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So viel bringen die geplanten Ampel-Entlastungen wirklich


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Dieser Entlastungsplan der Ampel bringt wirklich etwas

Von Mauritius Kloft

21.03.2022Lesedauer: 8 Min.
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Robert Habeck und Christian Lindner (Symbolbild): Die Ampel ringt um ein Entlastungspaket.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck und Christian Lindner (Symbolbild): Die Ampel ringt um ein Entlastungspaket. (Quelle: photothek/imago-images-bilder)

Tankrabatt, Energiegeld, Heizkostenzuschuss: Vorschläge und Pläne, die Deutschen zu entlasten, gibt es einige. Doch was sie taugen, ist fraglich. t-online hat Deutschlands wichtigste Ökonomen gefragt – und macht den Check.

Die Preise für Öl und Gas, fürs Tanken und fürs Heizen steigen und steigen. Die Bundesregierung hat deshalb ein Entlastungspaket für die Bürger versprochen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte an, die Regierung werde bei diesem Thema "rasch zusammenkommen", am Abend treffen sich wohl die Fachpolitiker der Ampel. Noch in dieser Woche werden Ergebnisse erwartet.

Lindner selbst kündigte jüngst einen Tankrabatt an: ein Vorschlag, der kontrovers diskutiert wird. Doch welche Ideen stehen aktuell noch im Raum? Und was taugen sie wirklich?

t-online hat Deutschlands führende Ökonominnen und Ökonomen befragt und sie um ihre Einschätzungen samt Schulnoten gebeten:

  • Monika Schnitzer, Professorin für komparative Wirtschaftsforschung, Wirtschaftsweisin
  • Veronika Grimm, Professorin für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftstheorie, Wirtschaftsweisin
  • Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln)
  • Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)
  • Andreas Peichl, Professor für Volkswirtschaftslehre, Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen

Die Ergebnisse des großen t-online-Entlastungschecks finden Sie unter den jeweiligen Abschnitten.

Tankrabatt

Der wohl umstrittenste Vorschlag in der aktuellen Debatte stammt vom Finanzminister selbst. Lindner hatte vergangenen Montag einen "Krisenrabatt" direkt an der Tankstelle vorgeschlagen. Dieser könne drei Monate befristet ausgezahlt werden, was mehr als sechs Milliarden Euro kosten würde.

Tankstellenketten könnten auf der Basis der Gesamtmenge des verkauften Sprits die Erstattung beim Staat beantragen, schlug er vor. Wie genau der Rabatt ausgestaltet sein soll, steht aber noch nicht fest. Mehr dazu lesen Sie hier.

Was sagen die Ökonomen dazu?

Nichts Gutes. Würde die schulische Karriere von Christian Lindner an dieser Idee hängen, wäre das Fazit eindeutig: versetzungsgefährdet. Wirtschaftsweisin Veronika Grimm sagt über den Tankrabatt: "Das ist aus der Zeit gefallen und nicht zielführend."

Ihr größter Kritikpunkt: Lindner wolle die Preise fossiler Energieträger senken. "Aber die wollen wir ja gerade einsparen", so Grimm. "Wenn es zu einem Lieferstopp kommen sollte, haben wir sonst erst richtig Probleme. Eine Reduktion der Preise fossiler Energieträger ist aktuell wie Feuer mit Benzin löschen zu wollen."

Auch DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagt, der Tankrabatt wäre kontraproduktiv, "würde manche Tankstellen vor den Ruin stellen und die Erträge der Mineralölkonzerne erhöhen". Zudem wäre er unsozial und kaum umzusetzen.

Hüther: Tankrabatt ist "extrem bürokratisch und aufwendig"

Die beste Note für den Tankrabatt vergeben noch Wirtschaftsweisin Monika Schnitzer und IW-Direktor Michael Hüther. Doch mehr als eine Fünf ist auch hier nicht drin. "Der Tankrabatt ist eine denkbar schlechte Idee", so Hüther.

Er befürchtet, dass Mineralölkonzerne die Preise anpassen und so der Effekt verpufft. "Damit kommt beim Konsumenten nicht mehr viel an." Außerdem sei der Tankrabatt nicht zielgenau: "Warum soll ein SUV-Fahrer mit hohem Einkommen genauso entlastet werden wie alle anderen?"

