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Südkorea hofft auf Kim Jong Uns Politik der kleinen Schritte


Kims Charme-Offensive
Wie lange hält der Olympia-Frieden in Korea?

t-online, Finn Mayer-Kuckuk

Aktualisiert am 14.02.2018Lesedauer: 4 Min.
Nordkoreanische Cheerleader in Pyeongchang: Bei Olympia treten Nord- und Südkorea mit einem gemeinsamen Damen-Eishockey-Team an.Vergrößern des BildesNordkoreanische Cheerleader in Pyeongchang: Bei Olympia treten Nord- und Südkorea mit einem gemeinsamen Damen-Eishockey-Team an. (Quelle: Reuters-bilder)
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Wenn Südkorea und China an einem Strang ziehen, dann lässt sich die Atomkrise bewältigen – falls Donald Trump nicht alles durch eine unbedachte Entscheidung verdirbt.

Südkoreas Präsident riskiert viel. Moon Jae In wagt eine Annäherung an den Norden, die im Inland unpopulär ist. Er stößt damit auch den wichtigsten Verbündeten seines Landes vor den Kopf, die USA. Doch für Moon lohnt sich das Risiko in mehrfacher Hinsicht. Nur im Friedensprozess liegt die Chance auf eine langfristige Normalisierung der Lage. Und für Moon persönlich gehört die Dialogpolitik zum angekündigten Programm.

Was will Präsident Moon?

Zu Olympia sind nun zunächst einmal Friedensspiele statt Kriegsspiele zu beobachten. Das verdankt die Welt Präsident Moon. Die Wähler wussten, wofür sie sich bei ihm entscheiden: Er war Anfang des Jahrhunderts Stabschef von Präsident Roh Moo Hyun. Dieser hat zwischen 2003 und 2008 im Rahmen der "Sonnenschein-Politik" den Norden konsequent eingebunden. Vorbild Rohs war Willy Brandt mit seiner Neuen Ostpolitik in den Siebzigerjahren.

Moon plant nun, als Verfechter des innerkoreanischen Friedens in die Geschichte einzugehen. Selbst wenn Nordkorea nicht langfristig mitspielt, dann hat er zumindest alles versucht – die Schuld für ein Scheitern liegt dann bei dem Diktator in Pjöngjang. Doch Moon spielt kein zynisches Spiel mit der öffentlichen Meinung, sondern er handelt aus Überzeugung. Der ehemalige Menschenrechtsanwalt will sein Land von der Kriegsgefahr befreien.

Was will Kim?

Dazu müsste Kim Jong Un mitspielen. Der hat zwar grundsätzlich ganz andere Interessen, doch seine Ziele sind nachvollziehbar. Und er verfolgt sie auf rationale Weise. Kim will als hochverehrter Herrscher in seinem Palast alt werden. Dafür muss er zwei Dinge erreichen. Er muss die USA daran hindern, seinem Regime gewaltsam ein Ende zu machen. Und er muss Widerstand und Unmut im eigenen Volk unterdrücken.

Den ersten Punkt hätte er eigentlich schon erreicht, wenn da nicht Donald Trump wäre. Er hat eine Drohkulisse aufgebaut, bei der sich ein Angriff verbittet. Seoul befand sich vorher schon in Geiselhaft: Die Stadt mit 15 Millionen Einwohnern liegt in Reichweite normaler Artillerie, Kim könnte sie innerhalb weniger Stunden weitgehend zerstören lassen. Mit den neuen Raketen und Bomben ist nun nicht nur Tokio, sondern auch das Gebiet der USA von einem Vergeltungsschlag bedroht.

Nur Trump wäre verrückt genug, sein Land angreifen zu lassen. Er besteht auch jetzt noch darauf, den Druck auf den Norden zu erhöhen und lässt das Pentagon einen "begrenzten Schlag" gegen Nordkorea planen. Immerhin: Kim hat wohl aufgrund dieser Bedrohung für sein Regime an Neujahr plötzlich auf Frieden umgeschaltet. Doch wenn der Angriff tatsächlich käme, dann bleiben ihm nur Verzweiflungstaten.

