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Ostseeinsel Gotland – Greift Russland hier als erstes an? Putins Achillesferse


Ostseeinsel von neuem Nato-Anwärter
Hier könnte Putin zuerst angreifen


Aktualisiert am 27.02.2024Lesedauer: 5 Min.
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Die Stadt Visby auf der schwedischen Insel Gotland, zwei schwedische Soldaten auf der Insel (Archivbild): Immer mehr Militär bezieht auf Gotland Stellung.Vergrößern des Bildes
Die Stadt Visby auf der schwedischen Insel Gotland, zwei schwedische Soldaten auf der Insel (Archivbild): Immer mehr Militär bezieht auf Gotland Stellung. (Quelle: t-online)

Seit Russlands Angriff auf die Ukraine will Schweden in die Nato – nun ist es so weit Für das westliche Militärbündnis ist das ein enormer Gewinn sein, denn Schweden besitzt eine Insel, mit der es die ganze Ostsee kontrollieren kann.

Auf der einen Seite der Insel wandern Touristen am Strand entlang, auf der anderen üben Soldaten mit Panzern für den Ernstfall: Schweden rüstet seine größte Insel Gotland in der Ostsee auf. Seit die schwedische Regierung Gotland 2005 demilitarisieren ließ, war die Insel eigentlich nur noch ein sonniger Urlaubsort. Doch mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich die Lage geändert.

Karl-Oscar Bolin, Schwedens Minister für Zivilverteidigung, erklärte am 10. Januar auf der jährlichen Konferenz "Volk und Verteidigung" diesen Wandel noch einmal ganz offiziell: "Es kann Krieg in Schweden geben." Immer mehr Schweden befürchten, selbst von Russland überfallen zu werden. Schweden setzte deshalb alles daran, schnellstmöglich der Nato beizutreten und machte dafür auch sein Militär bereit.

Die Türkei stimmte nach längerer Blockade der Aufnahme des Landes in die Nato zu – was der russische Geheimdienst hatte verhindern wollen. Nachdem nun auch Ungarn am Montag zugestimmt hat, steht Schwedens Beitritt nichts mehr im Wege.

Experten sind sich einig: Schweden ist eine Bereicherung für die Nato. Das Land verfügt über ein Militär, das schlagkräftig und gut ausgerüstet ist. Obendrein gehört die strategisch wichtige Insel Gotland zu Schweden: Es heißt, von hier aus könne das Land die ganze Ostsee kontrollieren. Und Schweden ist gewillt, diesen Vorteil weiter auszubauen, um Wladimir Putin von einem Angriff abzuhalten.

Dreh- und Angelpunkt in der Ostsee

Durch einen Nato-Beitritt Schwedens verfügt das Bündnis beinahe über ein geschlossenes Gebiet rund um die Ostsee, abgesehen von der russischen Exklave Kaliningrad und der Bucht vor Sankt Petersburg. Gotland spielt dabei eine besondere Rolle. Die Insel hat zwar nur 60.000 Einwohner und ist etwas größer als das Saarland, war aber bereits in der Vergangenheit stets ein geopolitisch wichtiger Dreh- und Angelpunkt. Die Wikinger betrieben hier um das Jahr 800 Handel, und das deutsche Handelsbündnis der Hanse nutzte die Insel im 13. Jahrhundert als Zwischenstopp für Reisen von der deutschen Küste nach Schweden und Russland.

Der schwedische Offizier Thomas Ängshammar erklärt auf Anfrage von t-online die militärische Bedeutung der Insel so: "Gotland ist der Schlüssel zur Ostsee. Wer Gotland kontrolliert, kann alle Bewegungen auf dem Meer drumherum kontrollieren, sowohl zivil wie militärisch." Ängshammar ist der Kommunikationschef des Gotlandregiments P 18, das erst Anfang 2018 gegründet wurde.


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Der hohe militärische Wert Gotlands liegt vor allem in seiner Lage. Bis zur schwedischen Hauptstadt Stockholm sind es von dort nur 200 Kilometer und zur russischen Enklave Kaliningrad nur 350. Von Kaliningrad nach Sankt Petersburg sind es hingegen gut 1.000 Kilometer auf dem Seeweg. Da in Kaliningrad die russische Ostseeflotte stationiert ist, könnte Gotland das erste Ziel einer russischen Invasion in der Ostsee sein. Russland könnte die Insel als Brückenkopf für weitere Operationen auf dem Festland nutzen und etwa auf Gotland Luftabwehrstellungen positionieren. Andererseits könnten Nato-Raketen auf Gotland auch vergleichsweise schnell russisches Festland erreichen.

