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Wladimir Putin: "Ihr Deutschen seid so naiv"


Putins Propaganda
"Ihr Deutschen seid so naiv, ihr bemerkt das nicht einmal"

t-online, Christina Rath

03.03.2016Lesedauer: 4 Min.
"Wer Putin kritisiert, muss mit Angriffen rechnen"Vergrößern des Bildes"Wer Putin kritisiert, muss mit Angriffen rechnen" (Quelle: AFP-bilder)
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Seite 2

Wollen wir das alles nicht bemerken oder fehlt uns einfach die Vorstellungskraft, dass so etwa hier im demokratischen Deutschland passieren kann?

Beides spielt eine Rolle. Wir haben 30 Jahre nach Ende des Kalten Krieges offenbar die Erinnerung an diesen verloren und vergessen, wie man sich damit auseinandersetzt. Nachdem wir das jetzt erleben, haben wir uns in Verdrängung gestürzt und sagen uns ständig, so schlimm könne das ja gar nicht sein. Es sind doch alle friedlich - doch leider sind eben nicht alle auf der Welt friedlich.

Sie haben einmal gesagt, dass Ihnen bei der Arbeit an Ihrem Buch regelmäßig die Luft wegblieb. Was für atemberaubende Dinge sind das denn, die Ihnen bei der Recherche begegnet sind?

Ich will noch nicht zu viel verraten, aber es gibt hier eine geheime Kampftruppe von Putin in Deutschland, es gibt unglaubliche Querverbindungen von rechten Netzwerken nach Moskau - bis hin zu einer sogenannten Querfront. Es gibt Tarnorganisationen von Putin, die hier für Stimmung sorgen sollen.

Es ist wie ein Thriller und man denkt sich: Warum sind wir so blind und sehen nicht, wie vieles von diesen Dingen bereits vom KGB, also aus Sowjetzeiten bekannt ist, was wir aber vergessen haben. Das geht bis hin zu mysteriösen Umständen eines Todesfalles eines prominenten Deutschen.

Was mich beim Schreiben immer wieder überrascht hat, das waren die Querverbindungen zur Stasi und auch zur Partei „Die Linke“. Da standen einem immer wieder die Haare zu Berge.

Sehr viel ist sehr viel enger mit Moskau verbunden, als wir uns das vorstellen wollen.

Das ist auch ein Generationsproblem: Die Älteren, die die DDR und die Sowjetunion noch erlebt haben, die können vieles sehr wohl nachvollziehen, für die Jüngeren ist das völlig neu und unvorstellbar.

Sie schreiben in Ihrem Buch, Putin wolle eine Internationale der Anti-Demokraten aufbauen. Was meinen Sie damit?

Sehr detailliert gehe ich auf den mafiösen Charakter der Moskauer Führung ein. Das ist der Grund, warum dieses Regime per se nicht friedlich mit Demokratien oder Rechtsstaaten koexistieren kann. Putins Hauptziel ist es, an dieser Front Frieden zu schaffen. Er will genug Einfluss in den westlichen Regierungen haben, dass sie ihn in Ruhe lassen.

Eine Demokratie ist für das Herrschaftsmodell, das wir derzeit in Russland haben, eine Gefahr. Und diese Gefahr will er bereinigen. Nicht mit Panzern, sondern mit anderen Methoden, die für uns deshalb nicht ungefährlicher sind….

….gezielte Desinformation, Propaganda, Lügengeschichten.

Genau. Was wir in unserem Friedensdrängen vergessen habe: Die Sowjetführer hatten immer den Anspruch, den Westen zu zerstören. Schon Chruschtschow sagte, "wir werden euch zu Grabe tragen", und auch Breschnew machte klar, dass die Entspannungspolitik nicht bedeute, dass sie diesen Anspruch aufgäben.

Das ist also ein gewisser Progress: Putin will uns vielleicht nicht mehr zerstören, sondern nur sein Politikmodell aufdrängen. Das ist immer noch gefährlich genug. Diese Vorgeschichte sollte uns zeigen, dass wir nicht so naiv sein dürfen.

Er will die Demokratien im Westen schwächen und uns sein Politikmodell aufdrängen. Gibt es Etappenziele auf dem Weg dorthin? Wie wird er die lästigen Sanktionen los?

Putin sieht sich selbst im Abwehrkampf: Wir attackieren sein System und er verteidigt sich nur durch Angriff. Sein erstes Ziel ist nach meinen Informationen, entweder Angela Merkel entscheidend zu schwächen, oder, besser noch, aus dem Kanzleramt zu bekommen. Dazu macht er auch konkrete Schritte.

Damit will er innerhalb der EU die knappe, putin-kritische Pro-Sanktionsmehrheit stürzen. Angela Merkel ist hier in vielem der Dominostein, der entscheidet, in welche Richtung die politische Mehrheit kippt - pro Sanktionen, contra Sanktionen.

Was kann der Westen gegen diese Angriffe tun? Der Auswärtige Dienst der EU hat die "East Stratcom Task Force" gegründet, die Beispiele für russische Propagandalügen sammelt. Das sind wenige Leute - können sie gegen die Propagandamaschinerie des Kremls etwas ausrichten?

Das ist wichtig, aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Was wir jetzt dringend bräuchten, das wäre ein freies russisches Fernsehen. Das gibt es ja bereits für Abonnenten, es gibt die ganze Infrastruktur, man müsste es nur entschlüsseln. Das wären geringe Kosten, aber leider habe ich den Eindruck, dass die Politik hier schläft. Das ist dramatisch. Man muss den drei Millionen russischsprachigen Menschen in Deutschland eine Alternative bieten.

Und was noch ganz entscheidend ist: Wladimir Putin ist mit seinem Propagandakrieg nur deshalb so stark, weil wir so schwach geworden sind. Wir haben sehr große Probleme in unserer Gesellschaft: nach den Silvesterangriffen in Köln ist das Vertrauen in die Polizei geschwunden, das Vertrauen in die Medien ist geschwunden. Bei uns läuft viel schief und Putin nutzt das aus. Wir müssen uns erst einmal auf unsere Grundtugenden besinnen.

Wir haben - auch ohne ihn - ein Feuer und er gießt da ständig Brandbeschleuniger rein.

Ist Putin wirklich so stark?

Er ist schwach, auch die russische Wirtschaft ist schwach, Russland ist wirtschaftlich etwa auf der Ebene von Italien. Das Problem ist nur, dass wir auf der einen Seite so naiv und ängstlich sind und auf der anderen Seite Putins Unterstützer hier so lautstark sind. Wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen würden, dann wäre er nicht so gefährlich für uns. Er ist ein Scheinriese.

Die Fragen stellte Christina Rath

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