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Energiepreise | Verivox-Chef: "Die Preisbremsen sind überflüssig geworden"


Verivox-Chef Puschmann
"Die Preisbremsen sind überflüssig geworden"


Aktualisiert am 24.04.2023Lesedauer: 5 Min.
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Beleuchtete Häuser im Berliner Zentrum (Symbolbild): Ist die Energie zu teuer, zahlt der Staat einen Teil der Rechnung. (Quelle: Sean Gallup/getty-images-bilder)

Die Preise für Energie fallen. Doch nicht bei allen kommen sie an. Verivox-Chef Daniel Puschmann kritisiert: Das liegt auch an den staatlichen Preisbremsen.

12 Cent für die Kilowattstunde Gas, 40 Cent für die Kilowattstunde Strom: Wer derzeit mehr für Energie bezahlt, hat Glück. Dann nämlich greifen die staatlichen Preisbremsen, die Bundesregierung übernimmt also einen Teil der Rechnung.

Doch ist das überhaupt noch gerechtfertigt? Daniel Puschmann, Chef des Vergleichsportals Verivox, findet: Nein. Denn schon jetzt gäbe es sehr viele günstigere Tarife – man muss sie nur finden und entsprechend den Anbieter wechseln. Aufs Jahr gesehen, könnte der Staat seinen Berechnungen zufolge 3,6 Milliarden Euro sparen, wenn er das Aussitzen teurerer Grundversorgertarife nicht subventionieren würde. Was genau er damit meint, erklärt Puschmann im Interview mit t-online.

t-online: Herr Puschmann, vergangenes Jahr waren die Energiemärkte außer Rand und Band, Neukunden mussten für Strom und Gas teils das Dreifache bezahlen. Wie ist die Situation jetzt gerade?

Daniel Puschmann: Die Lage hat sich deutlich entspannt. Dafür gibt es mehrere Gründe: Der Energieverbrauch war deutlich geringer als erwartet, weil sowohl die Industrie als auch die Privathaushalte deutlich gespart haben. Zudem war die Versorgung besser und der Winter milder als zunächst befürchtet.

Was heißt das konkret?

An den Energiebörsen wird die Megawattstunde Strom zur Lieferung im kommenden Jahr derzeit für rund 133 Euro gehandelt. Im September 2022 wurden dafür über 500 Euro aufgerufen. Beim Gas ist der Unterschied noch extremer. Aktuell gibt es die Megawattstunde für rund 39 Euro, im vergangenen Jahr kostete sie teils nahezu das Zehnfache.

Geben die Anbieter diese gefallenen Preise flächendeckend weiter?

Welche Preise die Anbieter aufrufen, hängt stark von der Einkaufsstrategie ab. Wenn ein Anbieter im vergangenen Jahr besonders teuer Strom und Gas eingekauft hat, kann es sein, dass er jetzt noch immer höhere Preise von den Kunden verlangt. Hinzu kommt, dass einige Anbieter auch einfach eine höhere Marge haben als andere. Umgekehrt heißt das auch: Nur weil ein Anbieter günstige Preise aufruft, ist er nicht unseriös.

Wie viel müssen die Deutschen jetzt für Strom und Gas bezahlen?

Im Bundesdurchschnitt liegen die Arbeitspreise in den Neukundentarifen für Strom bei 31,6 Cent die Kilowattstunde und für Gas bei 10,2 Cent. Damit sind sie deutlich günstiger als die staatlichen Preisbremsen.

Sie meinen die Energiepreisebremsen, die den Endverbraucherpreis für Gas bei 12 Cent und für Strom bei 40 Cent je Kilowattstunde fixieren.

Genau. Für diese günstigen Neukundentarife kommen die gerade gar nicht mehr zum Tragen.

Das ist doch gut, oder?

Absolut. Und die Einführung der Preisbremsen im vergangenen Jahr war angesichts der sehr schnell, sehr stark gestiegen Kosten auch gerechtfertigt. Viele Verbraucher hatten 2022 existenzielle Ängste, weil nicht absehbar war, wohin sich die Preise noch entwickeln. In dieser Lage hat der staatliche Eingriff Vertrauen geschaffen.

Aber?

In der jetzigen Form sind die Preisbremsen überflüssig geworden. Wer letztes Jahr in einen teuren Tarif gewechselt ist, sollte weiter durch die Preisbremsen geschützt werden, bis der Vertrag ausgelaufen ist. Neukundentarife sollten wir aber nicht mehr subventionieren. Der Staat gibt ein Heidengeld dafür aus, das er sich sparen könnte. Um die Dimension zu verdeutlichen: Der Fiskus könnte dieses Jahr 3,6 Milliarden Euro sparen, wenn alle Kunden, die im teureren Grundversorgertarif sind, in einen günstigeren Neukundentarif wechseln würden. Um Preise zu senken, brauchen wir die Gas- und die Strompreisbremse nicht mehr, das macht der Wettbewerb besser. Spätestens zum Jahresende sollten die Preisbremsen deshalb wie geplant auslaufen.

