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Lokomotive Moskau entlässt Joe Zinnbauer: Die seltsame Karriere des "Ferrari-Joe"


Als alle Russland verließen, wechselte er dorthin
Der irrwitzige Weg von "Ferrari-Joe"


Aktualisiert am 11.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Josef Zinnbauer: Als Spieler absolvierte der heutige Trainer unter anderem 16 Zweitligaspiele für Mainz 05. (Quelle: imago sportfotodienst)

Andere deutsche Trainer verließen Russland, er ging bewusst dorthin: Josef Zinnbauer. Nicht der einzige Irrweg seiner Karriere. Jetzt wurde er entlassen.

Anfang März dieses Jahres traten Daniel Farke (FK Krasnodar) und Markus Gisdol (Lokomotive Moskau) wegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine von ihren Ämtern zurück. Die deutschen Trainer wollten nicht in einem Land bleiben, das einen Angriffskrieg mitten in Europa führt. Gisdol erklärte: "Fußballtrainer ist für mich der schönste Job der Welt. Ich kann meiner Berufung aber nicht in einem Land nachgehen, dessen Staatsführer einen Angriffskrieg mitten in Europa verantwortet."

Josef "Joe" Zinnbauer war das offenkundig völlig egal. Der deutsche Trainer trat im Juli 2022 den Chefposten bei Lokomotive Moskau an. Über die außergewöhnlichen politischen Umstände sprach der 52-Jährige nicht. Stattdessen sagte er beim Amtsantritt auf dem YouTube-Kanal des Vereins: "Ich habe das Trainingszentrum besichtigt und kann sagen, dass es den besten Zentren in Deutschland in nichts nachsteht. Alles ist in einem idealen Zustand."

Für seinen unkritischen Umgang mit dem Ukraine-Krieg und seinem Engagement bei Lok Moskau musste Zinnbauer viel Kritik einstecken. Unter anderem sagte Darijo Srna, Sportdirektor beim ukrainischen Klub Schachtjor Donezk, über Zinnbauer: "Ich habe ihm nichts zu sagen. Er hat mit seiner Entscheidung schon alles über seinen Charakter verraten."

Ein sportlicher Erfolg wurde seine Zeit in Moskau nicht. Von zwölf Spielen in der russischen Liga gewann Zinnbauer mit seinem Team nur zwei. Hinzu kamen drei Unentschieden und sieben Niederlagen (0,75 Punkte pro Spiel). Die letzten fünf Begegnungen verlor er allesamt, zuletzt setzte es eine heftige 0:4-Pleite bei FK Sochi.

Zinnbauer über HSV-Zeit: "... dann muss man eben gehen"

Auf europäischer Bühne konnte Zinnbauer sich nicht beweisen, da alle russischen Vereine wegen des Angriffskriegs in der Ukraine von Uefa-Wettbewerben ausgeschlossen sind. Am Samstagabend zog Lokomotive Moskau dann die Reißleine und gab die Entlassung Zinnbauers bekannt. Auch der deutsche Sportdirektor Thomas Zorn musste gehen.

Zinnbauer machte sich im September 2014 in Deutschland einen Namen, weil er zum Cheftrainer des Hamburger SV aufstieg. Er folgte auf Mirko Slomka. Zinnbauer war zuvor Coach der zweiten Mannschaft des HSV gewesen. In insgesamt 23 Bundesligaspielen sammelte er 24 Punkte (1,04 Punkte pro Spiel), wurde aber letztlich im März 2015 nach einer Durststrecke mit nur zwei Punkten aus sechs Spielen (darunter das 0:8 bei Bayern, Torverhältnis 2:15) entlassen.

2021 reflektierte Zinnbauer in einem Interview mit Sport1 seine HSV-Zeit: "Irgendwann passen die Resultate nicht und dann muss man eben gehen. Ich hatte bei der U23 eine erfolgreiche Zeit, sonst wäre ich nicht Trainer bei der ersten Mannschaft geworden. Der HSV ist für einen Trainer ein ganz schwieriger Klub. Das sieht man auch jetzt wieder. Aber es nagt nicht an mir."

Zinnbauer ging nach Südafrika

Im September 2015 übernahm Zinnbauer sein nächstes Traineramt. Dieses Mal zog es ihn zum FC St. Gallen in die Schweiz. Dort blieb er zwar bis Mai 2017, war aber erneut nicht erfolgreich. Er holte nur 1,07 Punkte pro Spiel und wurde nach einer Niederlagenserie gefeuert.

Bei der nächsten Station wurde es noch exotischer. Zinnbauer übernahm die Orlando Pirates aus Südafrika. Dort war er von Dezember 2019 bis August 2021 aktiv. Der Trainer wurde mit seiner Mannschaft zweimal Dritter und gewann zudem 2020 den Pokalwettbewerb MTN 8. Trotz der Erfolge verließ er 2021 den Verein.

Zinnbauer erklärte bei Sport1 das Ende seiner Zeit in Südafrika: "Das war vor allem aus familiären Gründen. Es ist ja bekannt, dass mein Sohn einen schweren Verkehrsunfall hatte, und daher möchte ich einfach mehr bei ihm und meiner Familie sein."

Zinnbauer machte Millionen mit eigenem Unternehmen

Fußball stand aber nicht immer im Mittelpunkt des Lebens von Zinnbauer. Mit 22 Jahren gründete er noch während seiner aktiven Spielerlaufbahn ein Finanzberatungsunternehmen. Er verdiente etliche Millionen, leistete sich unter anderem mit 24 bereits einen Ferrari. Von seinen Kollegen wurde er deshalb auch "Ferrari-Joe" genannt. 2016 erklärte Zinnbauer in einem Interview mit der Zeitung "bz Basel", dass er damit abgeschlossen habe: "Seit acht Jahren arbeite ich nicht mehr als Unternehmer. Ich bin nur noch Eigentümer und Namensgeber der 'Unternehmensgruppe Zinnbauer'."

Zinnbauer war es in diesem Zusammenhang auch wichtig, ungefragt das Gerücht klarzustellen, er habe für lau gespielt: "Ich hatte sowohl als Spieler als auch als Trainer immer gut dotierte Verträge. Sicher nicht in der Größenordnung der Einnahmen, die ich als Unternehmer hatte. Aber ich war für die Vereine immer ein wichtiger Posten im Budget."

Als Trainer konnte Zinnbauer bei Weitem nicht an seine unternehmerischen Erfolge anknüpfen. Wie es jetzt für ihn weitergeht, ist unklar. Es wäre keine Überraschung, wenn er wieder ins Ausland gehen würde. Mit seiner Entscheidung für Lokomotive Moskau dürfte er viel Kredit verspielt haben.

Sowohl Zinnbauers sportliche Bilanzen als auch dessen Russland-Engagement in Zeiten des Ukraine-Krieges werfen Fragen zu seiner sportlichen Zukunft auf.

Verwendete Quellen
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