Zudem sei ein Tankrabatt "extrem bürokratisch und aufwendig", sagt Hüther, zumindest in der aktuellen Form, dass sich Tankstellenbetreiber die Differenz vom Staat über die Finanzämter zurückholen.

Wie wahrscheinlich ist die Umsetzung des Vorschlags?

Eher unwahrscheinlich

Der Widerstand für Lindner dürfte zu groß sein. Denn neben Deutschlands führenden Ökonomen fällt der Tankrabatt auch bei Tankstellenbetreibern, der Umweltlobby, den Sozialverbänden, Gewerkschaften sowie den Finanzämtern durch.

Nicht zuletzt kommt auch von den Koalitionspartnern Gegenwind. So positionierte sich bereits SPD-Co-Chef Lars Klingbeil gegen den Tankrabatt. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck nannte den Tankrabatt "gut gemeint und ich glaube nicht komplett zu Ende argumentiert".

Es könne nicht so sein, "dass der Staat alles bezahlt, egal wie man sich benimmt, wie viel Energie man verbraucht, egal wie weit man fährt, den Rest zahlt immer der Staat". Die Koalition werde hier aber sicher einen guten Vorschlag hinbekommen, sagte Habeck.

Selbst Lindner rückte mittlerweile vom Vorschlag ab. Er sei für andere Ideen offen, versicherte er. "Eine Krise ist aber nicht der richtige Zeitpunkt, grundsätzliche Skepsis gegenüber dem Auto zu diskutieren oder Verteilungsdebatten auszufechten", sagte Lindner der "Augsburger Allgemeinen" vom Montag.

Mehrwertsteuersenkung auf Benzin und Diesel

Vor allem die Union will die Mehrwertsteuer auf Benzin und Diesel befristet senken – von 19 auf 7 Prozent. "Das wäre eine unbürokratische, schnelle und gute Hilfe für alle", sagte CDU-Chef Friedrich Merz dem "Tagesspiegel" (Sonntag).

Auch sein Kollege von der CSU, Parteichef Markus Söder, hat bereits Anfang März eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Benzin gefordert. Das müsse "so schnell wie möglich" geschehen.

Was sagen die Ökonomen dazu?

Der Vorschlag stößt bei Ökonomen auf Ablehnung, viele ziehen den Vergleich zur befristeten Mehrwertsteuersenkung im Jahr 2020. So auch Wirtschaftsweisin Monika Schnitzer. "Die Erfahrungen 2020 haben gezeigt, dass die Mehrwertsteuersenkung nur unvollständig an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wurde", sagt sie t-online. Die Ökonomin schätzt, dass knapp 40 Prozent der Steuersenkung an die Mineralölwirtschaft gehen würde.

Auch IW-Direktor Michael Hüther kritisiert den Vorschlag. Er war Verfechter der befristeten Mehrwertsteuersenkung vor anderthalb Jahren. "Anders als bei der konjunkturpolitisch begründeten, befristeten Senkung der Mehrwertsteuer 2020 ist es nicht egal, wo der Effekt landet", sagt er. Der jetzige Vorschlag sei "eine für den Staat sehr teure Maßnahme, die nicht zielgenau ist".

Zum anderen könnten die Preise stark steigen, sobald die Senkung auslaufe, befürchtet Hüther. Zudem hätte ein Gesetz "eine lange Vorlaufzeit", sagt er.

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Anders sieht es DIW-Präsident Fratzscher. "Eine befristete Mehrwertsteuersenkung auf Benzin und Diesel teilt viele der Nachteile des Tankrabatts, wäre aber zumindest sehr schnell umsetzbar."

Wie wahrscheinlich ist die Umsetzung des Vorschlags?

Unwahrscheinlich

Die Ampelkoalition wird wohl keine Senkung der Mehrwertsteuer beschließen. Der Vorschlag spielt in den aktuellen Debatten auch schlicht keine Rolle. Laut Finanzminister Lindner ist eine Absenkung der Mehrwertsteuer allein auf Sprit zudem rechtlich nicht möglich.

