wohlfühloasen sind nur in den seltenen Fällen leistungsfördernd. Schließlich steht über allem der sportliche Erfolg.

Dazu ist vor allem die Beziehung zwischen dem neuen Trainer Guardiola und Sammer wichtig. Und diese Beziehung dürfte passen. Schließlich sind beide vernarrt in ihre Arbeit und frei von allzu großen Egoismen. Die Sache steht im Mittelpunkt, hier treffen sich die beiden ehemaligen Weltklasse-Fußballer und es scheint sich ein echtes Vertrauensverhältnis aufzubauen, auch wenn der Spanier anfangs irritiert war, dass Sammer jeder Trainingseinheit beiwohnt und stets in der Kabine ist. Das kannte er aus Spanien nicht.

Guter Polizist, böser Polizist

Während Guardiola sagt, dass er seine Spieler liebt und nie öffentlich kritisieren wird, ist es bei Sammer anders. Sein Verhältnis zu den Spielern ist etwas distanzierter. Er scheut auch nicht davor öffentlich Kritik zu üben. Allerdings wird er niemals einen Einzelnen an den Pranger stellen und legt Wert darauf, dass seine Kritik stets konstruktiv ist. Und so könnten die beiden eine Form von "guter Polizist, böser Polizist" entwickeln, die bei den Spielern noch etwas mehr Leistung herauskitzeln könnte.

Wie Guardiola zu Kritik Sammers an der Mannschaft nach dem Hannover-Spiel wirklich steht, ist nicht bekannt. Offiziell sagte er, er habe damit kein Problem. Sollte er auch nicht. Schließlich nahm Sammer den spanischen Coach in Schutz und sorgte dafür, dass nach Wochen des Guardiola-Hypes, in dem ein wahnsinniger Druck aufgebaut wurde, plötzlich die Funktionäre im Blickpunkt standen. Guardiola konnte erstmals seit seiner Ankunft in München in Ruhe arbeiten, ohne dass alles gleich wieder hinterfragt wurde.

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