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Steffi Graf: Sie spielte, siegte und verschwand – was macht die Tennislegende heute?


Was macht eigentlich Steffi Graf?
Sie spielte, siegte – und verschwand

Von Florian Vonholdt

Aktualisiert am 06.11.2022Lesedauer: 6 Min.
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Steffi Graf mit ihrem Ehemann André Agassi, mit dem sie seit 2001 verheiratet ist. Zusammen kommen die beiden Tennislegenden auf 30 Grand-Slam-Titel. (Quelle: TEAM B)

Steffi Graf meidet die Öffentlichkeit, brennt aber für ihre Stiftung, die sie einst selbst gründete. Wie der Tennisstar nach seiner Karriere lebt.

Rückblende ins Jahr 1999: Der Spätsommer des letzten Jahres vor der Jahrtausendwende stellt einen gewaltigen Einschnitt für Tennis-Deutschland dar. Ein sportliches Erdbeben. Sechs Wochen nach Boris Becker verkündet auch Steffi Graf ihren Rücktritt vom Profi-Tennis. Die beiden größten und erfolgreichsten Tennis-Persönlichkeiten – auf einen Schlag weg!

Becker und Graf, zusammen hatten sie mit ihren herausragenden Erfolgen hierzulande den Boom der Sportart Mitte der 80er-Jahre ausgelöst – und beendeten ihn gewissermaßen auch gemeinsam. Sie hinterließen eine riesige Lücke, die bis heute, mehr als zwei Jahrzehnte später, nicht wieder geschlossen werden konnte. Zwei Sportidole, deren Charaktere unterschiedlicher kaum sein könnten; genau wie ihre Lebenswege nach ihren einzigartigen Sportlerkarrieren.

Becker und Graf: Konträre Lebenswege der Tennis-Idole

Während der eine weiter die Öffentlichkeit suchte, als TV-Experte, Tour-Trainer, Pokerspieler, Werbefigur oder bis zu seiner Inhaftierung Ende April dieses Jahres auch als Angeklagter vor Gerichten im Fokus der Medien stand, zog sich die andere nahezu vollständig ins Private zurück.

Becker blieb über die Jahre praktisch omnipräsent. Mal mehr, mal weniger freiwillig. Man wusste stets, was er tat, wen er liebte, mit wem er über Kreuz lag oder wo er urlaubte. Bei seinem weiblichen Gegenüber fragt man sich dagegen schon seit Jahren: Was macht eigentlich Steffi Graf?

Die kurze Antwort: Die heute 53-Jährige genießt ihr inzwischen anonymes Leben in den USA, fernab der Glanz- und Glamourwelten von Show- und Sportbusiness. Und das, obwohl der berühmte Strip von Las Vegas nur einen Steinwurf von ihrem Haus entfernt ist. Graf widmet sich nur noch Dingen, die ihr Spaß bereiten. Und dazu zählt definitiv nicht die Präsenz in den Medien. Die hatte sie lange genug und mochte sie bereits während ihrer glorreichen, mit 22 Grand-Slam-Titeln gespickten Laufbahn überhaupt nicht.

Arbeiten muss sie längst nicht mehr, hat – und da sind wir wieder bei den Gegensätzen zu Becker – ihre Millionen gut angelegt und ist nach wie vor als Markenbotschafterin (z.B. Longines, Teekanne) ein gefragtes Gesicht. Auch als Geschäftsfrau ist sie erfolgreich. 2004 war sie Mitgründerin der Fitnessstudio-Kette Mrs. Sporty, die sich an Frauen richtet.

Graf einst über Trainerjob: "Mir fehlen Zeit und Interesse"

Dem Tennisgeschäft verbunden bleiben wollte sie nie, schloss das für sich früh nach ihrem Karriereende aus: "Vielleicht mal ein Show-Turnier spielen. Aber an einer Senioren-Tour teilzunehmen, kann ich mir unmöglich vorstellen. Genauso sehe ich in meiner Zukunft nicht, Teamchefin der Fed-Cup-Mannschaft zu werden oder mich da stärker zu engagieren. Mir fehlen dazu das Interesse und die Zeit", sagte Graf im Frühjahr 2002.