Energiegeld

Dieser Vorschlag kommt von den Grünen. Es müsse so schnell wie möglich ein "Energiegeld" an alle Bürger ausgezahlt werden, forderte Co-Parteichefin Ricarda Lang. "Damit hat jede und jeder mehr Geld auf dem Konto, am meisten profitieren Menschen mit wenig Geld."

Neben dem Energiegeld steht ein sogenanntes Mobilitätsgeld im Raum. Das geht laut "Bild am Sonntag" auf Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zurück. Es soll demnach mit dem regulären Monatsgehalt überwiesen werden. Aktuell ringt die Ampel laut "Bild am Sonntag" über die Höhe und Gehaltsstufen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Auch vom baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kam ein ähnlicher Vorschlag, der sich in der Praxis vor allem an "wirklich Bedürftige" richten würde.

Was sagen die Ökonomen dazu?

Sie halten das Energiegeld im Großen und Ganzen für sinnvoll. Es sei sozial ausgewogener als die anderen Maßnahmen, sagt DIW-Chef Fratzscher t-online. Es habe "aber den Nachteil, dass es fossile Energieträger weiterhin subventioniert", so der Ökonom weiter. "Es sollte zudem auf Haushalte mit mittleren und geringen Einkommen beschränkt werden", sagt er.

Wirtschaftsweisin Grimm sieht es ähnlich. "Wenn man die Menschen noch über die beschlossenen Maßnahmen hinaus entlasten will, dann sollte man gezielt untere und mittlere Einkommensgruppen adressieren", sagt sie. Das könne über ein Energiegeld laufen.

Auch ihre Kollegin im Rat der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, befürwortet die Zahlung. "Ein Energiegeld würde deutlich machen, dass die CO2-Abgabe eine Lenkungswirkung entfalten, nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher zusätzlich belasten soll."

Mobilitätsgeld als bessere Alternative?

Kritik an dem Vorschlag kommt von IW-Direktor Michael Hüther. "In der Breite ist das in der aktuellen Situation nicht hilfreich und erreicht nicht diejenigen, die jetzt dringend Entlastung brauchen", sagt er und spricht sich für ein Mobilitätsgeld aus.

"Das würde beispielsweise Pendler in Flächenbundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Bayern deutlich entlasten, und zwar schneller als die Erhöhung der Pendlerpauschale", so Hüther. Die Ampel erhöhte die Pendlerpauschale rückwirkend zum 1. Januar von 35 auf 38 Cent pro Kilometer – für alle, die weiter als 21 Kilometer von ihrem Arbeitsort entfernt wohnen.

Auch Peichl vom Ifo-Institut ist für einen Mobilitätszuschuss. "Wenn man diesen Zuschuss noch (mit der Lohnsteuer) besteuert, sinkt die Entlastungswirkung mit steigendem Einkommen und die Hilfe kommt insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit niedrigen Einkommen zugute", sagt er.

Wie wahrscheinlich ist die Umsetzung des Vorschlags?

► Eher unwahrscheinlich

Dass ein Energiegeld kommen wird, gilt zwar als gesetzt; auch um die Kosten des Klimawandels und der Energiewende aufzufangen und sozialverträglich zu gestalten.

Dass es allerdings in der aktuellen Energiekrise kommt, ist fraglich. Deutlich wahrscheinlicher ist das Mobilitätsgeld, über das die Ampelkoalition derzeit berät. Gut möglich, dass dies ein Kompromiss zum Tankrabatt darstellt.

Senkung der Stromsteuer

Um den Strom billiger zu machen, will die Ampelkoalition die EEG-Umlage bereits im Juli abschaffen, mit der private Haushalte sich an den Kosten der Energiewende beteiligen. Ursprünglich war der Wegfall dieser Ökostrom-Abgabe erst für 2023 geplant.

Doch die Union forderte etwa auch, die Stromsteuer auf den EU-zulässigen Mindeststeuersatz abzusenken. Aktuell wären das 0,05 Cent pro Kilowattstunde – und damit deutlich weniger als die tatsächlich Stromsteuer in Deutschland in Höhe von 2,05 Cent für Haushaltskunden.

Was sagen die Ökonomen dazu?

