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Wegovy-Studie: Umstrittene Abnehmspritze senkt Infarkt-Risiko und Süchte


Gegen Sucht und Infarkte
Was kann die "Wunderspritze" wirklich?

Von reuters, lz

Aktualisiert am 11.08.2023Lesedauer: 4 Min.
Die Abnehmspritze Wegovy enthält den Wirkstoff Semaglutid. dieser wird einmal die Woche unter die Haut gespritzt, am Bauch, am Arm oder am Oberschenkel.Vergrößern des BildesAbnehmspritze Wegovy: Sie enthält den Wirkstoff Semaglutid. (Quelle: Diy13 / Getty Images)
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Die Aufmerksamkeit hinsichtlich der Abnehmspritze ist groß. Nun könnten weitere positive Effekte dazukommen: Sie soll das Herzinfarkt-Risiko senken und Süchte bekämpfen.

In Deutschland ist seit Mitte Juli die Abnehmspritze Wegovy zugelassen und weckt bei vielen Menschen die Hoffnung, einfach und langfristig ihr Gewicht reduzieren zu können. Es mehren sich aber die Hinweise, dass das Medikament weitaus mehr kann.

Wie wirkt die Abnehmspritze auf das Gewicht?

Semaglutid, der Wirkstoff der Abnehmspritze, war ursprünglich für Diabetes-Patienten entwickelt worden. Der Stoff wirkt in ähnlicher Weise wie das körpereigene Hormon GLP-1, das eine wichtige Rolle in der Steuerung des Zuckerstoffwechsels spielt. Semaglutid senkt den Blutzucker, hemmt den Appetit und erhöht das Sättigungsgefühl. Studien bestätigten einen Abnehmerfolg, der im Bereich von zehn bis 20 Prozent des Körpergewichts liegt.

Mehr Informationen zur Wirkung der Abnehmspritze erhalten Sie hier: Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Ozempic und Wegovy.

Abnehmspritze senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Neuesten Studiendaten zufolge bringt die Abnehmspritze neben dem Gewichtsverlust einen weiteren medizinischen Nutzen: In einer großen klinischen Studie reduzierte das Mittel das Risiko schwerer Herz-Kreislauf-Erkrankungen enorm.

Bei Teilnehmern, die übergewichtig oder fettleibig waren und an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung litten (aber nicht an Diabetes), reduzierte Semaglutid das Risiko eines schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisses um 20 Prozent. Als schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse wurden der Tod durch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung sowie nicht tödliche Herzinfarkte und Schlaganfälle definiert. Die Reduzierung des Risikos von 20 Prozent ist deutlich besser als die im Vorfeld von Experten erwarteten 15 bis 17 Prozent.

Noch sind nicht alle Details einsehbar, die vollständige Studie soll im Herbst veröffentlicht werden. Allerdings ist bekannt, dass die Wirkung mit rund 17.600 Erwachsenen im Alter von über 45 Jahren in 41 Ländern getestet wurde. Über fünf Jahre spritzten sich die Teilnehmer einmal wöchentlich entweder 2,4 Milligramm des Wegovy-Wirkstoffs Semaglutid oder unwissentlich ein Placebo ins Unterhautfettgewebe.

Kardioprotektive Wirkung für Diabetiker schon lange bekannt

Semaglutid war ursprünglich für Diabetes-Patienten entwickelt worden. Für sie ist schon länger belegt, dass Semaglutid nicht nur den Blutzucker und das Gewicht senkt, sondern auch das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen verringert.

Nun ist klar, dass auch Menschen ohne Diabetes von der Behandlung profitieren. Naheliegend war dies schon länger, denn schweres Übergewicht trägt deutlich zur Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei.

Semaglutid zügelt Appetit auf Alkohol

Ein weiterer Effekt: Die Gabe des Wirkstoffes Semaglutid kann den Appetit auf Alkohol dämpfen und den Alkoholkonsum um bis zu 50 Prozent reduzieren. Das fanden Forscher der Universität Göteborg bei einer Studie an Nagetieren heraus. Und: Der Wirkstoff verhinderte auch, dass die Nagetiere rückfällig wurden. Gerade bei alkoholkranken Menschen kommt es häufig zu schweren Rückfällen, bei denen sie mehr als zuvor konsumieren.