Daniel Puschmann ist seit 2020 Chef des Vergleichsportals Verivox. Dort können Verbraucher neben Strom- und Gastarifen auch die Konditionen von Handyverträgen, Krediten und Versicherungen miteinander vergleichen und direkt abschließen – wofür Verivox Provisionen kassiert. Das Unternehmen, das mit seinen rund 500 Mitarbeitern zum Fernsehkonzern Pro7-Sat.1 gehört, ist damit ein Konkurrent von Check24, das ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgt.

Noch wissen wir aber nicht, wie die Versorgungslage im kommenden Winter sein wird. Ist Ihre Forderung da nicht verfrüht?

Wir wissen nicht, was kommt, aber ein ähnlich einschneidendes Ereignis wie den russischen Einmarsch in der Ukraine halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Aktuell gibt es genug günstige Angebote auf dem Markt und es ist nicht die Aufgabe der Politik, die eine zu teure Einkaufsstrategie oder die hohen Margen einzelner Anbieter zu subventionieren.

Wieso bleiben denn so viele Deutsche in teureren Tarifen, wenn Sie doch damit werben, wie einfach das Wechseln ist?

Am Zeitaufwand liegt es nicht, denn den Strom- oder Gastarif können Sie in wenigen Minuten wechseln. Aber einige Menschen sind zurückhaltend, viele beziehen Energie noch immer in der Grundversorgung. Dort kostet der Arbeitspreis für die Kilowattstunde Strom im Schnitt 46,2 Cent und Gas 15,9 Cent – also deutlich mehr als bei vielen Neukundentarifen. Doch viele Kunden sind schlichtweg verunsichert und fürchten, dass sie bei einem Wechsel womöglich tagelang nicht versorgt werden oder im Fall einer Panne bei einem günstigeren Anbieter keine Hilfe bekommen. Dabei geht das in Deutschland nicht: Strom und Gas fließen auch beim Anbieterwechsel problemlos weiter. Doch diese Unsicherheit wird teilweise von einigen Anbietern bewusst verstärkt, denn sonst müssten sie ja ihre Konditionen verbessern.


Quotation Mark

Ganz ohne Netz geht nicht


Daniel Puschmann, Chef von Verivox


Allgemein gesprochen: Wie häufig sollten Verbraucher ihre bestehenden Verträge überprüfen und Wechsel in Erwägung ziehen?

Bei Strom und Gas sagen wir immer: einmal im Jahr vergleichen. Eine durchschnittliche vierköpfige Familie kann dadurch jährlich mehrere hundert Euro sparen. Dieses Geld lässt sich prima in anderes investieren, in den Urlaub, oder auch nur in Eis für die Kinder – und das alles ganz ohne Leistungsverzicht.

Bei DSL-Tarifen ist das aber anders. Wer da mal einen Wechsel wagt, steht schnell für mehrere Wochen zu Hause ohne Internet da.

Absolut, das ist ein riesiges Problem. Da ist die Politik gefragt. Genau wie bei Strom und Gas muss auch beim Internet gelten: Ganz ohne Netz geht nicht.

Was müsste dafür geschehen?

Bei einem Wechsel könnte zum Beispiel der alte Anbieter so lange weiter liefern, bis der Wechsel abgeschlossen ist. Grundsätzlich wichtig ist immer die Trennung von Infrastruktur- und Tarifanbieter, weil das den Wettbewerb verbessert. Ich selbst könnte mir vorstellen, dass es so etwas gibt wie eine Standard-Internet-Box, die in jedem Haus und in jeder Wohnung installiert wird. Über die würde dann ähnlich wie beim Gasanschluss immer Internet bei mir ankommen – egal, von welchem Anbieter es kommen mag.

Was kann die Politik sonst noch tun, um für mehr Preistransparenz im Sinne der Verbraucher sorgen?

Gut wäre, wenn Anbieter – egal ob für Strom, Gas, Internet, Girokonten – verpflichtet wären, ihre aktuellen Tarife und Entgelte täglich im Netz zu aktualisieren und über eine technische Schnittstelle bereitzustellen. Auf diese könnten dann wir als Vergleichsportal zugreifen und für entsprechend umfassende Transparenz am Markt sorgen.

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Das könnte der Staat dann aber auch gleich selbst machen über ein behördliches Vergleichsportal.

Diese Idee schwirrt schon länger herum und im Falle der Girokonten soll das die Finanzaufsicht Bafin ja jetzt auch machen. Meine Meinung ist aber: Die Bafin hat andere Aufgaben und überhaupt nicht die nötigen Ressourcen, um ein solches Portal zu bauen. Es gibt ja bereits Portale wie unseres mit der entsprechenden Expertise.

In naher Zukunft werden bei Ihnen vermutlich deutlich weniger Menschen nach anderen Gastarifen suchen – weil die Wärmepumpe die Gasheizung ablösen soll. Fürchten Sie da eigentlich um Ihr Geschäft?

Nein. Denn dadurch werden viele Haushalte voraussichtlich mehr Strom verbrauchen für Wärmepumpen und auch Elektroautos – und somit hier nach passenden Anbietern suchen. Das macht für uns als Vergleichsportal am Ende keinen großen Unterschied.

Herr Puschmann, vielen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Videointerview mit Daniel Puschmann am 21. April 2023
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