Und genau so kam es. Mit ihrem Mann André Agassi war sie hin und wieder bei Wohltätigkeits- oder Showmatches zu sehen. In Wimbledon etwa, oder bei den French Open in Paris. Mit dem großen Tennisbusiness aber hat sie abgeschlossen.

Apropos Agassi: Ihre Ehe mit der amerikanischen Tennislegende hätte freilich genug Potenzial geboten, um die Klatschspalten der Boulevardpresse zu füllen. Er, der bunte Vogel aus dem Spielerparadies Las Vegas, heiratet sie, die beste Tennisspielerin der Geschichte. Das Traumpaar der Sportwelt. Doch die beiden haben sich ihren persönlichen Traum erfüllt, leben seit mehr als 20 Jahren als ganz normale Familie zurückgezogen in der Nähe von Las Vegas. Ohne jegliche Skandale.

Als Graf und Agassi 2001 heirateten, war André noch auf der Tour unterwegs. Im selben Jahr brachte Graf Sohn Jaden Gil zur Welt. 2003 folgte Tochter Jaz Elle. Anfangs begleitete Graf samt Nachwuchs ihren Mann noch zu einigen seiner Turniere. Als 2006 auch Agassi vom Profitennis zurücktrat, wurde es ruhig um das weltberühmte Ehepaar.

Seitdem stehen ihre Kinder, die inzwischen erwachsen sind und die sportlichen Gene der Eltern geerbt haben, im Mittelpunkt. Jaden Gil (21) ist dabei, sich als Baseballspieler in den USA einen Namen zu machen. Seine jüngere Schwester Jaz Elle (19) tanzt gern Hip-Hop und präsentiert sich bei Instagram mit Hund Blue oder beim Skifahren.

"Habe grundsätzlich wenig Bedürfnis nach Öffentlichkeit"

Nicht allen gefiel Grafs radikaler Rückzug. Ihre frühere Kontrahentin Pam Shriver aus den USA sagte einmal: "Es ist schade, wenn die Spieler dem Sport nicht das zurückgeben, was sie von ihm bekommen haben." Trotzdem respektiere sie Grafs Entscheidung.

Erst kürzlich erklärte die langjährige Nummer eins (377 Wochen insgesamt), warum sie diesen Weg wählte. "Ich habe grundsätzlich wenig Bedürfnis nach Öffentlichkeit. Auch während meiner Karriere war mir meine Privatsphäre sehr wichtig, was damit zu tun haben könnte, dass ich bereits in einem so jungen Alter im Rampenlicht stand. Ich fühle mich in meiner Privatheit einfach wohler – und konzentriere mich auf das, was mir wichtig ist", sagte Graf in einem Interview im Mai mit der Modezeitschrift "Vogue".

Das ist neben ihrer Familie vor allem ihre Stiftung "Children for Tomorrow", der sie sehr viel Zeit widmet. Die gründete Graf 1998 selbst. Wenn sie einmal eines ihrer seltenen Interviews gibt, dann kommt fast immer ihr Herzensprojekt zur Sprache. Für das erwähnte "Vogue"-Interview ließ sie sich sogar für die Titelseite ablichten. Aber nur, um Aufmerksamkeit für ihre in Hamburg ansässige Stiftung zu sammeln, über die sie ausführlich sprach und mit der sie in Not geratene Kinder unterstützt.

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine steht auch ihre Institution vor großen Herausforderungen. Die Zahl an Hilfsbedürftigen hat dramatisch zugenommen. Graf: "In Hamburg befinden sich derzeit über 20.000 ukrainische Geflüchtete, davon vermutlich mindestens die Hälfte Kinder. Wir versuchen momentan, mehr Therapeuten zu finden, die uns bei der Unterstützung der Kinder helfen können."

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Wie wichtig ihr die Stiftungsarbeit ist, zeigt die Tatsache, dass der einzige Auftritt Grafs im Internet eine Website mit ihrem Namen ist, die sich um "Children for Tomorrow" dreht. Ein persönliches Konto von ihr in den sozialen Netzwerken sucht man vergebens. Ihr Mann hingegen gewährt auf seinem Instagram-Kanal mehr oder weniger regelmäßig Einblicke in das Leben im Hause Graf-Agassi. Etwa wenn Steffi den Weihnachtsbaum schmückt oder auf dem Court ein paar Bälle schlägt.

