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Reporter ohne Grenzen: Erdogan schafft "Klima der Angst"


Erdogans Angst-Apparat
"Sein Ziel ist, dass immer Druck besteht"

t-online, Özkan Canel Altintop

Aktualisiert am 21.04.2016Lesedauer: 3 Min.
Pressefreiheit in der Türkei: Präsident Recep Tayyip Erdogan verklagt gerne kritische Journalisten.Vergrößern des BildesPressefreiheit in der Türkei: Präsident Recep Tayyip Erdogan verklagt gerne kritische Journalisten. (Quelle: Reuters-bilder)
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In der Türkei wird die Pressefreiheit dramatisch eingeschränkt. Das Land landet im aktuellen Ranking von Reportern ohne Grenzen (ROG) auf Rang 151. ROG-Geschäftsführer Christian Mihr sieht zunehmend autoritäre Tendenzen. "Es ist ein Klima der Angst", sagte er im t-online.de-Interview.

t-online.de: Herr Mihr, die Türkei lässt Journalisten verhaften und stellt regierungskritische Medien unter staatliche Aufsicht. Was beabsichtigt die türkische Regierung?

Christian Mihr: Die Regierung in Ankara will die Presse gleichschalten. Sie will öffentliche Debatten zum Beispiel um die Kurdenpolitik oder auch die Korruption verhindern. Kritische Stimmen gegenüber Präsident Erdogan und seiner Politik, es spitzt sich ja alles auf seine Person zu, sollen ausgeschaltet werden.

Laut Staatspräsident Erdogan ist aber die Türkei einer der pressefreundlichsten Staaten der Welt. Er und seine Familie würden jeden Tag "zu Unrecht scharf angegangen". Er gehe nur gegen Beleidigungen vor. Stimmt das?

Nein, das stimmt nicht. Schauen Sie nach Deutschland, was deutsche Politiker alles aushalten müssen. Präsident Erdogan kann nicht mit Kritik umgehen. Er legt beinahe jede kritische Äußerung als Beleidigung gegen seine Person aus und überzieht Journalisten mit Klagen. Dabei geht es oft nur um kritischen Journalismus.

Regierungskritische Journalisten wie Can Dündar und Erdem Gül wurden verhaftet. Laut Anklage geht es um Spionage, Unterstützung von Terrorismus und Verbreitung von Staatsgeheimnissen. Ist die Pressefreiheit in der Türkei denn schon tot?

Nein, noch nicht. Die beiden haben nach der Haftentlassung ja weiter über die Waffenlieferungen berichtet. Die Journalisten machen einfach weiter. Aber es wird schwieriger. Der Druck ist groß und die Folge ist oft Selbstzensur. Doch noch gibt es freie Medien wie zum Beispiel "Bianet", "Birgün" und "Cumhuriyet".

Sie sagen es, die beiden sind nach einem Urteil des Verfassungsgerichts aus der Haft entlassen worden. Doch die Anklage bleibt. Präsident Erdogan sagte nach dem Urteil: "Ich sage es offen und klar, ich akzeptiere das nicht und füge mich nicht, ich respektiere die Entscheidung auch nicht". Was bedeutet das für die Fortsetzung des Verfahrens?

Die Anklage hängt wie ein Damokles-Schwert über den beiden Journalisten, weit entfernt von rechtsstaatlichen Standards. Zudem stellt sich der oberste Staatsmann über die Verfassung. Er will von seiner Politik ablenken. Gewaltenteilung interessiert ihn nicht. Der Druck für Dündar und Gül ist groß.

Sie waren ja am ersten Prozesstag dabei und mussten den Gerichtssaal mit anderen Beobachtern verlassen. Wie war das Klima im Gerichtssaal, wurden Sie als Türkei-Gegner angefeindet?

Dort nicht, nein. Das war eigentlich okay. Aber von Regierungsseite oder regierungsnahen Medien wird man schon angefeindet. Man unterstütze den Terrorismus.

"Klima der Angst": Christian Mihr, Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen".

Nun war die Türkei noch nie ein Paradies für Journalisten. Was ist heute anders im Vergleich zu den Zeiten vor Erdogan?

Es ist ein Klima der Angst. Ziel ist, dass immer Druck besteht. Es ist auch die Flut der Anklagen nicht nur gegen Journalisten. Kritische Berichte über die Regierungspolitik oder den Kurdenkonflikt sind kaum möglich. Schon steht man unter Verdacht, den Terrorismus zu unterstützen.

Neu sind auch die sintflutartigen Anklagen wegen Beleidigungen. Mehr als 1800 Anzeigen von Erdogan - oft gegen einfache Bürger, aber auch gegen Intellektuelle oder Journalisten - sind eine schier unfassbare Zahl, eine Qualität, die es so bisher nicht gab. Auch ausländische Journalisten sind heute weitaus stärker betroffen. Ihnen wird die Pressekarte verweigert. Beispiele sind: Hasnain Kazim ("Spiegel") oder aktuell SWR-Reporter Volker Schwenck, der am Flughafen in Istanbul erst festgesetzt, dann ausgewiesen wurde. Die Korrespondentin der norwegischen Zeitung "Aftenposten“, Silje Rønning Kampesæter, wurde ebenfalls ohne Begründung ausgewiesen. Alle sind kritische Journalisten.

Wie kann "Reporter ohne Grenzen" dieser Entwicklung entgegenwirken, was unternehmen Sie?

Da wo es geht Öffentlichkeit herstellen. Die Öffentlichkeit als Druckmittel. Öffentlichkeit schaffen. Wir leisten zudem auch konkrete Hilfen. Als beispielsweise ein syrischer Journalist in der türkischen Stadt Gaziantep erschossen wurde, haben wir den Angehörigen direkte Hilfe geleistet.

Das Interview führte Özkan Canel Altintop.

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