Die Forscher führten das Ergebnis auf eine hemmende Wirkung des Semaglutids auf eine bestimmte Hirnregion (Nucleus accumbens) zurück, die Teil des Belohnungssystems im Gehirn ist. Das sogenannte "Glückszentrum" im Gehirn ist an der Entstehung von Suchterkrankungen beteiligt. Alkohol oder andere Drogen wie etwa Kokain stimulieren hier über die Freisetzung des Botenstoffs Dopamin das Belohnungssystem. Das macht den Konsum der Substanzen so verlockend. Semaglutid wirkt hier hemmend.

Ob Semaglutid auch Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit helfen kann, ist allerdings noch nicht bekannt. Laut den Autoren der Nagetier-Studie gibt es zwar anekdotische Hinweise, wonach bei Patienten, die das Medikament zur Behandlung ihres Übergewichts oder Diabetes erhielten, auch das Verlangen nach Alkohol nachgelassen hat. Allerdings ist das kein Beleg für die Wirkung beim Menschen. Dazu bedarf es klinischer Studien am Menschen.

Abnehmspritze auch gegen Nikotin- und Kokain-Sucht?

Auch Berichte darüber, dass Menschen, die die Abnehmspritze verwenden, plötzlich aufgehört haben zu rauchen, finden sich im Internet. Die Vermutung liegt daher nahe, dass Semaglutid nicht nur das Essverhalten beeinflusst, sondern auch andere Verhaltensweisen, die über das Belohnungssystem gesteuert werden.

Aus diesem Grund versuchen Forscher schon länger herauszufinden, ob Semaglutid oder ähnliche Medikamente auch bei anderen Suchterkrankungen helfen, etwa mit Nikotin, Kokain oder Amphetaminen. In Versuchen mit Mäusen, Ratten und Affen verringerte die Gabe von Semaglutid den Alkoholkonsum – und auch das Verlangen von Mäusen nach Nikotin, Amphetaminen und Kokain war verringert.

Daher laufen in Dänemark und in den USA jetzt die ersten klinischen Studien, die den Effekt von Semaglutid auf Alkohol- und Nikotinkonsum bei Menschen erforschen.

Wegovy bald durch Krankenkassen finanziert?

Bei dem dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk befeuern die neuen Studienergebnisse die Hoffnungen, dass Wegovy vom Image eines Lifestyle-Medikaments befreit wird. Die Ergebnisse zeigten eindeutig, dass Wegovy "das Potenzial hat, die Art und Weise zu verändern, wie Fettleibigkeit betrachtet und behandelt wird", erklärte Novo-Entwicklungschef Martin Holst Lange. Daher will Novo Nordisk noch in diesem Jahr die Genehmigung für eine Vergrößerung des Anwendungsgebiets in den USA und der EU beantragen.

Und das könnte Krankenkassen womöglich überzeugen, die Kosten für Wegovy für ein breiteres Segment von Patienten zu übernehmen. Denn Mittel, die lediglich den Gewichtsverlust erleichtern sollen, sind bisher von der Erstattung durch die Krankenkassen ausgeschlossen. Daher müssen hierzulande Kassenpatienten Wegovy selbst zahlen. In Deutschland kostet das Medikament rund 300 Euro für die höchste Dosis für vier Wochen.

Bei Privatpatienten, rund zehn Prozent der Versicherten, sieht das anders aus. Sie bekommen Wegovy nach Angaben des Verbands der privaten Krankenversicherungen erstattet, wenn der Arzt es indikationsbezogen verordnet – und sofern keine tariflich bedingten Ausschlüsse vorliegen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur Reuters
  • ärzteblatt.de: "Adipositas: Semaglutid senkt Zahl der Herz-Kreislauf-Ereignisse". (Stand: August 2023)
  • ärzteblatt.de: "Studie: Semaglutid könnte auch Appetit auf Alkohol dämpfen". (Stand: Juni 2023)
  • frontiersin.org: "The central GLP-1: implications for food and drug reward". (Stand: Oktober 2013; englisch)
  • clinicaltrials.gov: "Semaglutide for Alcohol Use Disorder". (Stand: August 2022; englisch)
  • clinicaltrials.gov: "Effects of Semaglutide on Nicotine Intake". (Stand: September 2022; englisch)
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