Der 52-jährige Agassi hat die Tür zur Weltöffentlichkeit noch einen Spalt weiter offen gelassen als seine Frau. So trainierte er 2017/18 kurzzeitig Spitzenspieler Novak Djokovic. Auch er betreibt eine Stiftung unter seinem Namen, die gefährdeten Kindern durch entsprechende Bildungsangebote helfen soll, den richtigen Weg einzuschlagen. Und er schrieb 2009 eine vielbeachtete Biografie ("Open").

Einladungen von WTA und US Open: Graf lehnt freundlich ab

Einmal die Dinge aus ihrer Sicht erzählen, sich ausführlich äußern, etwa über den großen Steuerskandal in den 90er-Jahren um ihren 2013 verstorbenen Vater Peter, das ist nicht Grafs Ding, wie sie der "Gala" verriet: "Danach habe ich absolut kein Verlangen – obwohl es sehr viele Anfragen von Verlagen gibt. Eine Biografie in der Familie reicht."

Nicht nur Buchverlage und Medien klopfen zu meist vergeblich bei der "Gräfin" an. Auch große Tennis-Institutionen scheitern. Als die Frauen-Tennisorganisation WTA 2013 in Wimbledon ihr 40-jähriges Bestehen feierte, hatte sie alle Spielerinnen, die je an der Spitze des Rankings standen, eingeladen. Es kamen fast alle: Williams, Navratilova, Hingis, Davenport, Billie Jean King & Co. Die, die die Rangliste am längsten von allen angeführt hatte, fehlte: Steffi Graf.

Auch die US Open hatten Graf im vergangenen Jahr eingeladen, als Djokovic kurz davor stand, als erster Tennisprofi seit Graf den Jahres-Grand-Slam zu erringen. Also alle vier Majors in einem Kalenderjahr zu gewinnen. Graf sagte freundlich ab.

Tipps für Rittner, Training mit Kerber

Dennoch hat sie nicht komplett dem Profitennis abgeschworen. Sie hält sich aber im Hintergrund, ohne feste Verpflichtungen. So fungierte sie etwa vor einigen Jahren als Botschafterin des WTA-Turniers im chinesischen Zhuhai. Graf pflegt und pflegte zudem regelmäßig Kontakt zu Frauen-Bundestrainerin Barbara Rittner. Vor dem Fed-Cup-Finale 2014 gegen Tschechien verriet die damalige Teamchefin: "Zurzeit telefoniere ich mit Steffi so häufig wie schon lange nicht mehr. Ihre Anteilnahme tut mir sehr gut. Sie gibt Tipps, die mich ruhiger und gelassener machen."

Graf half auch Angelique Kerber im Jahr 2015, als die in einer schweren sportlichen Krise steckte und trainierte mit ihr mehr oder weniger heimlich in den USA. Das war noch vor Kerbers erstem Grand-Slam-Titel, dessen Ursprung womöglich auch im Training mit der Tennis-Ikone lag. Kerber damals: "Es ist einfach etwas ganz Besonderes, wenn die Steffi dir was sagt. Sie spielt immer noch unfassbar gut, einfach unmenschlich. Rückhand-Slice, das hat sich nicht geändert, und sie bewegt sich immer noch wahnsinnig gut."

Und das, obwohl die jahrelange Karriere körperliche Spuren hinterlassen hat. Das verriet das frühere "Fräulein Vorhand" im Jahr 2019 dem amerikanischen "Stellar Magazine": "Hier zu sitzen, meine Hüfte – das schmerzt. Es ist also nicht so toll. Ich habe ein Knie, bei dem Knochen auf Knochen ist." Ihr Mann ergänzte: „Ihre Hüfte hat es am schlimmsten getroffen und mein Rücken ist ziemlich übel."

Auch wenn die körperlichen Gebrechen mehr werden, die Liebe füreinander wird immer größer. Behauptet zumindest Agassi. Gefragt, was er an seiner Frau am meisten bewundere, sagte er 2019 zur "Bild"-Zeitung: "Die Beziehung wird immer tiefer. Sie lebt nach ihren Werten, ist ihnen treu. Sie hat einen überragenden Spirit." Und dann liefert er den wohl treffendsten Satz über seine Frau: "Sie redet nicht, sie lebt einfach." So, wie es sich Graf immer gewünscht hat.

Verwendete Quellen
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