Kim wird seine Atomwaffen daher niemals aufgeben, sie sind seine Lebensversicherung. Moon weiß das. Er redet zwar von einer atomfreien südkoreanischen Halbinsel, aber ihm ist klar, dass Kim seine Spielzeuge nicht wieder hergeben wird. Doch vollständige Abrüstung ist nicht unbedingt das Ziel – dazu haben sich die USA und Russland nie durchgerungen. Dennoch erscheint die Gefahr eines Atomkriegs in der Praxis gering.

Hier zeichnen sich die Umrisse einer Schnittmenge der Interessen Kims und Moons ab. Wenn Kim alle Tests aussetzt, keine neuen Raketen installieren lässt und sich zum Waffenstillstand bekennt, dann wäre das für Moon ein voller Erfolg. Kim wäre dadurch jedoch nicht geschwächt.

Vor allem will Kim das Volk ruhig halten

Kim will aber noch etwas: Er will das Volk ruhig halten. Noch hat er sich nicht ganz entschieden, ob Wirtschaftsreformen ihm dabei nützen oder schaden. Es wäre für ihn leicht, einen Aufschwung herbeizuführen und den Lebensstandard gewaltig zu heben. Doch wenn es den Menschen besser geht, könnten sie auch mehr fordern. Und sie hätten mehr Raum, sich über die politische Situation Gedanken zu machen. Wenn mehr Computer verfügbar sind, könnten auch mehr Menschen südkoreanische Serien schauen und anfangen, den Lebensstil dort zu beneiden.

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Doch für Kim ist es offensichtlich auch attraktiv, seinem Volk mehr zu bieten und sich dafür als Gott der Wirtschaftspolitik feiern zu lassen. Erste Experimente mit der Einführung von begrenzten Märkten waren bereits erfolgreich. Sie haben die Versorgungslage bei Gemüse und Klopapier deutlich verbessert. Wenn er weiter versöhnliche Töne anschlägt, dann könnte er Investitionen aus China anziehen. Zweistelliges Wirtschaftswachstum wäre ihm praktisch sicher.

Auf dieses Szenario setzt Moon: Eine vorsichtige Öffnung des Landes. Sie würde weitere Gesprächskanäle öffnen und die Isolierung des Nordens zum Teil aufbrechen. Er hat bereits vor zwanzig Jahren einen Vorstoß für eine gemeinsame Wirtschaftszone gemacht. Er hofft, diese Projekte wiederbeleben zu können.

Was passiert als Nächstes?

Während die Olympischen Spiele laufen, herrscht erst einmal scheinheilige Eintracht. Nach dem 25. Februar wird es dann interessant. Unter Kims Vater hat sich folgendes Muster wiederholt: Er hat mit Waffentests provoziert, dann Gespräche gesucht und Wirtschaftshilfe erpresst. Es kann gut sein, dass sein Sohn die gleiche ausgeleierte Strategie verfolgt. Dann erlebt die Region ein bis zwei Jahre der Ruhe, bis wieder eine Phase der Aggressionen beginnt.

Doch Kim Jong Un ist mutiger und entschlossener als sein Vater. Papa Kim hat nie einen Parteitag der Arbeiterpartei einberufen; er hat die Wirtschaft nicht reformiert und sich sogar vor kurzen Flugreisen gefürchtet. All das ist für den Sohn kein Problem. Er könnte auch andere Veränderungen wagen. Für sein Projekt, als besonders erfolgreicher Diktator in die Geschichte einzugehen, könnte er eine Öffnungspolitik im chinesischen Stil ausprobieren.

Das wäre hochgradig praktikabel. China hat sich nach Beginn der Reformen Ende der Siebzigerjahre auch lange die Option offengehalten, alles wieder zurückzudrehen. Daher schlagen Kims kommunistische Partner in Peking ihm genau diese Strategie vor. Er kann dadurch viel gewinnen, riskiert aber nur wenig. Voraussetzung für die Öffnung sind aber Rüstungskontrolle und freundliches Verhalten.

Der linksliberale, demokratisch zum Präsidenten gewählte Menschenrechtsanwalt Moon und die Führung der Kommunistischen Partei in Peking ziehen hier also an einem Strang. Das ist eine ziemlich verheißungsvolle Ausgangslage. Wenn Trump den Ostasiaten nicht in die Parade fährt, hat die neue Sonnenscheinpolitik durchaus Chancen, eine langfristige Wirkung zu entfalten. Sie ist zumindest die beste Option.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen
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