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Türkei ist "müde": Erdogan will nicht länger auf die EU warten


Erdogan will nicht länger auf die EU warten

Von ap, dpa, t-online, pdi

Aktualisiert am 06.01.2018Lesedauer: 4 Min.
Recep Tayyip Erdogan: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron empfing den türkischen Ministerpräsidenten in Paris.Vergrößern des BildesRecep Tayyip Erdogan: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron empfing den türkischen Ministerpräsidenten in Paris. (Quelle: dpa-bilder)
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Die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU sind angespannt, die Beitrittsgespräche liegen de facto auf Eis. Jetzt greift Präsident Erdogan in Paris nicht nur die EU, sondern auch einen Journalisten an.

Die türkische Regierung bemüht sich seit einiger Zeit wieder um eine Verbesserung der Beziehungen zu Berlin und anderen EU-Staaten, am Freitag besuchte Präsident Recep Tayyip Erdogan Paris. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich dabei skeptisch zum EU-Beitrittsprozess des Landes. Die jüngsten Entwicklungen in der Türkei erlaubten keine Fortschritte.

Der türkische Präsident wirft dagegen der Europäischen Union in der Frage nach einer EU-Mitgliedschaft seines Landes eine Hinhaltetaktik vor. Er sei "ernsthaft müde" davon, auf die Entscheidung der EU zu warten, ob sie die Türkei als Mitglied wolle oder nicht, sagte Erdogan. Ankara werde nicht ewig warten. Der Frust darüber könnte sein Land dazu bringen, Europa den Rücken zuzukehren. "Man kann nicht andauernd flehen und darauf warten, endlich einbezogen zu werden", sagte er an der Seite von Macron.

Erdogan herrscht Journalisten an

Der Franzose warf deshalb die Frage auf, ob über die Beziehung zwischen Europäischer Union und Türkei neu nachgedacht werden könne - "nicht im Rahmen des Integrationsprozesses, sondern vielleicht einer Zusammenarbeit, einer Partnerschaft". Ziel sei es, dass die Türkei in Europa verankert bleibe. Erdogan kritisierte dagegen den Stillstand im Beitrittsprozess, die EU lasse sein Land seit inzwischen 54 Jahren "vor der Türe warten". Die Türkei werde "nicht immer wieder sagen, bitte nehmt uns endlich auf".

Einen kleinen Eklat gab es derweil bei der Pressekonferenz in Paris. Erdogan warf einem französischem Reporter des Senders "France 2" vor, wie ein Mitglied der Organisation des islamischen Predigers Fethullah Gülen und "nicht wie ein Journalist" zu reden. "Wenn du deine Fragen stellst, sei vorsichtig. Und rede nicht mit den Worten eines anderen."

Der Journalist hatte Erdogan nach einem angeblich für die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien bestimmten Waffenkonvoi des türkischen Geheimdienstes MIT im Januar 2014 gefragt. Über den Fall hatte die oppositionelle türkische Zeitung "Cumhüriyet" berichtet. Erdogan wirft seinem Erzfeind Gülen vor, hinter der Geschichte zu stecken.

Cavusoglu in Goslar

Der türkische Außenminister Cavusoglu besuchte am Freitag Sigmar Gabriel in Goslar. Dabei wirbt Cavusoglu für einen "Neustart" im schwer belasteten Verhältnis zu Deutschland. Deutschland und die Türkei sollten ihre Beziehungen, "wie schon seit 300 Jahren, in Freundschaft und Zusammenarbeit" fortführen, schrieb Cavusoglu in einem Gastbeitrag für die Funke-Mediengruppe. "Das geht jedoch nur, wenn wir die gegenwärtige Krisenspirale in unserem Verhältnis durchbrechen." Gabriel hat Cavusoglu für diesen Samstag in seine Heimatstadt Goslar eingeladen.

Nach der Niederschlagung des Putschversuchs in der Türkei im Juli 2016 hatte Erdogan den Ausnahmezustand verhängt und "Säuberungen" ausgerufen. Seitdem sind mehr als 50 000 Menschen inhaftiert worden, mehr als 150 000 Staatsbedienstete wurden suspendiert oder entlassen. Die EU äußert sich seitdem zunehmend besorgt über die Menschenrechtslage und kritisiert, die Türkei entferne sich von der Rechtsstaatlichkeit. Erdogan weist das regelmäßig zurück. Macron thematisierte gegenüber Erdogan unter anderem das Schicksal inhaftierter Journalisten.

Streit um Deniz Yücel

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte, bei den geplanten deutsch-türkischen Minister-Gesprächen in Goslar werde es auch um schwierige Themen gehen. Dazu zählten der in der Türkei inhaftierte "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel sowie weitere Haftfälle. Die Einladung sei Teil der beiderseitigen Bemühungen, die deutsch-türkischen Beziehungen allmählich wieder in "ein besseres Fahrwasser" zu bringen. Zuletzt seien "Entspannungssignale" zu erkennen gewesen, auch mit Blick auf die Haftfälle. "Wir wollen diesen Weg weiter gehen, wenn es denn geht", sagte die Sprecherin – da sei aber noch ein weiter Weg zu gehen.

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Der Fall Yücel ist aktuell der größte Streitpunkt zwischen Deutschland und der Türkei. Cavusoglu verwies in seinem Gastbeitrag auf die Unabhängigkeit der Justiz: "Wir unternehmen aber alles, was politisch in unserer Macht steht, um juristische Verfahren zu beschleunigen." Yücel teilte in einer von seinen Anwälten übermittelten Erklärung aus dem Gefängnis mit, er werde "seit fast einem Jahr ohne Anklage als Geisel gehalten".

50 Deutsche inhaftiert

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte dem SWR: "Das Gesäusel über den Rechtsstaat kann sich Herr Cavusoglu sparen. Deniz Yücel muss freigelassen werden und zwar sofort. Solange das nicht passiert, kann es keine Normalisierung geben."

Cavusoglu bat seine "deutschen Freunde" um mehr Verständnis für die Lage der Türkei und das Trauma, das der Putschversuch vom Juli 2016 in dem Land verursacht habe. Er verlangte von Deutschland, Aktivitäten der Gülen-Bewegung - die die Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht – und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu unterbinden.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind in der Türkei aktuell 50 Deutsche inhaftiert. Bei sieben von ihnen ist davon auszugehen, dass es sich um politisch motivierte Vorwürfe handelt. Von diesen sieben Häftlingen haben vier auch die türkische Staatsbürgerschaft.

Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • Nachrichtenagentur AFP
  • Nachrichtenagentur AP
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