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U-Boote sind im Kampf entscheidend

Schweden begann 2018, Gotland zu remilitarisieren und dort Soldaten zu stationieren. Im Sommer 2023 waren es 400, hinzu kommen noch einmal so viele Wehrpflichtige, Reservisten und Freiwillige. In Zukunft sollen es 4.500 Soldaten unter Waffen sein. Aber das werde noch einige Jahre dauern, so Ängshammar. Außerdem sind dort Panzer vom Typ Leopard 2 stationiert sowie CV-90 Schützenpanzer und nicht zuletzt U-Boote der Gotland-Klasse. Im Konfliktfall mit Russland könnte die Nato diese Boote gut gebrauchen, denn die russische Ostseeflotte umfasst 45 Schiffe und U-Boote sowie 3.000 Marinesoldaten. Schweden besitzt vier U-Boote, bis 2028 sollen zwei weitere hinzukommen.

Der Kampf um die Ostsee werde unter Wasser gewonnen, sagte der Militärexperte Johannes Peters im Sommer der ARD. Die schwedischen U-Boote wären für diesen Kampf gut geeignet, denn sie seien perfekt an die flachen Gewässer der Ostsee angepasst.

Schweden sind bereit, sich zu wehren

Schwedens Bestreben, der Nato beizutreten und Gotland wehrhaft zu machen, bedeutet eine Kehrtwende für das Land. Seit 200 Jahren herrscht Frieden in Schweden, während der beiden Weltkriege und im Kalten Krieg war das Land weitgehend neutral. Russlands Angriff auf die Ukraine hat zu einem Umdenken geführt.

Auch Anders Malm, der stellvertretende Kommandeur des Gotlandregiments, hat eine veränderte Haltung vieler Schweden zum Militär festgestellt. Im Gespräch mit der ARD sagte er: "Heute gibt es ein sehr klares Verständnis dafür, dass eine Verteidigung notwendig ist und dass die schwedischen Streitkräfte gute Arbeit leisten." In Schweden gebe es einen relativ starken Verteidigungswillen.

An der Aufrüstung auf Gotland gibt es allerdings auch Kritik. Robert Hall, ein Organisator von Jugendfreizeiten, sagte der ARD, dass der Tourismus und die Lebensqualität unter der zunehmenden Präsenz des Militärs litten. Seine Ökofarm sei bereits an drei von vier Seiten von Militärgelände umgeben, was sich für ihn unangenehm anfühle.

Beitritt Schwedens könnte Deutschlands Sicherheit stärken

Um miteinander militärisch gut zusammenarbeiten zu können, haben die Truppen der Nato und Schwedens bereits gemeinsam geübt. Am 17. April 2023 marschierte ein Bataillon von 700 US-Soldaten von Norwegen aus über die Grenze nach Schweden. Es war der Auftakt zu einem der größten Militärmanöver, das das Land in den vergangenen 25 Jahren gesehen hatte.

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Insgesamt waren an der Übung unter dem Namen "Aurora" 26.000 Soldaten aus vierzehn Staaten beteiligt. Trainiert wurde für ein Szenario, bei dem eine fremde Macht Schweden infiltriert und es zu einem bewaffneten Konflikt im Süden des Landes kommt. Mehr dazu lesen Sie hier. Laut Ängshammar dient die Aufrüstung dazu, Feinde abzuschrecken und zu zeigen, dass Schweden bereit ist, sein Land zu verteidigen. Im Sommer solle auch ein größeres Manöver auf Gotland stattfinden, sagt er. Auch nimmt Schweden an "Steadfast Defender" teil, der größten Militärübung seit dem Ende des Kalten Krieges. Mehr zu dem Manöver mit 90.000 Soldaten können Sie hier lesen.

Schwedens Beitritt könnte auch die Sicherheit Deutschlands erhöhen. Die Bundesregierung will zwar im Rahmen der "Zeitenwende" 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr investieren. Aber bis diese Ausgaben wirken, dauert es noch. Bis dahin stehe die deutsche Armee weiter "nackt" da, wie Bundeswehr-Oberst André Wüstner es vor gut einem Jahr formulierte. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geht davon aus, dass sich die Lage der Bundeswehr erst in drei bis fünf Jahren verbessert. Wenn vorher mit Schweden ein neuer Verbündeter hinzukäme, wäre das eine willkommene Unterstützung.

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