Hier sind sich die Ökonomen uneins. Andreas Peichl vom Münchner Ifo-Institut gibt dem Vorschlag die schlechteste Note. Es sei ein "Eingriff in den Preismechanismus", sagt er t-online. "Steigende Preise signalisieren Knappheiten." Ohne sie fehle der notwendige Anpassungsdruck.

Mit derselben Begründung lehnt Peichl auch den Tankrabatt und die Senkung der Mehrwertsteuer auf Benzin und Diesel ab. "Die Zeiten der billigen Energie sind vorbei", sagt Peichl weiter. "Je früher wir uns an dauerhaft höhere Preise gewöhnen und unsere Lebens- und Produktionsweisen darauf einstellen, desto erfolgreicher wird Deutschland die grüne Transformation gelingen."

Ganz anders sieht es Wirtschaftsweisin Veronika Grimm, die eine niedrigere Stromsteuer befürwortet. "Die Menschen werden entlastet und die Anreize zur Elektrifizierung von Anwendungen steigt, da Strom billiger wird", sagt sie. Die Stromsteuer sollte der Bund daher ohnehin senken – unabhängig von der aktuellen Krise.

Wie wahrscheinlich ist die Umsetzung des Vorschlags?

Unwahrscheinlich

Aktuell steht die Senkung der Stromsteuer im politischen Berlin nicht zur Debatte. Noch Anfang Februar lehnte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das ab.

Doppelter Heizkostenzuschuss

Mehr als zwei Millionen Bürger in Deutschland bekommen wegen der hohen Energiepreise in den nächsten Monaten staatliche Hilfe bei den Heizkosten. Konkret sollen Wohngeldbezieher, die allein leben, 270 Euro erhalten.

Zwei-Personen-Haushalte bekommen 350 Euro, für jeden weiteren Mitbewohner gibt es noch einmal 70 Euro mehr. Studenten mit Bafög, Bezieher von Aufstiegs-Bafög und Berufsausbildungsbeihilfe erhalten pauschal 230 Euro.

Die Hilfen waren schon vor dem Krieg in der Ukraine beschlossen worden, ursprünglich aber mit deutlich niedrigeren Summen. Weil die Energiepreise seitdem noch einmal deutlich anzogen, stockten SPD, Grüne und FDP den Zuschuss auf das Doppelte auf.

Was sagen die Ökonomen dazu?

Deutschlands Wirtschaftsexperten bewerten ihn ausnahmslos positiv. "Ein solcher Zuschuss ist gut administrierbar und zielgenau, weil er den besonders Bedürftigen hilft", sagt Wirtschaftsweisin Schnitzer t-online. Ifo-Ökonom Peichl sieht im Heizkostenzuschuss "ein Beispiel für eine gezielte Förderung".

Auch Wirtschaftsweisin Grimm hält ihn für "sinnvoll". Der Grund: "Es ist wichtig, gerade besonders bedürftige Personengruppen in dieser Situation schnell zu entlasten, die am wenigsten Spielräume haben, die zusätzlichen Kosten zu tragen."

IW-Chef Hüther ist sogar dafür, dass noch mehr Menschen den Heizkostenzuschuss erhalten. "Zu überlegen wäre, ob man ihn über Wohngeldbezieher, Studenten mit Bafög sowie Bezieher von Aufstiegs-Bafög und Berufsausbildungsbeihilfe hinaus ausweitet, zum Beispiel auf die erste Zone der Einkommensteuer."

Wie wahrscheinlich ist die Umsetzung des Vorschlags?

Bereits beschlossen

Der doppelte Heizkostenzuschuss kommt, der Bundestag segnete ihn bereits ab. Ob die Ampel die Zahlung nochmals aufstockt, ist aber fraglich.

So forderte der Verbraucherzentrale Bundesverband mindestens 1.000 Euro pro Haushalt, damit die Heizkostenrechnung davon auch bezahlt werden könne.

Hinweis: Wir haben die Noten der Wirtschaftsweisin Monika Schnitzer auf Bitte leicht angepasst. Anstatt einer Fünf vergibt sie für Tankrabatt und befristete Mehrwertsteuersenkung nun eine Sechs.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Statements von Monika Schnitzer, Veronika Grimm, Andreas Peichl, Michael Hüther und Marcel Fratzscher
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